Zivilrecht

Sachenrecht

Vindikation & Eigentümer-Besitzer-Verhältnis

Nutzungsersatz bei unentgeltlichem Besitz, § 988 BGB

Nutzungsersatz bei unentgeltlichem Besitz, § 988 BGB

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

D stiehlt Es Basilikum-Pflanze aus der Küche. Anschließend schenkt D die Pflanze ihrem gutgläubigen Bruder B. B verwendet das Basilikum mehrfach beim Kochen.

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Einordnung des Falls

Nutzungsersatz bei unentgeltlichem Besitz, § 988 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Als B den Basilikum verwendete, bestand eine Vindikationslage zwischen E und B.

Ja!

Eine Vindikationslage liegt vor, wenn ein Vindikationsanspruch besteht. Dieser setzt voraus, dass (1) der Anspruchsteller Eigentümer und (2) der Anspruchsgegner Besitzer (3) ohne Recht zum Besitz (§ 986 BGB) ist. E war Eigentümerin des Basilikums und hat diesen nicht an B veräußert (§ 929 S. 1 BGB). Ein gutgläubiger Erwerb (§§ 929 S. 1, 932 BGB) durch Erwerb von D scheidet wegen § 935 Abs. 1 BGB aus. B war Besitzer. Ein Besitzrecht des B ist nicht ersichtlich.
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2. E hat gegen B einen Anspruch auf Nutzungsersatz aus §§ 987 Abs. 1, 990 Abs. 1 BGB.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Anspruch aus §§ 987 Abs. 1, 990 Abs. 1 BGB setzt (1) eine Vindikationslage, (2) Ziehung von Nutzungen durch den Besitzer und (3) Bösgläubigkeit des Besitzers voraus. Die Vindikationslage bestand. Durch die Verwendung des Basilikums zum Kochen hat B auch die Nutzungen (§ 100 BGB) gezogen. Allerdings war B gutgläubig, weshalb ein Anspruch nach §§ 987 Abs. 1, 990 Abs. 1 BGB nicht in Betracht kommt.

3. Sofern der Besitzer gutgläubig ist, scheiden Nutzungsersatzansprüche nach dem EBV immer aus.

Nein, das trifft nicht zu!

Grundsätzlich soll der redliche und unverklagte Besitzer im EBV geschützt werden und nicht haften. Eine Ausnahme statuiert allerdings § 988 BGB. Da es sich dort um einen unentgeltlichen Besitzerwerb handelt, ist der Besitzer weniger schutzwürdig und die Privilegierung des § 993 Abs. 1 aE BGB wird durchbrochen.

4. Hat E gegen B einen Anspruch auf Nutzungsersatz aus § 988 BGB?

Ja!

Die Voraussetzungen für einen Nutzungsersatzanspruch aus § 988 BGB sind (1) eine Vindikationslage, (2) Ziehung von Nutzungen durch den Besitzer, (3) unentgeltlicher Besitzerwerb und (4) Gutgläubigkeit und Unverklagtheit des Besitzers. Die Vindikationslage bestand. Durch die Verwendung des Basilikums zum Kochen hat B auch die Nutzungen (§ 100 BGB) gezogen. B war auch gutgläubig.

5. § 988 BGB enthält eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht.

Genau, so ist das!

Durch § 988 BGB sind die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts anwendbar, mithin §§ 818 f., 822 BGB. Dementsprechend hat der Besitzer grundsätzlich die Nutzungen in Natur herauszugeben oder Wertersatz zu leisten. Vorteilhaft für den Besitzer ist hier aber die grundsätzlich mögliche Berufung auf die Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB.Achtung: Da es sich nicht um eine Rechtsgrundverweisung, sondern lediglich um eine Rechtsfolgenverweisung handelt, müssen die Anspruchsvoraussetzungen des Bereicherungsrechts (§§ 812 ff. BGB) nicht geprüft werden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BASA

