+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Cannabishandel wurde in Deutschland legalisiert. Die niederländische Kifferin K möchte die Chance ergreifen und in Deutschland einen Coffeeshop eröffnen. Deutsche Landespolizistin P, an der die neusten Entwicklungen vorbeigegangen, stellt das Cannabis der K bei einer Kontrolle sicher.
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Einordnung des Falls
Grundfall: Mitgliedstaaten
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit ist vorliegend eröffnet.
Ja!
Der sachliche Anwendungsbereich setzt nach ständiger Rechtsprechung eine Niederlassung voraus, also eine feste Einrichtung oder Infrastruktur, die der tatsächlichen Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit auf unbestimmte Zeit dient oder zu dienen bestimmt ist. Persönliche Begünstigte der Niederlassungsfreiheit sind alle Unionsbürger. Die Eröffnung eines Coffeeshops setzt u.a. das Anmieten von Räumlichkeiten und das Anstellen von Personal voraus und ist eine selbstständige Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert. Eine Niederlassung ist damit gegeben. Als Niederländerin ist K auch Unionsbürgerin, sodass auch der persönliche Anwendungsbereich eröffnet ist. Ferner ist ein grenzüberschreitender Bezug gegeben und es liegt keine Bereichsausnahme vor.
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2. Die Niederlassungsfreiheit verpflichtet in erster Linie die Mitgliedstaaten.
Genau, so ist das!
Die Grundfreiheiten als transnationale Integrationsnormen verpflichten in erster Linie die Mitgliedstaaten gemäß Art. 52 EUV und ihre Institutionen und Körperschaften. Die Bindung jedes Mitgliedstaats (sowohl des Aufnahmestaats als auch des Herkunftsstaats) ergibt sich auch aus der Formulierung des Art. 49 Abs. 2 AEUV.Bei den Grundfreiheiten handelt es sich um unmittelbar anwendbares Primärrecht, sodass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Grundfreiheiten zu gewährleisten.
3. Die Anordnung der Sicherstellung durch P stellt keine Maßnahme eines Mitgliedstaates dar, da P als Landespolizistin nur dem Land unterstellt ist.
Nein, das trifft nicht zu!
Die Grundfreiheiten verpflichten alle Gliederungsebenen der Mitgliedstaaten. Verpflichtete sind daher nicht nur alle Staatsgewalten auf Bundesebene, sondern auch Maßnahmen des Landes oder der Gemeinden. Die Maßnahme der Sicherstellung durch P ist dem jeweiligen Land als Rechtsträger zuzurechnen. Es handelt sich damit um die Maßnahme eines Mitgliedstaates.
4. An die Qualität der Maßnahme werden hohe Anforderungen gestellt. Die Sicherstellung ist daher keine Maßnahme eines Verpflichteten.
Nein!
Als Maßnahme eines Mitgliedstaates im Sinne des Art. 49 AEUV ist jede Ausdrucksform der mitgliedstaatlichen öffentlichen Hand anzusehen. Art. 49 AEUV gilt für alle Maßnahmearten der Mitgliedstaaten, die die grenzüberschreitende Niederlassung zu behindern geeignet sind. Darunter fallen Gesetze, untergesetzliche Normgebung, Verwaltungsvorschriften, Verwaltungspraxis, Gerichtsurteile und Einzelakte sowie auch faktische Maßnahmen. Die Anordnung der Sicherstellung des Cannabis durch Landespolizistin P stellt einen Verwaltungsakt dar und damit ein Handeln der öffentlichen Hand. Es handelt sich um eine Maßnahme des Mitgliedstaates Deutschland als Verpflichteter.