Strafrecht

BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.

Raub (§ 249 StGB)

Wegnahme fremder beweglicher Sache – Abgrenzung § 255: Fall mit privilegierter Gebrauchsanmaßung

Wegnahme fremder beweglicher Sache – Abgrenzung § 255: Fall mit privilegierter Gebrauchsanmaßung

9. Juli 2025

26 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Unter Anwendung von vis absoluta beschafft sich die T das in dessen Gewahrsam befindliche Auto des O, um damit eine Spritztour zu machen. Nachdem sie eine Stunde mit dem Auto durch die Stadt gefahren ist, gibt sie dem O das Auto zurück, so wie sie von Anfang an beabsichtigt hatte.

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Einordnung des Falls

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Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nach Ansicht der Rechtsprechung hat T den Gewahrsam des O an seinem Auto gebrochen und es damit weggenommen.

Genau, so ist das!

Gewahrsam wird gebrochen, wenn er gegen oder ohne den Willen des Inhabers aufgehoben wird. Dies ist nicht der Fall, wenn ein tatbestandsausschließendes Einverständnis vorliegt. Wann das beim Raub der Fall ist, wird uneinheitlich beantwortet. Nach der Rechtsprechung fehlt es an einem tatbestandsausschließenden Einverständnis, wenn sich das Tatgeschehen nach dem äußeren Erscheinungsbild als ein „Nehmen“ des Täters und nicht als ein „Geben“ des Opfers darstellt. Dann liegt somit eine Wegnahme vor. T beschafft sich eigenständig das Auto unter Anwendung von Gewalt. Entsprechend des äußeren Erscheinungsbildes liegt nach Ansicht der Rechtsprechung somit eine Wegnahme vor.
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2. Auch nach Ansicht der Literatur hat T den Gewahrsam des O an seinem Auto gebrochen und es ihm damit weggenommen.

Ja, in der Tat!

Nach anderer Ansicht in der Literatur ist die innere Willensrichtung des Opfers entscheidend. Glaubt das Opfer, eine Schlüsselposition innezuhaben, also einen unerlässlichen Mitwirkungsakt für den Gewahrsamswechsel leisten zu müssen, liegt bei Vorname dieses Mitwirkungsakts ein Einverständnis vor. Denn das Opfer verfügt dann mit einem sog. Rest an Freiwilligkeit über eigenes Vermögen. T handelt unter Anwendung von vis absoluta, um sich das Auto zu beschaffen. Ein „freiwilliger“ zur Zielerreichung unerlässlicher Mitwirkungsakt des O liegt nicht vor.

3. T hat sich folglich nach beiden Ansichten wegen Raubes gem. § 249 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

Nein!

In subjektiver Hinsicht setzt der Tatbestand des Raubes jedenfalls auch voraus, dass der Täter mit Zueignungsabsicht handelt. Diese zerfällt in den (mindestens Eventual-)Vorsatz dauerhafter Enteignung sowie die Absicht der (zumindest) vorübergehenden Aneignung. T hatte von Anfang an beabsichtigt, das Auto dem O zurückzugeben (Rückführungswille). Sie nahm also nicht billigend in Kauf, den O dauerhaft aus seiner Eigentümerstellung zu verdrängen.

4. Nach Ansicht der Rechtsprechung liegt ein tauglicher Nötigungserfolg vor, sodass sich T wegen räuberischer Erpressung (§§ 253, 255 StGB) strafbar gemacht hat.

Genau, so ist das!

Die Rechtsprechung sieht den Raub als lex specialis zur räuberischen Erpressung. Gemäß des Wortlauts ist damit ausreichend, dass der Täter das Opfer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt. Mit der Wegnahme des Autos geht auch die Duldung der Wegnahme durch O einher.

5. Auch nach Literaturansicht liegt auch ein tauglicher Nötigungserfolg vor, sodass sich T auch danach wegen räuberischer Erpressung (§§ 253, 255 StGB) strafbar gemacht hat.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach der Literaturansicht besteht ein strenges Exklusivitätsverhältnis zwischen Raub und räuberischer Erpressung, sodass für einen tauglichen Nötigungserfolg eine (freiwillige) Vermögensverfügung des Opfers erforderlich ist. T handelte indes mit vis absoluta, sodass schon ein Wegnahme vorliegt. Demnach käme nur noch eine Strafbarkeit nach § 248b StGB, den §§ 223 ff. StGB sowie § 240 Abs. 1 StGB in Betracht. Der vorliegende Fall wird häufig als Argument gegen die Ansicht der Rechtsprechung ins Feld geführt. Denn durch eine Strafbarkeit der T nach §§ 253, 255 StGB würde die Privilegierung der Gebrauchsanmaßung in § 248b StGB umgangen. Dem lässt sich aber entgegenhalten, dass es widersinnig erscheint, den mit vis absoluta und damit mit der schwersten Form der Gewalt vorgehenden Täter zu privilegieren.
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