Öffentliches Recht

Europarecht

Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV

Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV: Notare (Kommission ./. Deutschland)

Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV: Notare (Kommission ./. Deutschland)

23. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Nach der BNotO darf nur ein deutscher Staatsangehöriger zum Notar bestellt werden. Der Notar wird als Träger eines öffentlichen Amts bestellt und ist hauptsächlich mit der Beurkundung von Rechtsvorgängen betraut. Französische Juristin J geht dagegen vor.

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Einordnung des Falls

Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV: Notare (Kommission ./. Deutschland)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit ist in sachlicher und persönlicher Hinsicht eröffnet.

Genau, so ist das!

Der sachliche Anwendungsbereich setzt nach ständiger Rechtsprechung eine Niederlassung voraus, also eine feste Einrichtung oder Infrastruktur, die der tatsächlichen Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit auf unbestimmte Zeit dient oder zu dienen bestimmt ist. Persönliche Begünstigte der Niederlassungsfreiheit sind alle Unionsbürger. Die Tätigkeit eines Notars setzt u.a. das Anmieten von Räumlichkeiten und das Anstellen von Personal voraus und ist eine selbstständige Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert. Eine Niederlassung ist damit gegeben. Als Französin ist J auch Unionsbürgerin, sodass auch der persönliche Anwendungsbereich eröffnet ist.
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2. Der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit setzt weiterhin voraus, dass keine Bereichsausnahme vorliegt.

Ja, in der Tat!

Art. 51 Abs. 1 AEUV regelt, dass die Niederlassungsfreiheit nicht auf Tätigkeiten anwendbar ist, die dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind. Damit ist eine Bereichsausnahme für den Bereich der öffentlichen Gewalt vorgesehen. Hintergrund dieser Regelung ist, dass sich die Mitgliedstaaten für bestimmte Tätigkeiten, die in engem Zusammenhang mit der Ausübung von Hoheitsgewalt stehen, durch die Beschäftigung eigener Staatsbürger eine größere Loyalität erhoffen.

3. Die Bereichsausnahme des Art. 51 Abs. 1 AEUV ist weit auszulegen.

Nein!

Als Ausnahme von einer der konstitutiven binnenmarktlichen Grundfreiheiten ist Art. 51 Abs. 1 AEUV so auszulegen, dass die Freiheitsgarantie nur insoweit eingeschränkt wird, als es zur Wahrnehmung der Interessen, die Art. 51 AEUV den Mitgliedstaaten zu schützen erlaubt, unbedingt erforderlich ist. Die Bereichsausnahme ist daher stets eng auszulegen. Diese enge Auslegung führt zu einer sehr restriktiven Rechtsprechung des EuGH in Bezug auf die Annahme einer Bereichsausnahme.

4. Eine Tätigkeit ist immer dann mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden, wenn hoheitliches Handeln vorliegt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine allgemeine Definition des Begriffs der öffentlichen Gewalt i.S.d. Art. 51 Abs. 1 AEUV durch den EuGH fehlt. Die Ausübung öffentlicher Gewalt ist nur für diejenigen Tätigkeiten gegeben, in denen sich der spezifische Gegenstand staatlicher Hoheitsgewalt ausdrückt. Ein Indiz für öffentliche Gewalt im Sinne des Art. 51 Abs. 1 AEUV ist es daher, wenn ein Mitgliedstaat bei der betreffenden Tätigkeit „dem Bürger gegenüber von Sonderrechten, Hoheitsprivilegien und Zwangsbefugnissen“ Gebrauch macht. Schlicht hoheitliches Handeln unterfällt nicht Art. 51 Abs. 1 AEUV. Art. 51 AEUV zielt nicht auf Staatsbedienstete, sondern auf Privatpersonen ab, denen als beliehene Unternehmer bestimmte hoheitliche Privilegien oder Zwangsbefugnisse übertragen werden.

5. Art. 51 Abs.1 AEUV greift ferner nur, wenn die öffentliche Interessenwahrung nicht ebenso wirksam durch eine Kontrolle des Staates erfolgen könnte.

Ja, in der Tat!

Die Bereichsausnahme ist nur einschlägig, wenn es keine milderen, gleich geeigneten Mittel als die Ausübung öffentlicher Gewalt gibt, um die verfolgten öffentlichen Interesse zu erreichen. Verfügen die Mitgliedstaaten mit der Ausübung von Überwachungsbefugnissen über geeignete Mittel, um ihre öffentlichen Interessen selbst wahrzunehmen, ist daher keine Ausübung öffentlicher Gewalt gegeben. Dies wird teilweise als Ausdruck der engen Auslegung des Art. 51 Abs. 1 AEUV verstanden, teilweise aber auch als Folge des Verhältnismäßgkeitsgrundsatzes eingeordnet.

6. Die notarielle Tätigkeit ist mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden und fällt daher unter die Ausnahmeregelung des Art. 51 Abs. 1 AEUV.

Nein!

Der EuGH entschied, dass die notarielle Tätigkeit nicht der Ausübung öffentlicher Gewalt nach Art. 51 Abs. 1 AEUV entspricht. Die Beurkundungstätigkeit ist nicht unmittelbar mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden, weil das Tätigwerden des Notars sowie der Inhalt der Urkunden dem Willen der Parteien unterliegt. Zwar verfolgt der Notar das Ziel der Rechtssicherheit. Dies reicht aber nicht aus, da dies auf viele Berufe zutrifft. Auch die Beweiskraft einer Urkunde führt nicht bereits zu der Annahme, dass ihre Errichtung mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden ist. Denn notarielle Urkunden sind nur dann vollstreckbar, wenn die Parteien dies vereinbart haben. Außerdem stehen die Notare unter Wettbewerbsdruck, da jede Partei den Notar frei wählen kann, was auch gegen die Ausübung öffentlicher Gewalt spricht.
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