Strafrecht
BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.
Raub (§ 249 StGB)
Finalzusammenhang: Zweck-Mittel-Zusammenhang
Finalzusammenhang: Zweck-Mittel-Zusammenhang
11. Juli 2025
14 Kommentare
4,8 ★ (13.930 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

T verprügelt den O, weil er eifersüchtig auf ihn ist. Noch während des Einprügelns fällt sein Blick auf die Brieftasche des O. Er nutzt das Einprügeln daher, um O die Brieftasche aus der Jacke zu ziehen.
Diesen Fall lösen 79,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Finalzusammenhang: Zweck-Mittel-Zusammenhang
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Raubtatbestand nach § 249 StGB setzt voraus, dass zwischen Gewalt/Drohung und Wegnahme ein finaler Zusammenhang besteht.
Genau, so ist das!
2. Da T das Einprügeln auf O ausnutzt, um die Wegnahme der Brieftasche zu ermöglichen, ist die Finalität zu bejahen.
Ja, in der Tat!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell
15.1.2021, 17:18:34
Sagt man nicht normalerweise, dass ein später gefasster Vorsatz unbeachtlich bleiben muss, weil es auf den Vorsatz zum Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens ankommt?
t o m m y
15.1.2021, 18:05:18
der raubvorsatz und
finalzusammenhangist ja nicht später gefasst, sondern liegt genau im zeitpunkt des raubes vor (er will gleichzeitig schlagen + wegnehmen + das schlagen zur wegnahme ausnutzen). dass er vorher nur KV vorsatz hatte spielt dafuer ja keine rolle: wenn ich waehrend ich jemanden verpruegle mein opfer plötzlich durch meine schlaege umbringen will, ist der mordvorsatz im hinblick auf den mord ja nicht spaeter gefasst => es kommt beim zeitpunkt immer auf die relation zum konkreten delikt an

Isabell
11.3.2021, 13:39:12
Danke für die Antwort. Dann habe ich bisher den Punkt des unmittelbaren Ansetzens zu eng verstanden.

TeamRahad 🧞
27.4.2021, 07:54:22
@Isa Bell Dass es bei dem
Simultanitätsprinzipauf den Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens ankommt, wäre mir neu. § 16 StGB spricht ja von "bei Begehung der Tat" :)
Rechtsausleger
21.6.2021, 12:00:44
Hallo zusammen, Ich finde die zeitliche Einteilung der Deliktsbegehung persönlich sehr unterbewertet, mir hilft sie in vielen Sachen. IMHO kann man die einzelnen Schläge vorliegend bereits als Handlungseinheit betrachten oder nicht, darauf kommt es, glaube ich nicht an, es geht darum dass die Körpverletzung noch nicht (als Ganzes) vollendet gewesen ist und damit ein entsprechender Vorsatz (oder andere subjektive Merkmale) noch gefasst werden können (in Abgrenzung zum
dolus subsequens)
Rechtsausleger
21.6.2021, 12:05:17
@TeamRahad Wenn du sagen willst, dass man auf den Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens nicht abstellt, dann stimme ich dir zu. Aber relevant ist dieser Zeitpunkt trotzdem, da er sozusagen den Startschuss gibt. Relevant wird dies zB im Grenzbereich der
Distanzfälle, wenn der Täter es sich nach dem Stellen der Falle noch anders überlegt. Hier kann es maßgeblich darauf ankommen, ob er schon unmittelbar zur Tat angesetzt hat.
Diaa
28.8.2023, 15:42:18
Es ist sehr verwirrend, wenn es am Anfang des Sachverhaltes steht, dass der Täter das Opfer bereits verprügelt und ein Satz später, wird behauptet, der Täter habe das Opfer doch noch nicht verprügelt. Ich habe den Sachverhalt so aufgefasst, dass der T seinen Vorsatz zur Wegnahme beim widerholten Einschlagen auf das Opfer auffasste und daher die Finalität abgelehnt.

Nora Mommsen
28.8.2023, 15:55:06
Hallo Diaa, danke für deine Rückmeldung. Der Sachverhalt enthält eine Zustandsbeschreibung der Ausgangssituation. "T verprügelt O", währenddessen bemerkt er dessen Brieftasche und nutzt die Gelegenheit um diese wegzunehmen. Lass mich gerne wissen, wenn der Sachverhalt weiterhin unklar sein sollte. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Diaa
28.8.2023, 15:45:21
Und noch eine Frage, es heißt " der Täter muss Gewalt einsetzen, um überhaupt wegnehmen zu können". Wieso steht in der Antwort, dass der T doch während der Wegnahme Gewalt einsetzen kann?

