Öffentliches Recht

VwGO

Vorläufiger Rechtsschutz (§ 123 VwGO)

Statthaftigkeit § 123 VwGO: einstweiliger Rechtsschutz gegen Schwarzbau des Nachbarn

Statthaftigkeit § 123 VwGO: einstweiliger Rechtsschutz gegen Schwarzbau des Nachbarn

16. Juni 2023

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs-Illustration zum Fall zur Statthaftigkeit § 123 VwGO: einstweiliger Rechtsschutz gegen Schwarzbau des Nachbarn:
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Klassisches Klausurproblem

Miesepeter P findet heraus, dass Nachbarin N auf dem Nachbargrundstück ohne Baugenehmigung den Bau eines Hauses angefangen hat. Er ist der Meinung, N würde die Grenzabstände nicht einhalten. Er will, dass die Baubehörde (B) N den Bau untersagt, bevor das Haus errichtet ist.

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Einordnung des Falls

Statthaftigkeit § 123 VwGO: einstweiliger Rechtsschutz gegen Schwarzbau des Nachbarn

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. P klagt. Er begehrt die Aufhebung eines Verwaltungsakts. Ist die Anfechtungsklage statthaft?

Nein, das ist nicht der Fall!

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (§ 88 VwGO). Begehrt der Kläger die Aufhebung eines Verwaltungsakts, ist die Anfechtungsklage statthaft (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO). Richtet sich das Klagebegehren darauf, dass ein Verwaltungsakt erlassen wird, ist dagegen die Verpflichtungsklage statthaft (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO). Es liegt keine Baugenehmigung vor, gegen die P klagen könnte. Damit bleibt ihm nur die Möglichkeit, auf ein Einschreiten der Behörde gegen Ns Schwarzbau zu klagen. Ps Begehren ist darauf gerichtet, dass B ein Baustopp gegenüber N anordnet (= Verwaltungsakt). Statthaft ist die Verpflichtungsklage.
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2. Ist im Baurecht der einstweilige Rechtsschutz oft von besonderer Bedeutung?

Ja, in der Tat!

Der vorläufige Rechtsschutz kommt in den Fällen in Betracht, in denen die Entscheidung in der Hauptsache aus unterschiedlichen Gründen nicht abgewartet werden kann, es also eines vorläufigen Umgangs mit dem Streitgegenstand bedarf. Insbesondere im Baurecht sind viele Fälle denkbar, in denen ein (langes) Hauptsacheverfahren nicht abgewartet werden kann. Wird z.B. ein Schwarzbau fortgesetzt, währen über die Rechtmäßigkeit des Baus entschieden wird, können durch den voranschreitenden Bau erhebliche Nachteile, insbesondere für den Nachbarn, entstehen. Weiter ist eine Klage auf Baustopp nur dann sinnvoll, solange der Bau noch nicht vollendet ist. Führ Dir bitte immer vor Augen: In einem verwaltungsgerichtlichem Verfahren in der Hauptsache in der ersten Instanz kannst Du in der Regel mit dem Urteil nicht vor Ablauf eines Jahres ab Klageerhebung rechnen!

3. Bedarf es zur Sicherung von Ps Rechtsposition einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO?

Ja!

Eine Regelungsanordnung (§ 123 Abs. 1 S. 2 VwGO) kommt zur Erweiterung der Rechtsposition des Bürgers in Betracht. Sie ist in der Regel einschlägig, wenn der Antragsteller ein Handeln der Verwaltung verlangt. Die Sicherungsanordnung (§ 123 Abs. 1 S. 1 VwGO) kommt in Betracht, wenn die Gefahr besteht, dass eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereiteln oder wesentlich erschweren könnte. Demgegenüber werden mit der Sicherungsanordnung (§ 123 Abs. 1 S. 1 VwGO) in der Regel Unterlassungs- und Abwehransprüche gegen die Verwaltung durchgesetzt. P will, dass N den Bau unterlässt. Entscheidend ist aber, was er von der Verwaltung begehrt. Von der Baubehörde fordert P ein Handeln - den Erlass eines Baustopps. Dies ist eine Erweiterung von Ps Rechtsposition. Im Aufbau unterscheidest Du bei allen Fällen von § 123 Abs. 1 VwGO zwischen dem Anordnungsanspruch - das ist der materielle Anspruch, um den es in der Sache geht - und dem Anordnungsgrund - das ist die besondere Eilbedürftigkeit, die ein Abwarten des Rechtsschutzes in der Hauptsache ausschließt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

KE🦦

kerberos 🦦

6.4.2024, 08:40:41

Hallo ihr Lieben, wie würdet ihr bei der Frage, ob es sich um eine Sicherungs- oder Regelungsanordnung handelt, damit umgehen, dass es sich bei der Baugenehmigung um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt handelt? Man könnte doch auch damit argumentieren, dass der Nachbar dadurch gerade seine Rechte sichern möchte. Oder muss man hier starr an dem Grundsatz festhalten, dass er einen VA begehrt und somit nicht bloß ein Unterlassen, sondern ein Handeln der

Behörde

, weil der Nachbar ja aus dem Verbot selbst erst mal keine eigenen Rechte ableiten kann?

A-MUC

A-MUC

7.5.2024, 15:53:13

Ich hatte zunächst auch so argumentiert. Allerdings finde ich den hier vertretenen Ansatz schon gut, strikt an das Handeln der

Behörde

anzuknüpfen. Angesichts dessen, dass die Abgrenzung i.E. keinen Unterschied macht und eher ein Klausuren-Problem ist, hoffe ich ohnehin, dass man in der Klausur aber keinen großen Punktabzug bekäme, sondern eher ein "(schwer) vertretbar".


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