Klassischer Eingriff: Judikative

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Das Amtsgericht (AG) Augsburg verurteilt Jurastudentin J wegen einer reißerischen Äußerung über Politiker P zu einer Geldstrafe. Im Rahmen der Entscheidungsfindung berücksichtigt das AG die Meinungsfreiheit der J nicht.

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Einordnung des Falls

Klassischer Eingriff: Judikative

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Grundrechtseingriffe der rechtssprechenden Gewalt erfolgen durch Urteil oder Beschluss. Dabei kann das Gericht auch die Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts verkennen.

Ja!

Nach Art. 1 Abs. 3 GG ist die Judikative an die Grundrechte gebunden. Deshalb müssen Gerichte bei der Entscheidungsfindung sowie bei der Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts die Grundrechte berücksichtigen. Auch ein rechtlich richtiges Urteil stellt einen Eingriff dar, der aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Ein Eingriff liegt offenkundig auch dann vor, wenn die gerichtliche Entscheidung fehlerhaft war. Eingriffe seitens der Judikative sind mit Rechtsmitteln (Berufung, Revision, Beschwerde) überprüfbar. Wird ein Urteil mit der Verfassungsbeschwerde (Urteilsverfassungsbeschwerde) vor dem BVerfG angegriffen, erfolgt indes nur eine inhaltlich beschränkte Überprüfung des Urteils: Das BVerfG prüft nur noch, ob das Gericht das einschlägige Grundrecht überhaupt nicht geprüft hat oder wenn das Grundrecht zwar Berücksichtigung findet, jedoch dessen Bedeutung und Tragweite vom Gericht verkannt wurde. Das BVerfG ist keine Superrevisionsinstanz.
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2. Vorliegend stellt das Urteil des AG Augsburg einen klassischen Eingriff in die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) der J dar.

Genau, so ist das!

Unter dem klassischen Eingriffsbegriff versteht man jede Beeinträchtigung, die final und unmittelbar durch einen staatlichen Rechtsakt mit Befehl und Zwang zu einer Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten führt. Die strafrechtliche Verurteilung bedarf keines weiteren Umsetzungsaktes, sondern wirkt direkt gegen J. Auch stellt das Urteil einen Rechtsakt dar, der die Ausübung der Meinungsfreiheit seitens J erheblich beeinträchtigt. Würde vorliegend Verfassungsbeschwerde erhoben, müsste der Rechtsweg ausgeschöpft werden und das letztinstanzliche Urteil angegriffen werden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

KO

Kolja

13.6.2022, 09:11:45

Unter „Final“ versteht man ja einen zielgerichteten Eingriff. Ist das vorliegend der Fall? Das Urteil ist ja nicht darauf zielgerichtet, die Pressefreiheit zu beschränken sondern soll eigentlich „nur“ eine Geldstrafe verhängen🤔

Nora Mommsen

Nora Mommsen

13.6.2022, 14:49:09

Hallo Kolja, die Finalität bezieht sich auf das Handeln. Das heißt ein klassischer Eingriff liegt vor, wenn das Handeln zielgerichtet ist und die Auswirkung nicht nur eine unbeabsichtigte Nebenfolge darstellt. Der Eingriff in die Rechte der J durch das Urteil war vom Gericht beabsichtigt, auch wenn sie nicht wissentlich die Meinungsfreiheit verletzt haben. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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