Strafrecht

BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.

Raub (§ 249 StGB)

Finalzusammenhang: Zweck-Mittel-Zusammenhang

Finalzusammenhang: Zweck-Mittel-Zusammenhang

11. Juli 2025

14 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

T verprügelt den O, weil er eifersüchtig auf ihn ist. Noch während des Einprügelns fällt sein Blick auf die Brieftasche des O. Er nutzt das Einprügeln daher, um O die Brieftasche aus der Jacke zu ziehen.

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Einordnung des Falls

Finalzusammenhang: Zweck-Mittel-Zusammenhang

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Raubtatbestand nach § 249 StGB setzt voraus, dass zwischen Gewalt/Drohung und Wegnahme ein finaler Zusammenhang besteht.

Genau, so ist das!

Nach h. M. wird beim Raub Finalität vorausgesetzt, was nicht zuletzt an dem Wortlaut „unter Anwendung“ fest gemacht wird. Die Nötigungsmittel werden gerade zur Erzwingung der Wegnahme eingesetzt. Es kommt dabei maßgeblich auf die Vorstellung des Täters (subjektiv) und nicht auf einen Ursachenzusammenhang (Kausalität) zwischen Nötigung und Wegnahme an. Die Anwendung von Gewalt oder Drohung darf somit nicht als bloße „Begleiterscheinung“ der Entwendung einer fremden Sache erfolgen, sondern sie muss gezielt darauf gerichtet sein, den Gewahrsamsbruch durch Ausschaltung eines erwarteten oder geleisteten Widerstands zu ermöglichen oder wenigstens zu erleichtern.
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2. Da T das Einprügeln auf O ausnutzt, um die Wegnahme der Brieftasche zu ermöglichen, ist die Finalität zu bejahen.

Ja, in der Tat!

Hier liegt der erforderliche Finalzusammenhang vor, da T die noch fortdauernde Gewaltanwendung final zur Wegnahme einsetzt. Gleiches gilt auch dann, wenn sich O aus Angst vor weiteren Schlägen ergeben hat und T diese Drohkulisse ausnutzt, um die Brieftasche wegzunehmen. Nicht erfüllt wäre der Raubtatbestand hingegen, wenn der Täter den Wegnahmeentschluss erst nach der Gewaltanwendung fasst. Aus dem Erfordernis eines Finalzusammenhanges folgt auch, dass die Nötigungsmittel nur vor oder während der Wegnahmehandlung angewandt werden können; eine Nötigung erst nach vollendetem Diebstahl ist kein Raub.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell

Isabell

15.1.2021, 17:18:34

Sagt man nicht normalerweise, dass ein später gefasster Vorsatz unbeachtlich bleiben muss, weil es auf den Vorsatz zum Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens ankommt?

t o m m y

t o m m y

15.1.2021, 18:05:18

der raubvorsatz und

finalzusammenhang

ist ja nicht später gefasst, sondern liegt genau im zeitpunkt des raubes vor (er will gleichzeitig schlagen + wegnehmen + das schlagen zur wegnahme ausnutzen). dass er vorher nur KV vorsatz hatte spielt dafuer ja keine rolle: wenn ich waehrend ich jemanden verpruegle mein opfer plötzlich durch meine schlaege umbringen will, ist der mordvorsatz im hinblick auf den mord ja nicht spaeter gefasst => es kommt beim zeitpunkt immer auf die relation zum konkreten delikt an

Isabell

Isabell

11.3.2021, 13:39:12

Danke für die Antwort. Dann habe ich bisher den Punkt des unmittelbaren Ansetzens zu eng verstanden.

TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

27.4.2021, 07:54:22

@Isa Bell Dass es bei dem

Simultanitätsprinzip

auf den Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens ankommt, wäre mir neu. § 16 StGB spricht ja von "bei Begehung der Tat" :)

RECH

Rechtsausleger

21.6.2021, 12:00:44

Hallo zusammen, Ich finde die zeitliche Einteilung der Deliktsbegehung persönlich sehr unterbewertet, mir hilft sie in vielen Sachen. IMHO kann man die einzelnen Schläge vorliegend bereits als Handlungseinheit betrachten oder nicht, darauf kommt es, glaube ich nicht an, es geht darum dass die Körpverletzung noch nicht (als Ganzes) vollendet gewesen ist und damit ein entsprechender Vorsatz (oder andere subjektive Merkmale) noch gefasst werden können (in Abgrenzung zum

dolus subsequens

)

RECH

Rechtsausleger

21.6.2021, 12:05:17

@TeamRahad Wenn du sagen willst, dass man auf den Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens nicht abstellt, dann stimme ich dir zu. Aber relevant ist dieser Zeitpunkt trotzdem, da er sozusagen den Startschuss gibt. Relevant wird dies zB im Grenzbereich der

Distanzfälle

, wenn der Täter es sich nach dem Stellen der Falle noch anders überlegt. Hier kann es maßgeblich darauf ankommen, ob er schon unmittelbar zur Tat angesetzt hat.

DIAA

Diaa

28.8.2023, 15:42:18

Es ist sehr verwirrend, wenn es am Anfang des Sachverhaltes steht, dass der Täter das Opfer bereits verprügelt und ein Satz später, wird behauptet, der Täter habe das Opfer doch noch nicht verprügelt. Ich habe den Sachverhalt so aufgefasst, dass der T seinen Vorsatz zur Wegnahme beim widerholten Einschlagen auf das Opfer auffasste und daher die Finalität abgelehnt.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

28.8.2023, 15:55:06

Hallo Diaa, danke für deine Rückmeldung. Der Sachverhalt enthält eine Zustandsbeschreibung der Ausgangssituation. "T verprügelt O", währenddessen bemerkt er dessen Brieftasche und nutzt die Gelegenheit um diese wegzunehmen. Lass mich gerne wissen, wenn der Sachverhalt weiterhin unklar sein sollte. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

DIAA

Diaa

28.8.2023, 15:45:21

Und noch eine Frage, es heißt " der Täter muss Gewalt einsetzen, um überhaupt wegnehmen zu können". Wieso steht in der Antwort, dass der T doch während der Wegnahme Gewalt einsetzen kann?

