Fall: Versteckte/Indirekte Diskriminierung

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Spanier F mit Wohnsitz in Sevilla bewirbt sich beim Bundesministerium für Umwelt um eine ausgeschriebene Stelle als Sekretär. Seine Bewerbung wird abgelehnt, da nur Bewerber berücksichtigt werden, die ihren gewöhnlichen Wohnsitz in Deutschland haben.

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Einordnung des Falls

Fall: Versteckte/Indirekte Diskriminierung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der sachliche, persönliche und gegenständliche Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit sind vorliegend eröffnet.

Ja!

Arbeitnehmer i.S.d. Art. 45 AEUV ist jeder Unionsbürger, der während einer bestimmten Zeit weisungsgebunden Leistungen von einem wirtschaftlichen Wert für einen anderen erbringt und dafür als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Der Anwendungsbereich des Art. 45 AEUV setzt zudem die Unionsbürgerschaft und einen grenzüberschreitenden Bezug voraus. Der Beruf des Sekretärs ist weisungsgebunden und und wird vergütet. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit garantiert insbesondere das Recht, sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben und sich zu diesem Zweck im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufzuhalten (Art. 45 Abs. 3 AEUV). F ist Unionsbürger, sodass auch der persönliche Anwendungsbereich eröffnet ist. Auch der grenzüberschreitende Bezug ist gegeben.
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2. Die Ablehnung der Bewerbung des F stellt eine offen diskriminierende Maßnahme dar.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Ungleichbehandlung liegt vor, rechtlich gleiche Sachverhalte unterschiedlich bzw. rechtlich unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden. Eine offene Diskriminierung ist dann gegeben, wenn die Ungleichbehandlung auf dem Differenzierungskriterium der Staatsangehörigkeit beruht. Offene Diskriminierungen führen zu einer Ungleichbehandlung von Inländern und Ausländern, indem sie Personen aufgrund der Staatsangehörigkeit an dem Zugang zum Markt hindern. Vorliegend lehnt der Bund die Bewerbung des F nicht aufgrund seiner Staatsangehörigkeit, sondern aufgrund seines gewöhnlichen Wohnsitzes in Spanien ab. Es liegt damit keine offene Diskriminierung vor.

3. Die Ablehnung der Bewerbung des F aufgrund seines gewöhnlichen Wohnsitzes stellt eine versteckt diskriminierende Maßnahme dar.

Ja, in der Tat!

Bei der versteckten Diskriminierung wird die Ungleichbehandlung an einen anderen Tatbestand als die Staatsangehörigkeit angeknüpft. Formal liegt bei der versteckten Diskriminierung eine gleiche (unterschiedslose) Behandlung von Inländern und Ausländern vor. Durch die versteckt diskriminierende Maßnahme werde ausländische Arbeitnehmer jedoch typischerweise stärker und häufiger betroffen als inländische Arbeitnehmer. Die unterschiedliche Behandlung knüpft vorliegend nicht an die Staatsangehörigkeit, sondern an den gewöhnlichen Wohnsitz an. Deutsche Staatsangehörige haben ihren Wohnsitz jedoch eher in Deutschland als ausländische Staatsangehörige. Die Ablehnung der Bewerbung mit der Begründung des falschen Wohnsitzes stellt daher eine versteckte Diskriminierung dar. Versteckte Diskriminierungen werden teilweise auch als indirekte Diskriminierungen bezeichnet.

4. Das Diskriminierungsverbot in Art. 45 Abs. 2 AEUV verbietet nur offene Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit. Die Maßnahme des Bundes greift daher nicht in die Arbeitnehmerfreizügigkeit ein.

Nein!

Das Diskriminierungsverbot des Art. 45 Abs. 2 AEUV erfasst sowohl offene Diskriminierungen, denen ausdrücklich das Kriterium der Staatsangehörigkeit zugrunde liegt, als auch versteckte Diskriminierungen, die zwar an andere Unterscheidungskriterien anknüpfen, aber dennoch zu dem gleichen Ergebnis führen, da die Anwendung dieser Kriterien typischerweise Ausländer besonders betrifft. Die Ablehnung der Bewerbung des F stellt eine versteckte Diskriminierung dar, die gemäß Art. 45 Abs. 2 AEUV untersagt ist.
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