Vereidigung eines Eidesunmündigen
16. April 2025
14 Kommentare
4,8 ★ (4.741 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der sehr groß gewachsene T, der zudem eine sehr dunkle Stimme hat, wird als Zeuge geladen und gibt an 18 Jahre alt zu sein. Tatsächlich ist T jedoch erst 14 Jahre alt. Schließlich wird T nach seiner falschen Aussage vereidigt.
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Einordnung des Falls
Vereidigung eines Eidesunmündigen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Bei der versehentlichen Vereidigung eines Eidesunmündigen sieht die h.M. den Tatbestand des Meineids (§ 154 Abs. 1 StGB) als erfüllt an.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Folgt man der Literatur, ist T nur wegen falscher uneidlicher Aussage (§ 153 StGB) zu bestrafen.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Jana-Kristin
26.1.2021, 22:40:07
Die hM sagt doch das Gegenteil: Keine Täterqualität von Jugendlichen beim Meineid, vgl. Rengier, BT II, § 49 Rn. 20. Das macht auch Sinn, weil § 157 II StGB lediglich eine Strafmilderung für den falschen uneidlichen Aussage vorsieht.
t o m m y
26.1.2021, 23:55:55
doch, nach hM können auch eidesunmündige oder -unfähige täter sein, bgh: 157 II bekraeftige dies sogar (bghst 10, 142)

Eigentum verpflichtet 🏔️
28.1.2021, 09:02:12
Hallo ihr beiden, Wessels/Hettinger (37. A, Rn 754) sieht es auch wie Rengier. Er schreibt aber auch "die hM sehe sie als taugliche Täter an". Fischer schreibt nur lapidar, "eine besondere Eidesfähigkeit ist nicht vorausgesetzt, ausgeschlossen sind Personen, die vom Wesen des Eids keine hinreichende Vorstellung haben (vgl. § 60 Nr. 1 StPO)." (64. A, § 154, Rn 14). Diese Zitation spricht dafür, dass er Minderjährige ebenfalls als nichteidesfähig ansieht (sonst hätte er Nr. 1 Alt. 2 schreiben messen). Von daher würde ich sagen: "BGH und Teile der Lehre sehen es so, dass Eidesunmündige Täter sein können. Die " wohl hL" sieht Eidesunmündige nicht als Täter an. In der Klausur ist natürlich beides vertretbar. LG ;)
t o m m y
28.1.2021, 09:22:30
der bgh ist immer die hM :p

Eigentum verpflichtet 🏔️
28.1.2021, 09:53:04
Im 2. Examen, tommy ;)

Jana-Kristin
28.1.2021, 12:49:14
Danke euch für die Recherche :)

Orfeas
23.2.2021, 11:09:05
Mein Vorschlag wäre es anstatt hM, Rspr./BGH zu schreiben.
chuck lawris
19.10.2021, 20:46:57
Definiere hM. Hier spielen viele Umstände eine Rolle -> wieviele Autoren habe sich dazu in welchem Jahrhundert geäußert, wieviele Gerichte haben sich zu welcher Zeit geäußert (wieviel AGs, LGs, OLGs und wieviele Senate beim BGH), wieviele Autoren und Gerichte haben zu welcher Zeit Bedenken geäußert, sich nicht danach gerichtet oder dann doch trotz eigener Bedenkem danach gerichtet. Am Ende dieses Liedes gibt es nur eine "nicht selten" vertretene Ansicht 🤗

Tigerwitsch
13.2.2021, 19:09:17
Unterstellt T wäre 13 Jahre alt: Wenn man nach der hM geht, wäre ja der objektive TB erfüllt (und
Vorsatzebenso). Würde man die Straflosigkeit auf Schuldebene dann diskutieren, oder?

Vulpes
14.2.2021, 12:58:25
mE schon 👍 Einschlägig wäre dann § 19 StGB.

Eigentum verpflichtet 🏔️
15.2.2021, 01:51:30
Genau so wird es gemacht ;)
Flohm
10.11.2023, 13:58:22
wieso liegt hier überhaupt ein Fall des §154 vor? Die Aussage wird doch vor der Vereidigung getätigt…
se.si.sc
10.11.2023, 18:11:16
Weil die Vereidigung immer und zwingend erst nach der Aussage erfolgt. Zum einen haben wir den klaren Wortlaut des § 64 I StPO, der sich nur auf eine bereits getätigte Aussage beziehen kann. Zum anderen ist eine Vereidigung heutzutage sowieso die Ausnahme, ist nämlich nur durchzuführen, wenn es wegen der "ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herebeiführung einer wahren Aussage" notwendig ist (§ 59 I 1 StPO) - und um das einschätzen zu können, muss man sich ja erstmal anhören, was der Zeuge überhaupt zu sagen hat. Der Zeuge weiß all das auch vorher, auf die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage und die Möglichkeit seiner Vereidigung muss er nämlich vorab hingewiesen werden (§ 57 S 1, 2 StPO).
Leo Lee
12.11.2023, 11:26:34
Hallo Flohm, wie se.si.sc richtig anmerkt, erfolgt die Vereidigung i.d.R. nach der Aussage (sog. Nacheid), bis auf paar Ausnahme (sog.
Voreid, etwa bei Dolmetschern). Somit ist das Ziel des § 154, dass diejenigen, die eben nicht zwingend aufgrund der Bedeutung ihrer Aussage (wie eben beim Dolmetschen) schon vorab sich vereidigen lassen müssen, noch die „Chance“ haben, die Aussagen bis zur Vereidigung zu korrigieren. Zumal auch § 154 eine Qualifikation darstellt und die Strafe erhöht. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von Fischer StGB 70. Auflage, § 154 Rn. 2 ff. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo