Grundfall § 822 BGB
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V verkauft und übereignet K eine Tasse. Diese schenkt K ihrer Tochter T zu Weihnachten. Später ficht V den Kaufvertrag wirksam an (Inhaltsirrtum, § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB), weswegen der Kaufvertrag nichtig ist (§ 142 Abs. 1 BGB). Kann V die Tasse von T verlangen?
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Einordnung des Falls
§ 822 BGB ermöglicht einem Bereicherungsgläubiger den Durchgriff auf einen Dritten, wenn dieser den Bereicherungsgegenstand unentgeltlich vom eigentlichen rechtsgrundlosen Empfänger erhalten hat und Letzterer deshalb entreichert ist. § 822 BGB dient der Korrektur eines unbilligen Ergebnisses von § 818 Abs. 3 BGB: Wenn sich jemand erfolgreich auf den Wegfall der Bereicherung beruft (§ 8118 Abs. 3 BGB), weil die Sache nicht mehr in seinem Eigentum ist, und er auch kein Surrogat dafür erhalten hat, geht der Gläubiger einer Kondiktion leer aus. § 822 BGB schafft hier Abhilfe.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V hat einen Anspruch auf Herausgabe der Tasse gegen T nach § 816 Abs. 1 S. 2 BGB.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Es kommt ein Anspruch aus § 822 BGB in Betracht.
Ja!
3. V hat gegen K dem Grunde nach einen Bereicherungsanspruch.
Genau, so ist das!
4. K hat T etwas unentgeltlich zugewandt (§ 822 BGB).
Ja, in der Tat!
5. K hat T die Tasse geschenkt. Hat V dennoch einen Bereicherungsanspruch aus Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) gegen K (siehe § 818 BGB)?
Nein!
6. Vs Anspruch aus § 822 BGB besteht. Hat T die Tasse an K herauszugeben, damit diese den Anspruch auf Herausgabe gegen V erfüllen kann?
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Skywalker
25.6.2023, 12:42:47
Wie wäre der Fall denn zu bewerten, wenn K doch bösgläubig gehandelt hätte? Dann wäre K ja nicht
Entreicherteine Kondiktion aus
822würde somit zunächst wegfallen und V hätte eine Leistungskondiktion gegen K auf Wertersatz? Bestünde in diesem Fall dann für V auch die Möglichkeit die verschärfte Haftung durch Genehmigung auszuschließen und sich somit wieder eine
Durchgriffskondiktiongegenüber T auf Herausgabe zu verschaffen?
David.
6.8.2023, 16:06:00
Interessanter Gedanke, die verschärfte Haftung durch Genehmigung auszuschließen ist meiner Ansicht nach aber nicht möglich. Dies könntest du im Endeffekt nur dadurch erreichen, indem du die Verfügung genehmigst. Die Verfügung ist hier jedoch wirksam, da K als Berechtigte handelte (nur der Kaufvertrag ist unwirksam). Insoweit haftet ein Dritter im Rahmen des §
822auch nur subsidiär. Eine Inanspruchnahme des Dritten ist nur dann möglich, wenn der Schuldner nicht mehr bereichert ist und und nicht verschärft haftet. Konsequenz davon ist letztendlich allerdings auch, dass der Dritte, der von einem bösgläubigen Schuldner erwirbt, besser dasteht als derjenige, der von einem gutgläubigen Schuldner erwirbt.
CR7
3.1.2024, 18:10:39
@Skywalker Der Gedanke mit der Genehmigung erinnert mich an die Zessionfälle, wo der Schuldner sich regelmäßig nicht aussuchen kann, ob er im Falle der Insolvenz des Zedenten doch vom
Zessionarkondizieren kann. Ich hätte das hier aus denselben Gründen verneint.
david1234
22.2.2024, 19:21:05
Hi! Inwiefern passt der Fall mit der ex tunc Wirkung der Anfechtung zusammen? Müsste die Person aufgrund dieser Wirkung nicht Nichtberechtigter sein? Wo stehe ich auf dem Schlauch?