Barbara Salesch

6.1.2023, 20:54:45

Ist das unstreitig eine Rechtsfolgenverweisung? Möglicherweise irre ich mich, aber ich meine, dass unser zu Mindermeinungen neigender Prof. hierin eine Rechtsgrundverweisung sieht.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

10.1.2023, 13:23:34

Hallo Barbara Salesch, es gilt - 3 Juristen 5 Meinungen, von daher überrascht es mich nicht, dass du einen Professor hast, der vertritt es handele sich um eine Rechtsgrundverweisung. In der Literatur habe ich dazu quasi nichts gefunden, es ist im Allgemeinen eine sehr herrschende Meinung, dass es sich hierbei um eine Rechtsfolgenverweisung handelt. Leider können wir - auch um das Lernen effektiv und sinnvoll für euch zu gestalten nicht jede Mindermeinung aufnehmen. Die gibt es leider zu fast jedem Prüfungspunkt. Du fährst auf jeden Fall sicher der herrschenden Meinung und damit in der Regel auch der Lösungsskizze der Prüfungsämter zu folgen, wobei mit entsprechend guten Argumenten natürlich auch anderes vertretbar ist. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Amelie

Amelie

13.5.2023, 18:35:26

Könnte sich der Bruder denn hier auf §

818 III

berufen? Ich verstehe noch nicht wann die Bereicherung aufhört… Wenn es hier auf die Nutzungen ankommt (also die Blätter) liegt ein Ende der Bereicherung schon vor, wenn diese gegessen werden? Das fühlt sich nicht richtig an…

Carl Wagner

Carl Wagner

14.5.2023, 09:56:19

Vielen Dank für deine Frage Amelie! Grundsätzlich kann man über

§ 818 III BGB

hier nachdenken, weil das Basilikum nicht mehr da ist. Entscheidend ist in solchen Fällen zu fragen, ob Aufwendungen erspart wurden. Hier hat B Aufwendungen erspart, selber Basilikum zu kaufen. Da es sich auch nicht um

Luxusaufwendungen

handelt, kann sich B nicht auf

Entreicherung

berufen. Die Falllösung spricht den Gedanken nur allgemein/grundsätzlich an, so dass man das bei anderen Fällen auf dem Schirm hat. Siehe zu ersparten Aufwendungen bei

§ 818 III BGB

in MüKoBGB/Schwab, 8. Aufl. 2020, BGB § 818 Rn. 190. Viele Grüße - Carl für das Jurafuchs-Team

AS

as.mzkw

6.11.2024, 14:09:58

Naja, ich persönlich kaufe mir nie Basilikum selbst, da er mir zu teuer ist. Wenn ich nun welchen geschenkt bekomme, ich damit koche, ihn also verbrauche, bin ich doch sehr wohl

entreichert

, da es sich bezogen auf mich um eine

Luxusaufwendung

handeln würde?

MER

Merida

6.7.2023, 08:52:45

Ich SV steht dass B gutgläubig war. In der Lösung ist er plötzlich einseitig bösgläubig. Habe ich etwas übersehen oder ist das ein Fehler?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

7.7.2023, 10:35:40

Hallo Merida, auch nach der Lösung ist er gutgläubig. Wenn du den Verweis des § 935 BGB meinst, dann bezieht er sich auf das

Abhandenkommen

. Daher scheidet ein gutgläubiger Erwerb aus. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

LO

Lorenz

2.9.2023, 11:05:01

Vielleicht könnte der SV deutlich machen, dass B nicht

entreichert

ist, bzw. das Basilikum kein „Luxusgewürz“ war. Ich zumindest lege Basilikum auf Nudeln, wenn es da ist. Und wenn nicht, dann eben nicht…

DIAA

Diaa

8.10.2023, 18:41:59

Jetzt mal doofe Frage, aber wieso prüfen wir § 987 trotz Nichteintritt der

Rechtshängigkeit

?

Paulah

Paulah

8.10.2023, 22:39:10

Es wird nicht § 987 (Nutzungen des verklagten Besitzers) geprüft, sondern §§ 987, 990 (Nutzungen des bösgläubigen Besitzers)


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