Major Tom(as)

Major Tom(as)

21.11.2024, 10:16:04

Hey, ich antworte einfach mal. "Um wegnehmen zu können" bedeutet nicht, dass die Nötigung abgeschlossen sein muss, bevor die Wegnahme beginnt - ganz im Gegenteil: Wenn der Täter erst nach Abschluss der Gewaltanwendung einen Vorsatz zur Wegnahme fasst, liegt kein Raub vor (a.A. bei Bejahens einer Garantenstellung in "krassen Fällen" die Literatur), dieser Fall wäre dann vergleichbar mit einem, in dem der Täter das von der Gewaltanwendung eines Dritten völlig verängstigte Opfer bestiehlt - die Wegnahme geschieht nicht mehr "mit Gewalt". Ansonsten würde ich mich allgemein auch eher am Gesetzeswortlaut orientieren, hier steht "mit Gewalt", das kommt ohnehin als "gesetzesnahes Arbeiten" sehr gut an und verwirrt vielleicht weniger :) (Hier im Fall geht es eher um das Problem, ob der Vorsatz zur Wegnahme noch während der Gewaltanwendung gefasst werden kann (ja!). Die Gewalt wird dann schließlich auch genutzt, "um wegnehmen zu können"/ die Wegnahme geschieht "mit Gewalt". Oder wie der MüKo (Sander, § 249, Rn. 30) schreibt: "Die für den Raubtatbestand

notwendige

finale Verknüpfung (ist) eindeutig zu bejahen, wenn der Täter sich noch während der Anwendung von Gewalt, die ursprünglich zB lediglich der Erzwingung von sexuellen Handlungen dienen sollte, dazu entschließt, die Gewalt im Folgenden (wenigstens auch) zur Wegnahme einer Sache einzusetzen.")

OKA

okalinkk

21.5.2025, 20:38:51

ich dachte, dass das Ausnutzen einer Drohkulisse gerade nicht genügt (zB verprügeln, sodass Opfer danach eingeschüchtert ist und Täter sich erst nach Abschluss des Prügelns zur Wegnahme entscheidet). Die Gewaltanwendung muss vielmehr andauern.

Inkognito

Inkognito

29.5.2025, 14:31:00

Diese Fälle würde ich aus Überzeugung auch einfach wider und wider "falsch" beantworten. Dabei gäbe es so viele Wege, hier zu einer völlig sinnvollen Bejahung zu kommen. Dass beispielsweise bei einer Wegnahme von Sachen nach einem Verprügeln konkludent eine

Drohung

ausgesprochen ist, finde ich eigentlich ziemlich offensichtlich. Ich meine mal gelesen zu haben, dass man auch bei via absoluta auf einem Umweg zum Raub kommen kann. Warum man einen Täter bevorteilen sollte, der jemanden einfach gnadenlos KO-schlägt und dann die Restvernunft hat zu sagen "das war eigentlich gar nicht so geplant" wird mir niemals verständlich sein.

PAUHE

Paul Hendewerk

6.6.2025, 16:43:42

Ich glaube, Du verkennst den Charakter des Raubes als mehraktiges Delikt. Gewaltanwendung und Wegnahme stehen nicht unverbunden nebeneinander, sondern hängen beim Raub miteinander zusammen. Ohne diesen Zusammenhang gäbe es kein erhöhtes Unrecht, das erst auf dem Boden des verfassungsrechtlichen Grundsatzes

schuld

angemessenen Strafens die

Strafrahmenverschiebung

im Vergleich zum Diebstahl und zur Nötigung rechtfertigt.

Inkognito

Inkognito

7.6.2025, 21:09:20

Ich verstehe diesen Zusammenhang wohl, das Problem ist meiner Meinung nach der Umgang damit. Meiner Meinung nach ist in solchen Fällen ein Zusammenhang zwischen Gewalt und Wegnahme so naheliegend, dass irgendet

was b

esonderes dagegen sprechen muss. Um es anders auszudrücken: Wenn ich jemanden verprügle und niederschlage und dann anfange ihm seine Taschen zu leeren, muss dieser Mensch nicht völlig zurecht davon ausgegehen, dass ihm noch drastischere Gewalt droht, wenn er sich dagegen wehrt? Ich finde dass das Opfer in dieser Situation ausreichend schutzwürdig ist und es nicht erst durch die Frage "verprügelst du mich weiter, wenn ich mich wehre" herausfinden muss. Wer andere leute niederschlägt und dann ihr Zeug einsteckt macht das doch wohl ganz bewusst mit dem Wissen, dass sie eingeschüchtert sind und sich eben nur deshalb nicht wehren. Ein Maßstab, der hier alleine ein "nein das hätte ich doch nicht gemacht" während der Hauptverhandlung für ausreichend befindet um diesen logischen und für jeden Menschen verständigen Zusammenhang aus der Welt zu räumen ist, dabei bleibe ich, völlig ungeeignet für eine Anwendung in der Praxis. Mir ist schon klar, dass man sich nicht einfach Dinge völlig ohne Gesetzesgrundlage aus den Fingern saugen darf aber so ein Fall liegt hier mEn nicht vor.


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