Unterschiedslose Beschränkung: Bosman

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der belgische Fußballer B möchte nach Vertragsablauf zum französischen Verein L wechseln. Eine Regelung sieht vor, dass der neue Verein eine Ablösesumme an den alten Verein zahlen muss. Der belgische Verein zweifelt an der Zahlungsfähigkeit des L und gibt den B daher nicht frei.

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Einordnung des Falls

Unterschiedslose Beschränkung: Bosman

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B ist Arbeitnehmer i.S.d. Art. 45 AEUV. Der sachliche Anwendungsbereich ist damit eröffnet.

Ja!

Arbeitnehmer i.S.d. Art. 45 AEUV ist jeder Unionsbürger, der während einer bestimmten Zeit weisungsgebunden Leistungen von einem wirtschaftlichen Wert für einen anderen erbringt und dafür als Gegenleistung eine Vergütung erhält. B verpflichtet sich gegenüber dem Verein für einen im Vertrag festgelegten Zeitraum und erhält für seine Tätigkeit eine Vergütung. In Abgrenzung zur Dienstleistungsfreiheit, ist B weisungsgebunden und unterliegt Weisungen in Bezug auf Trainingszeiten und Spieleraufstellung. Auch hat seine Tätigkeit im Profisport wirtschaftlichen Wert. B ist damit Arbeitnehmer. Der sachliche Anwendungsbereich ist eröffnet.
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2. Auch der persönliche und gegenständliche Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit sind eröffnet.

Genau, so ist das!

Der Anwendungsbereich des Art. 45 AEUV setzt zusätzlich zur Arbeitnehmereigenschaft zudem die Unionsbürgerschaft und einen grenzüberschreitenden Bezug voraus. B ist Belgier und damit Unionsbürger, sodass der persönliche Anwendungsbereich eröffnet ist. Da B von einem belgischen zu einem französischen Verein wechseln möchte, ist auch der grenzüberschreitende Bezug ist gegeben.

3. Die Pflicht zur Zahlung einer Ablösesumme stellt eine offene Diskriminierung dar.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Diskriminierung liegt vor, wenn rechtlich gleiche Sachverhalte unterschiedlich bzw. rechtlich unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden. Eine offene Diskriminierung ist dann gegeben, wenn die Ungleichbehandlung auf dem Differenzierungskriterium der Staatsangehörigkeit beruht. Die Pflicht zur Zahlung einer Ablösesumme besteht nicht nur, wenn Spieler zu ausländischen Vereinen wechseln, sondern auch bei Vereinswechseln im Inland. Eine offene Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit ist daher in der Ablösepflicht nicht zu sehen.

4. Die Pflicht zur Zahlung einer Ablösesumme stellt eine versteckte Diskriminierung dar.

Nein!

Eine versteckte Diskriminierung liegt vor, wenn die Ungleichbehandlung an ein anderes Differenzierungskriterium als die Staatsangehörigkeit geknüpft wird. Formal liegt bei der versteckten Diskriminierung eine gleiche (unterschiedslose) Behandlung von Inländern und Ausländern vor. Durch die versteckt diskriminierende Maßnahme werde ausländische Arbeitnehmer jedoch typischerweise stärker und häufiger betroffen als inländische Arbeitnehmer. Ausländische Spieler wechseln nicht häufiger die Vereine als inländische Spieler. Durch die Pflicht zur Zahlung einer Ablösesumme werden daher ausländische Fußballspieler nicht typischerweise häufiger betroffen als inländische Fußballspieler. Eine versteckte Diskriminierung liegt daher nicht vor.

5. Es handelt sich vorliegend um eine unterschiedslose Beeinträchtigungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Unterschiedslose Beeinträchtigungen werden nicht von der Arbeitnehmerfreizügigkeit verboten und sind daher zulässig.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der EuGH hat die Freizügigkeit der Arbeitnehmer von dem ausdrücklich in Art. 45 Abs. 2 AEUV normierten Diskriminierungsverbot zu einem Beschränkungsverbot weiterentwickelt. Nach der sog. Bosman-Formel stellen alle Maßnahmen, die den Arbeitnehmer daran hindern, ihn davon abhalten oder es für ihn weniger attraktiv machen, sein Herkunftsland zu verlassen (und damit Freizügigkeitsrecht wahrzunehmen) Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit dar. Dies gilt also auch dann, wenn die Maßnahme unabhängig von der Staatsangehörigkeiten der betroffenen Arbeitnehmer Anwendung findet (sog. unterschiedslose Beschränkungen). Die Verweigerung der Freigabe von B durch den belgischen Verein hindert den B daran, zum neuen Verein L zu wechseln und damit daran, von seinen Freizügigkeitsrechten Gebrauch zu machen. Die Maßnahme knüpft aber weder offen noch versteckt an die Staatsangehörigkeit des B an, sodass es sich vorliegend nicht um eine Diskriminierung, sondern um eine unterschiedslose Beschränkung handelt.
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