Öffentliches Recht

VwGO

Vorläufiger Rechtsschutz (§ 123 VwGO)

Unterschied der Begründetheit des Eilrechtsschutzes von Hauptsache: Summarische Prüfung, Glaubhaftmachung

Unterschied der Begründetheit des Eilrechtsschutzes von Hauptsache: Summarische Prüfung, Glaubhaftmachung

23. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Gemeinde G hat mit dem Ausbau von Parkplätzen vor Ls Haus begonnen. L stellt einen Antrag nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO, gerichtet auf die vorläufige Unterlassung des Baus. Denn nach den Bauplänen würden die Parkplätze nur einen Meter vor ihrem Eingang gebaut werden. Nach den einschlägigen Vorschriften muss der Abstand bei mindestens 1,5 Metern liegen.

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Einordnung des Falls

Unterschied der Begründetheit des Eilrechtsschutzes von Hauptsache: Summarische Prüfung, Glaubhaftmachung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Gericht muss den Sachverhalt im Rahmen des Antrags nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO umfänglich ermitteln, bevor es entscheiden kann.

Nein!

Es würde dem Charakter des Eilrechtsschutzes widersprechen, wenn das Gericht den Sachverhalt erst vollumfänglich ermitteln würde, bevor es über einen Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO entscheidet. Dann hätte der Eilrechtsschutz keine Vorzüge mehr zum „normalen“ Hauptsacheverfahren. Der Zweck des § 123 VwGO besteht ja gerade darin, dass die Rechte des Antragstellers schnell (vorübergehend) geschützt werden können. Das Gericht prüft also nur „summarisch“ (= nach Aktenlage). Dies ist auch ausreichend, da die Entscheidung lediglich eine vorläufige ist und von ihr durch die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abgewichen werden kann. In der Klausur im Ersten Staatsexamen benennst Du den summarischen Charakter der Prüfung, prüfst in der Sache aber vollumfänglich. Im Zweiten Staatsexamen musst Du genauer berücksichtigen, was Dein Aktenstück hergibt (zur Glaubhaftmachung sogleich).
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2. Das Gericht muss zur vollen Überzeugung gelangen, dass die von L vorgebrachten Tatsachen zutreffend sind.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Antragsteller muss die für den Eilrechtsschutz erforderlichen Merkmale lediglich glaubhaft machen. Im Gegensatz zum Hauptsacheverfahren, in dem das Gericht den Sachverhalt bis zur Erlangung seiner vollen Überzeugung aufzuklären hat (§ 108 Abs. 1 S. 1 VwGO), genügt im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes die Glaubhaftmachung der Tatsachen, aus denen sich Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund ergeben (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn sie überwiegend wahrscheinlich erscheint. Nach Ls Vorbringen scheint es überwiegend wahrscheinlich, dass die Tatsachen zutreffend sind, die Parkplätze also wirklich nur einen Meter vor ihrem Hauseingang beginnen.

3. Das Gericht trifft seine Entscheidung auf Grundlage der glaubhaft gemachten Tatsachen unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache.

Ja, in der Tat!

Der gerichtlichen Prüfung des Antrags nach § 123 Abs. 1 VwGO werden die glaubhaft gemachten Tatsachen als wahr zugrunde gelegt. Auf Grundlage dieser Tatsachen prüft das Gericht summarisch die Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Wird die Sache in der Hauptsache offensichtlich Erfolg haben, wird eine einstweilige Anordnung in der Regel erlassen. Ist die Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist eine einstweilige Anordnung in der Regel abzulehnen. Kann diese Frage nach summarischer Prüfung nicht eindeutig geklärt werden, richtet sich die Entscheidung danach, ob das Interesse des Antragstellers das öffentliche Interesse bzw. das Interesse eines Drittens überwiegt. Auf Grundlage der summarischen Prüfung würde die Hauptsache wohl Erfolg haben. Der gesetzliche Mindestabstand wurde nicht eingehalten, dieser soll gerade die Hausbewohnerin L schützen. Das Gericht wird den vorläufigen Baustopp wird anordnen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

CR7

CR7

30.4.2023, 18:16:31

Was passiert eigentlich, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die ursprünglich glaubhaft gemachten Tatsachen nun doch nicht der Wahrheit entsprechen, also die Hauptsache doch ein anderes Ergebnis liefert? Bspw. müsste ein Antragsteller vorläufig erhaltene Subventionen zurückgewähren, oder?

ALE

Aleks_is_Y

19.3.2024, 15:32:46

In der Hauptsache erfolgt - im Gegensatz zum Eilrechtsschutz - eine komplette Beweisaufnahme. Die Tatsachen müssen nicht nur glaubhaft gemacht werden, sondern bewiesen werden. Wenn nun die Hauptsache ein anderes Ergebnis liefert als der vorläufige Rechtschutz, so entfaltet nur noch das Urteil in der Hauptsache Rechtskraft. Ich weiß aber nicht ad hoc, ob irgendwas bezüglich des vorläufigen Rechtsschutzes tenoriert werden muss. Im konkreten Fall müssten dann vorläufig erhaltene Subventionen natürlich zurückgezahlt werden.

HARD

hardymary

13.11.2024, 15:25:12

Ja genau und hier dürfte das Bauvorhaben der Parkplätze wieder aufgenommen werden. Dies erscheint natürlich etwas unbillig für den Bauherrn. Mein Dozent meinte aber mal dazu, was wohl besser für das öffentliche Interesse ist und weniger Schaden anrichtet: Etwas rechtswidriges zuzulassen, obwohl die Möglichkeit besteht, dass sich im Nachhinein herausstellt, dass es eben rechtswidrig war oder vorübergehend etwas rechtmäßiges nicht zuzulassen und es im Nachhinein aufgrund der

Rechtmäßigkeit

doch zuzulassen. Wohl eher zweiteres ;)


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