Kaufhaus
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Kaufhaus K steht im Verdacht, gefälschte Markenwaren zu verkaufen. Zollfahnder betreten daher während der Öffnungszeiten die frei zugängliche Verkaufsfläche des Kaufhauses und überprüfen Waren. Inhaber I ist empört und sieht Art. 13 Abs. 1 GG verletzt.
Diesen Fall lösen 80,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Kaufhaus
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume fallen nach BVerfG grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist der sachliche Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG bei Geschäftsräumen auch dann eröffnet, wenn sie nicht von der Öffentlichkeit abgeschottet sind.
Genau, so ist das!
3. I kann sich unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BVerfG auf Art. 13 Abs. 1 GG berufen. Der sachliche Schutzbereich ist eröffnet.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Isabell
17.2.2021, 16:45:48
Wenn selbst die Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit der Eröffnung des sachlichen Schutzbereichs nicht entgegen steht, warum dann überhaupt dieses Fass aufmachen und suggerieren, dass es darauf ankommt, ob der Bereich öffentlich zugänglich ist oder eben nicht?
Wendelin Neubert
12.3.2021, 17:59:02
Danke für deine Frage, liebe Isa Bell! Die ist absolut berechtigt. Wir wollen in dieser Session die Problematik und die verschiedenen Konstellationen darstellen. Dieser letzte Fall in der Session ist der extremste. Diese sehr weite Auffassung des BVerfG ist deshalb zu recht auch umstritten. Deshalb machen wir das Fass hier auf 😊 hoffe das hilft! Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team
Isabell
12.3.2021, 18:04:49
Hallo Wendelin, Das hilft auf jeden Fall. Gibt es einen Tipp, wie man in der Klausur mit dieser Thematik umgehen sollte? Viele Grüße Isabell
Wendelin Neubert
12.3.2021, 19:27:10
Hallo Isa Bell, das freut mich! Ich würde damit wie folgt umgehen: (1) Den Schutzbereich von Art. 13 Abs. 1 GG definieren und dabei darstellen, dass das Grundrecht eng mit der freien Entfaltung der Persönlichkeit zusammenhängt. (2) Darstellen, dass die Einbeziehung von Arbeits- und Geschäftsräumen in den Schutzbereich umstritten ist. (3) Fallgerecht subsumieren: Wenn es darauf ankommt, die Argumente für und wider bringen (vgl. Darstellung in der App). Dabei der Ansicht folgen, die dich überzeugt (dann argumentiert man immer stärker). Auf jeden Fall problematisieren, dass die Ansicht des BVerfG den Schutzbereich sehr weit fasst. Wenn es im Fall nicht drauf ankommt, kannst Du den Streitentscheid dahinstehen lassen. Hilft das?
Isabell
12.3.2021, 19:31:02
Perfekt! Dankeschön 🤗
ri
17.7.2021, 20:45:20
Wie sieht es mit dem sachlichen SB aus? Wenn Ausprägung der Persönlichkeit dann wohl nicht für jur. Personen? Aber wenn BVerfG hier so stark mit 12/14 argumentiert Erstreckung auf jur. Personen bzgl. Geschäftsräumen möglich? Merke: Räumliche Abschottung normativ vom BVerfG in Bezug auf Geschäftsräume aufgeweicht Dag: hL (Telos/ Topoi: freiwillige Öffnung, kein Rückzugsort für Persönlichkeitsentfaltung mehr)
Lukas_Mengestu
5.1.2022, 10:22:46
Hallo Ri, in der Tat kommen auch juristische Personen nach der Rechtsprechung des BVerfG in den Genuss des Schutzes von Art. 13 GG (BVerfG NJW 1976, 1735). Begründet wird dies damit, dass eben auch juristische Personen - wie Einzelpersonen - Inhaberinnen von Wohnungen sein können und das Grundrecht insoweit korporativ ausgeübt werden kann. Es komme damit nur untergeordnet auf den historischen Ursprung des Grundrechts als Individualgrundrecht an. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
QuiGonTim
21.3.2022, 16:51:28
Müsste man im Lichte dieser Rechtsprechung des BVerfG nicht auch den Fall des Liebespaares, welches den Geschlechtsverkehr im Auto vollzieht, neu bewerten? Wenn selbst der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Geschäftsräume als Teil der Sozialsphäre unter den Schutz des Art. 13 I GG fallen, müssten dann nicht erst recht ein grundsätzlich einsehbares Auto, in dem die Intimsphäre als Teil der Persönlichkeitsentfaltung ausgelebt wird, erst recht den selben Schutz genießen dürfen.
Lukas_Mengestu
23.3.2022, 11:23:49
Hallo QuiGonTim, das wäre theoretisch in der Tat vertretbar. Bereits die Ausdehnung des BVerfG im Hinblick auf öffentliche Geschäftsräume ist allerdings durchaus umstritten. Zu berücksichtigen ist auch, dass hier das Schutzniveau deutlich geringer ist, als bei abgeschotteten Wohnungen. Für eine Ausdehnung im privaten Berecht besteht dagegen kein Anlass. Einen offen einsehbaren PKW pauschal unter den Schutz von Art. 13 GG ist letztlich nur schwer mit dem Wortlaut und vor allem dem Zweck der Norm zu vereinbaren, nämlich die ungestörte Persönlichkeitsentfaltung aufgrund räumlicher Abschottung zu schützen. Sofern die freie Persönlichkeitsentfaltung grundsätzlich auch im Auto gewährleistet werden kann (zB Selbstgespräche, vgl. BGH NJW 2012, 945), kommt aber der Schutz über das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Art. 2 Abs. 1 GG iVm Art. 1 Abs. 1 GG in Betracht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
der unerkannt geisteskranke E
13.6.2023, 18:53:32
Im Vertiefungshinweis wird angemerkt, es Fehlenwegen der geringeren Schutzbedürftigkeit regelmäßig an einem Eingriff. Ein Eingriff liegt doch aber bei im Prinzip jeder dem Staat zurechenbarer Verkürzung des Schutzbereichs vor, sodass regelmäßig ein Eingriff vorliegt. Hat die geringere Schutzbedürftigkeit nicht viel mehr Auswirkungen auf die Rechtfertigung des Eingriffes?
cjackson94
27.6.2023, 21:15:14
Sollte man die Problematik der Geschäftsräume bereits in der Beschwerdebefugnis (Möglichkeit einer GR-Verletzung) ansprechen, wenn es um eine Verfassungsbeschwerde geht?