david1234
22.2.2024, 19:25:07
Frage beantwortet, Kardinalsfehler begangen. Ich sollte eine Pause machen und etwas essen gehen 😆
Nora Mommsen
23.2.2024, 11:55:45
Schön, dass es sich so schnell von selbst erledigt hat! Der Fehler passiert nicht nochmal :) Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
der D
13.10.2024, 08:22:59
Hatte gerade denselben Gedanken, was habe ich übersehen? 😅
as.mzkw
20.11.2024, 18:24:09
Wobei im Fall einer Anfechtung nach § 123 BGB doch auch das dingliche Geschäft angefochten wird (
Fehleridentität), sodass man wie von @[david1234](229145) zunächst angenommen dann in der Tat die K als Nichtberechtigte verfügt hätte oder? Dann würde wohl auch der § 816 I 2 BGB durchgehen.
david1234
20.11.2024, 23:40:14
@[as.mzkw](244917) Mit der Aussage musst du ganz ganz vorsichtig sein. Der Grundsatz ist, dass die
Dingliche Einigungwertneutral ist und dementsprechend kein Fall der
Fehleridentitätvorliegt. Ausnahmen kann es geben, aber sehr sehr selten. Dementsprechend Verüflichtungs- und
Verfügungsgeschäftsehr genau trennen. LG
as.mzkw
21.11.2024, 00:56:34
@[david1234](229145) § 123 BGB ist meines Wissens nach eine typische Fallgruppe, wenn nicht sogar der typische Anwendungsfall, bei dem idR auch die
dingliche EinigungiRd Anfechtung nach § 142 I BGB nichtig ist. So schreibt Jurafuchs bspw. in einer Falllösung: Sowohl Verpflichtungs- als auch
Verfügungsgeschäftkönnen angefochten werden, wenn sie an demselben Fehler leiden (
Fehleridentität). Der Fehler muss für beide Geschäfte separat festgestellt werden. Bei der arglistigen Täuschung (-> § 123 BGB) ist es ausreichend, dass der Erklärende durch die Täuschung zur Abgabe der WE bestimmt wurde.
jc1909
26.4.2024, 15:31:46
Die erste Frage finde ich irreführend. Der Anspruch aus § 816 I S. 2 kommt schon „in Betracht“, ist halt nur nicht erfüllt. Ich würde eher sowas schreiben wie „A hat gegen B einen Anspruch aus § 816 I S. 2“, dann ist es eindeutig falsch.
Leo Lee
28.4.2024, 09:35:27
Hallo jc1909, vielen Dank für dein Feedback! In der Tat ist „kommt in Betracht“ eher zu
822passend, da diese Norm durchgeprüft wird. Bei 816 I 2 hingegen passt es eher weniger, da diese AGL im Tatbestand abgelehnt wird, weshalb wir den Text entsprechend angepasst haben. Wir danken dir vielmals dafür, dass du uns dabei hilfst, die App zu perfektionieren und freuen uns auf weitere Feedbacks :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Lorenz
30.5.2024, 13:12:51
Stimmt das Ergebnis wirklich? Kann sich K wirklich auf
Entreicherungberufen, wenn sie um
ersparte Aufwendungenbereichert ist? Denn dann ist
822doch nicht anwendbar, oder?
Dogu
13.6.2024, 16:30:12
Ich verstehe nicht, wo du hier die ersparten Aufwendungen siehst? Es ist hier ja nichts mehr im Vermögen der Empfängerin vorhanden.
Ersparte Aufwendungensind verbrauchte Dienstleistungen (Beförderungsleistungen etc.), verspeiste Essen etc. Schenkung ist nach meinem Verständnis das Paradebeispiel für
Entreicherung, da der Gegenstand gegenleistungslos die Vermögenssphäre des Empfängers verlässt?
Dogu
13.6.2024, 16:30:42
*Eine
Lorenz
13.6.2024, 23:03:13
Ich habe gerade irgendwie einen Knoten im Kopf. Die Beispiele von dir hätte ich jetzt eher als klassische Entreixherung bezeichnet.
Ersparte Aufwendungenstellen ja eine Art Rückausnahme dar. Bei einer geplanten Aufwendung (Weihnachtsgeschenk) liegt ja gerade kein „Luxusgeschenk“ vor, weil K auf jeden Fall eine Tasse als Geschenk besorgt hätte 🤔
Mephisto
12.10.2024, 20:49:54
Ich denke nicht, dass die Mutter sich auf
Entreicherungberufen kann, da sie durch das Geschenk insoweit eigene Aufwendungen erspart hat. Bitte gestaltet den Fall mit einer
Luxusaufwendungeindeutiger.