Major Tom(as)
21.11.2024, 10:16:04
Hey, ich antworte einfach mal. "Um wegnehmen zu können" bedeutet nicht, dass die Nötigung abgeschlossen sein muss, bevor die Wegnahme beginnt - ganz im Gegenteil: Wenn der Täter erst nach Abschluss der Gewaltanwendung einen Vorsatz zur Wegnahme fasst, liegt kein Raub vor (a.A. bei Bejahens einer Garantenstellung in "krassen Fällen" die Literatur), dieser Fall wäre dann vergleichbar mit einem, in dem der Täter das von der Gewaltanwendung eines Dritten völlig verängstigte Opfer bestiehlt - die Wegnahme geschieht nicht mehr "mit Gewalt". Ansonsten würde ich mich allgemein auch eher am Gesetzeswortlaut orientieren, hier steht "mit Gewalt", das kommt ohnehin als "gesetzesnahes Arbeiten" sehr gut an und verwirrt vielleicht weniger :) (Hier im Fall geht es eher um das Problem, ob der Vorsatz zur Wegnahme noch während der Gewaltanwendung gefasst werden kann (ja!). Die Gewalt wird dann schließlich auch genutzt, "um wegnehmen zu können"/ die Wegnahme geschieht "mit Gewalt". Oder wie der MüKo (Sander, § 249, Rn. 30) schreibt: "Die für den Raubtatbestand
notwendigefinale Verknüpfung (ist) eindeutig zu bejahen, wenn der Täter sich noch während der Anwendung von Gewalt, die ursprünglich zB lediglich der Erzwingung von sexuellen Handlungen dienen sollte, dazu entschließt, die Gewalt im Folgenden (wenigstens auch) zur Wegnahme einer Sache einzusetzen.")
okalinkk
21.5.2025, 20:38:51
ich dachte, dass das Ausnutzen einer Drohkulisse gerade nicht genügt (zB verprügeln, sodass Opfer danach eingeschüchtert ist und Täter sich erst nach Abschluss des Prügelns zur Wegnahme entscheidet). Die Gewaltanwendung muss vielmehr andauern.

Inkognito
29.5.2025, 14:31:00
Diese Fälle würde ich aus Überzeugung auch einfach wider und wider "falsch" beantworten. Dabei gäbe es so viele Wege, hier zu einer völlig sinnvollen Bejahung zu kommen. Dass beispielsweise bei einer Wegnahme von Sachen nach einem Verprügeln konkludent eine
Drohungausgesprochen ist, finde ich eigentlich ziemlich offensichtlich. Ich meine mal gelesen zu haben, dass man auch bei via absoluta auf einem Umweg zum Raub kommen kann. Warum man einen Täter bevorteilen sollte, der jemanden einfach gnadenlos KO-schlägt und dann die Restvernunft hat zu sagen "das war eigentlich gar nicht so geplant" wird mir niemals verständlich sein.
Paul Hendewerk
6.6.2025, 16:43:42
Ich glaube, Du verkennst den Charakter des Raubes als mehraktiges Delikt. Gewaltanwendung und Wegnahme stehen nicht unverbunden nebeneinander, sondern hängen beim Raub miteinander zusammen. Ohne diesen Zusammenhang gäbe es kein erhöhtes Unrecht, das erst auf dem Boden des verfassungsrechtlichen Grundsatzes
schuldangemessenen Strafens die
Strafrahmenverschiebungim Vergleich zum Diebstahl und zur Nötigung rechtfertigt.

Inkognito
7.6.2025, 21:09:20
Ich verstehe diesen Zusammenhang wohl, das Problem ist meiner Meinung nach der Umgang damit. Meiner Meinung nach ist in solchen Fällen ein Zusammenhang zwischen Gewalt und Wegnahme so naheliegend, dass irgendet
was besonderes dagegen sprechen muss. Um es anders auszudrücken: Wenn ich jemanden verprügle und niederschlage und dann anfange ihm seine Taschen zu leeren, muss dieser Mensch nicht völlig zurecht davon ausgegehen, dass ihm noch drastischere Gewalt droht, wenn er sich dagegen wehrt? Ich finde dass das Opfer in dieser Situation ausreichend schutzwürdig ist und es nicht erst durch die Frage "verprügelst du mich weiter, wenn ich mich wehre" herausfinden muss. Wer andere leute niederschlägt und dann ihr Zeug einsteckt macht das doch wohl ganz bewusst mit dem Wissen, dass sie eingeschüchtert sind und sich eben nur deshalb nicht wehren. Ein Maßstab, der hier alleine ein "nein das hätte ich doch nicht gemacht" während der Hauptverhandlung für ausreichend befindet um diesen logischen und für jeden Menschen verständigen Zusammenhang aus der Welt zu räumen ist, dabei bleibe ich, völlig ungeeignet für eine Anwendung in der Praxis. Mir ist schon klar, dass man sich nicht einfach Dinge völlig ohne Gesetzesgrundlage aus den Fingern saugen darf aber so ein Fall liegt hier mEn nicht vor.