Zivilrecht

Sachenrecht

Vindikation & Eigentümer-Besitzer-Verhältnis

(P) Nutzungsersatz bei unentgeltlichem Besitz, § 988 BGB - rechtsgrundloser Erwerb - Dreipersonenverhältnis

(P) Nutzungsersatz bei unentgeltlichem Besitz, § 988 BGB - rechtsgrundloser Erwerb - Dreipersonenverhältnis

4. Juli 2025

39 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Der psychisch erkrankte G verkauft sein Lastenrad an V, der von der Krankheit nichts weiß. V verkauft das Lastenrad anschließend an den gutgläubigen K, wobei der Kaufvertrag nichtig ist. K vermietet das Fahrrad für einige Tage an M. G verlangt von K Herausgabe und Nutzungsersatz.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

(P) Nutzungsersatz bei unentgeltlichem Besitz, § 988 BGB - rechtsgrundloser Erwerb - Dreipersonenverhältnis

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. G hat gegen K einen Anspruch auf Nutzungsersatz, wenn die Voraussetzungen des § 988 BGB vorliegen.

Ja!

Die Voraussetzungen für einen Nutzungsersatzanspruch aus § 988 BGB sind (1) eine Vindikationslage, (2) Ziehung von Nutzungen durch den Besitzer, (3) unentgeltlicher Besitzerwerb und (4) Gutgläubigkeit und Unverklagtheit des Besitzers.
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2. Es bestand eine Vindikationslage zwischen G und K.

Genau, so ist das!

Dazu musste ein Vindikationsanspruch vorliegen. Dieser setzt voraus, dass (1) der Anspruchsteller Eigentümer und (2) der Anspruchsgegner Besitzer (3) ohne Recht zum Besitz (§ 986 BGB) ist. G war Eigentümer des Lastenrades. Da er aufgrund seiner psychischen Erkrankung geschäftsunfähig war (§ 104 Nr. 2 BGB), konnte er das Eigentum nicht wirksam übertragen. Auch ein gutgläubiger Erwerb scheidet aus, da bei Besitzaufgabe durch Geschäftsunfähige ein Abhandenkommen vorliegt. K war Besitzer. Mangels wirksamen Vertragsverhältnisses besteht auch kein Besitzrecht zugunsten des K. Die Vindikationslage bestand. Oft wirst Du in Fällen die Formulierung "unerkannt geisteskrank" finden. Diese Bezeichnung ist aber unpräzise. Es kommt vielmehr darauf an, dass die Krankheit die Freiheit der Willensentschließung einschließlich der Fähigkeit zur Einsicht beeinträchtigt.

3. Hat K Nutzungen gezogen?

Ja, in der Tat!

Nutzungen sind nach § 100 BGB Früchte iSd § 99 BGB sowie Gebrauchsvorteile. Früchte wiederum sind die Erzeugnisse einer Sache. Die von M gezahlte Miete ist als Rechtsfrucht eine Nutzung nach §§ 99 Abs. 3, 100 BGB.

4. Es ist umstritten, nach welchen Vorschriften sich ein Nutzungsersatzanspruch des Eigentümers bei rechtsgrundlosem Besitzerwerb richtet.

Ja!

Nach dem Wortlaut des § 993 Abs. 1 BGB a.E. hätte der Eigentümer keinen Anspruch auf Nutzungsersatz, wenn - wie hier - nicht nur das Verfügungssgeschäft, sondern auch das Verpflichtungsgeschäft unwirksam ist. Wäre dagegen lediglich das Verpflichtungsgeschäft unwirksam, läge kein EBV vor und der Eigentümer könnte Nutzungsersatzansprüche nach §§ 812ff. BGB geltend machen. Dies wird als unbillig und widersprüchlich erachtet. Die Rspr. wendet daher beim rechtsgrundlosen Besitzerwerb § 988 BGB analog an, wodurch §§ 818ff. BGB über die Verweisung anwendbar sind. Die h.L. hingegen nimmt eine teleologische Reduktion des § 993 Abs. 1 BGB a.E. vor. Lediglich die Eingriffskondiktion soll gesperrt sein, nicht dagegen die Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

5. Nach der Rspr. kann G von K Nutzungsersatz verlangen.

Genau, so ist das!

Wendet man mit der Rspr. § 988 BGB analog und durch die Verweisung die §§ 818ff. BGB an, hat G grundsätzlich einen Anspruch auf Nutzungsersatz gegen K. Zwar ist K in Höhe des gezahlten Kaufpreises entreichert, diese Entreicherung ist allerdings bei § 818 Abs. 3 BGB nicht zu berücksichtigen.

6. Nach der h.L. kann G von K Nutzungsersatz verlangen.

Nein, das trifft nicht zu!

Nimmt man mit der Literatur eine teleologische Reduktion des § 993 Abs. 1 BGB a.E. vor und wendet die Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) direkt an, so scheidet ein Anspruch aus. Denn den Besitz an dem Fahrrad erhielt K durch Leistung des V, nicht durch G. Aufgrund des Vorrangs der Leistungskondiktion kann G sich nur an V halten und V wiederum an K. Der gutgläubige Besitzer wäre damit vor einem direkten Durchgriff geschützt.

7. Hat K das Lastenfahrrad unentgeltlich erworben?

Nein!

Ein unentgeltlicher Erwerb liegt vor, wenn der Besitzer eine Gegenleistung für den Erwerb weder versprochen noch erbracht hat.K hat für das Fahrrad an V den Kaufpreis entrichtet und den Besitz am Fahrrad somit nicht unentgeltlich erworben. Da der zugrundeliegende Kaufvertrag nichtig war, handelt es sich dabei vielmehr um einen rechtsgrundlosen Besitzerwerb.
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