Öffentliches Recht
Grundrechte
Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG)
Auflösung einer Versammlung wegen Störung durch Dritte
Auflösung einer Versammlung wegen Störung durch Dritte
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Bei einer Demo der rechten Partei R tauchen plötzlich linke Gegendemonstranten auf. Es bestehen konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für gegen R gerichtete Angriffe. Verstärkung kann nicht mehr gerufen werden, sodass die zuständige Behörde die Versammlung der R auflöst. R hält die Auflösung für rechtswidrig.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Auflösung einer Versammlung wegen Störung durch Dritte
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ermächtigungsgrundlage für die Versammlungsauflösung ist § 15 Abs. 3 VersG.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Tatbestand (§ 15 Abs. 3 i.V.m. § 15 Abs. 1 VersG) ist erfüllt, wenn der Verdacht besteht, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet wird.
Nein!
3. Da mit Angriffen linksgerichteter Gruppen konkret zu rechnen war, liegt eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit vor (§ 15 Abs. 3 i.V.m. § 15 Abs. 1 VersG).
Genau, so ist das!
4. Die zuständige Behörde darf eine Versammlung zudem nur dann verbieten bzw. auflösen, wenn Gefahren für elementare Rechtsgüter bestehen.
Ja, in der Tat!
5. Die Rechtmäßigkeit einer versammlungsrechtlichen Verfügung setzt – wie im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht – eine richtige Störerauswahl voraus.
Ja!
6. Wird die öffentliche Sicherheit nicht durch die Versammlung, sondern durch Gegendemonstranten oder Dritte unmittelbar gefährdet, müssen sich behördliche Maßnahmen primär gegen die Störer richten.
Genau, so ist das!
7. R kann vorliegend als Zweckveranlasser und damit als Verhaltensstörer (§ 4 PolG NRW) in Anspruch genommen werden.
Nein, das trifft nicht zu!
8. Die Behörde durfte die Verfügung an R als Nichtstörerin richten, da die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands (§ 6 PolG NRW) vorlagen.
Ja!
9. Die Versammlungsauflösung war rechtmäßig.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
ri
17.7.2021, 19:32:43
Auflösung Versammlung: RGL VersG/ VersFG TB: unmitt. Gefahr öff. Sicherheit —> KV 223 ff StGB: Individual
rechtsgüter—> Gefahr = Wahrscheinlichkeitsurteil Nicht ausreichend: Verdacht, Vermutung Ausreichen: tatsächliche, konkrete Anhaltspunkte P! Störerauswahl Rückgriff ASOG, da nicht im VersR geregelt R = Nichtstörer (keine Hinweise auf Zweckveranlasser = eigentl Zweck Provokation von Gewalt) —> pol. Notstand nötig —> nicht anders abwendbar, Personal nicht ausreichend
phiob
31.7.2021, 11:02:15
Tut mir leid, aber wo geht aus dem Sachverhalt bitte der polizeiliche Notstand hervor?
Lukas_Mengestu
3.12.2021, 15:53:57
Vielen Dank für die Anmerkung, phiob. Bei Jurafuchs bilden die Zeichnung und der geschriebene Sachverhalt eine Einheit, sind also bei der Subsumtion beide zu berücksichtigen. Aus dem Bild wird deutlich, dass der Angriff der Gegendemonstranten bereits kurz bevorsteht. Andere Möglichkeiten, zB das Rufen von weiteren Einsatzkräften, wären insoweit zu spät gekommen. So war es auch im Originalfall, wo nicht ausreichend Polizeikräfte zur Verfügung standen und mildere Mittel wie Auflagen (zügige Durchführung der Versammlung) nicht gleich geeignet gewesen wären. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Vojtech
12.5.2022, 20:12:57
Hi Lukas M., leider kann ich persönlich das von dir Gesagte dem Bild nicht in der nötigen Eindeutigkeit entnehmen. Zudem glaube ich, dass ich nicht der einzige bin, der bei einer zügigen Wiederholung ohne einen entsprechenden Hinweis die bildliche Darstellung des Sachverhaltes nicht beachtet. Deshalb würde ich im Sachverhalt zumindest auf den Polizeikräftemangel und am Anfang auf das Bild hinweisen. Vielen Dank für eure Arbeit 🙏🏼
APhM
20.1.2023, 16:02:47
Liebes Jurafuchs-Team, mir geht es genauso... Und es ist nicht das erste Mal das unzureichende SV-Anhaben mit der Zeichnung erklärt werden, die dies für mich so nicht hergibt. Es wäre super, könnten für die Lösung relevante SV-Angaben auch in diesem erscheinen. Gerade im vorliegenden Fall liese sich dies auch mit einem simplen Halbsatzeinschub problemlos bewerkstelligen... Ihr gebt euch doch sonst bei allem echt sehr viel Mühe : )
Lukas_Mengestu
20.1.2023, 16:15:10
Danke für eure Hinweise! Wir haben nun noch einen klarstellenden Einschub ergänzt :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
ahimes
8.3.2024, 18:27:29
Hallo liebe Jurafuchs- Moderatoren! Gibt es in Niedersachsen auch eine vergleichbare Vorschrift wie des § 6 PolG NRW oder auf welcher Grundlage würde man da den letzten Fall auflösen? Schon mal vorab: besten Dank!
Kathi
16.7.2024, 15:19:10
@ahimes: ja, der § 8 NPOG, hatte mich nämlich auch gerade interessiert.
Schwanzanwaltschaft
13.3.2024, 13:40:37
Wie verhält es sich mit dem Zitiergebot, wenn auf das jeweilige SOG im Rahmen einer Versammlung zurückgeriffen wird und dieses wie bspw. in Hessen die Versammlungsfreiheit als einschränkbares Grundrecht nicht nennt?