Strafrecht

BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.

Raub (§ 249 StGB)

Wegnahme fremder beweglicher Sache – Abgrenzung § 255: Fall mit gleichen Ergebnissen

Wegnahme fremder beweglicher Sache – Abgrenzung § 255: Fall mit gleichen Ergebnissen

30. Juni 2025

24 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

Die T überfällt eine Bank und bedroht den Kassierer K mit dem Tod. K händigt daraufhin der T Geldscheine aus dem für T sonst nicht zu öffnenden Tresor aus.

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Einordnung des Falls

Wegnahme fremder beweglicher Sache – Abgrenzung § 255: Fall mit gleichen Ergebnissen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der objektive Tatbestand des Raubes (§ 249 Abs. 1 StGB) setzt voraus, dass T die Geldscheine weggenommen hat.

Genau, so ist das!

Tathandlung des Raubes ist die Wegnahme des Tatobjekts. Wegnahme bedeutet den Bruch fremden und die Begründung neuen – nicht notwendigerweise tätereigenen – Gewahrsams. Gewahrsam ist die vom natürlichen Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft, beurteilt nach der Verkehrsanschauung. Gewahrsam wird gebrochen, wenn er gegen oder ohne den Willen des Inhabers aufgehoben wird. Der K hatte die tatsächliche Sachherrschaft an den in der Glaskabine befindlichen Geldscheinen. Diesen hat T spätestens mit dem Verlassen der Bank aufgehoben und eigenen begründet. Fraglich ist allerdings, ob dies auch gegen den Willen des K geschah.
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2. Nach Ansicht der Rechtsprechung liegt ein tatbestandsausschließendes Einverständnis des K vor, sodass T die Geldscheine nicht weggenommen hat.

Ja, in der Tat!

Die Aufhebung des ursprünglichen Gewahrsams erfolgt dann nicht ohne bzw. gegen den Willen des Opfers, wenn ein tatbestandsausschließendes Einverständnis vorliegt. Wann das beim Raub der Fall ist, wird uneinheitlich beantwortet. Nach der Rechtsprechung handelt es sich dann um eine Wegnahme, wenn sich das Tatgeschehen nach dem äußeren Erscheinungsbild als ein "Nehmen" des Täters und nicht als ein "Geben" des Opfers darstellt. T bekommt die Geldscheine von K ausgehändigt. K hat sie also weggegeben.

3. Auch nach anderer Ansicht in der Literatur liegt ein tatbestandsausschließendes Einverständnis des K vor. Ein Streitentscheid ist damit entbehrlich.

Ja!

Nach anderer Ansicht in der Literatur ist die innere Willensrichtung des Opfers entscheidend. Glaubt das Opfer, eine Schlüsselposition innezuhaben, also einen unerlässlichen Mitwirkungsakt für den Gewahrsamswechsel leisten zu müssen, liegt bei Vornahme dieses Mitwirkungsakts ein Einverständnis vor. Denn das Opfer verfügt dann mit einem sog. Rest an Freiwilligkeit über eigenes Vermögen. Das Geld war im Tresor verwahrt, zu dem T keinen Zutritt hatte. Für den Gewahrsamswechsel an den Geldscheinen musste K diese also herausgeben. Dem war er sich auch bewusst. Anschließend wären dann die §§ 253, 255 StGB zu prüfen und die Tatbestandsmäßigkeit übereinstimmend zu bejahen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

🦊²

🦊²

17.6.2022, 19:42:35

Hey, Inwiefern ist hier eine bewusste Verfügung noch freiwillig, wenn man

gegenwärtig

mit dem Leben/Tod bedroht wird? (im Rahmen der Literatur) Liebe Grüße 🦊 ²

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.6.2022, 12:54:10

Hallo Fuchs², der Begriff der Freiwilligkeit ist in diesem Kontext als Gegenbegriff zu

vis absoluta

zu verstehen. Es geht also primär um die Frage, ob es dem Opfer möglich ist, sich faktisch anders zu entscheiden (auch wenn dies mit erheblichen Konsequenzen einhergeht). Solange dies der Fall ist, liegt ein "Rest" an Freiwilligkeit vor, der nach der h.L. zu einem tatbestandsausschließenden Einverständnis führt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

🦊²

🦊²

20.6.2022, 19:00:04

Danke Dir! :-)

I-m-possible

I-m-possible

29.7.2022, 14:29:20

Die Frage ist hier m.E nach warum noch §§253/255 geprüft werden soll wenn die herrschende Lehre §249 und §§253/255 als in einem Exklusivverhältnis stehend betrachtet ? Danke vorab!

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

29.7.2022, 14:52:30

Hallo i-m-possible, die h.L grenzt die Normen nach der inneren Willensrichtung des Opfers ab. Sofern dieses die Sache "freiwillig" weggibt, scheidet der Raub bereits im objektiven Tatbestand aus und man muss nachfolgend die

räuberische Erpressung

prüfen. Handelt das Opfer dagegen unfreiwillig, so liegt der obj. Tatbestand des Raubes vor, sodass die

räuberische Erpressung

nach h.L nicht mehr zu prüfen wäre (anders der BGH, der sie auf Ebene der Konkurrenz zurücktreten lässt). Relevant ist dies primär in dem Fall, in dem der Täter zwar den obj. TB des Raubes erfüllt, ihm aber subjektiv die Zueignumgsabsicht fehlt. Ein Rückgriff auf die

räuberische Erpressung

ist der hL hier versagt und Strafbarkeitslücken drohen (zB gewaltsames "Ausleihen" einer Sache). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

DO

Dominic

12.8.2024, 00:31:55

Ihr geht hier gar nicht darauf ein, warum der BGH hier kein

tatbestandsausschließendes Einverständnis

annimmt. Das liegt nämlich daran, dass er ein solches gar nicht für möglich hält bei 249, da er für das Merkmal der Wegnahme iSd 249 nicht auf denselben Begriff aus 242 abstellt, sondern den Begriff hier wie folgt definiert: "Eine Handlung ist (bei 249) als wegnahme anzusehen, wenn sie sich nach dem äußeren erscheinungsbild als ein Nehmen darstellt"

Lord Denning

Lord Denning

5.9.2024, 21:38:07

Deine Definition ist am Ende nur eine Verknappung auf das Problem des tatbestandsausschließenden Einverständnisses. Im Prinzip sagt die Definition: Diese Handlung ist (wahrscheinlich bezogen auf den konkreten Fall) als Wegnahme zu sehen, wenn kein

tatbestandsausschließendes Einverständnis

vorliegt. Das der BGH sonst, würde er einen anderen Wegnahme-Begriff als den des § 242 I verwenden, nämlich implizit ausdrücken würde, dass der Raub kein zusammengesetztes Delikt aus Diebstahl und qualifizierter

Nötigung

ist, wäre mir neu.

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

30.1.2025, 21:10:55

Hallo @[Dominic](212863), danke für deinen Hinweis. Der Vollständigkeit halber auch hier noch einmal: Wie @[Lord Denning](222886) richtig sagt, ist deine Definition nicht die vollständige, die der BGH benutzt oder zumindest zugrundelegt. Für weiteres verweise ich auf diesen Thread: https://applink.jurafuchs.de/Vs3jotcuAQb Liebe Grüße, Tim - für das Jurafuchs-Team @[Wendelin Neubert](409)

Juliaaaaaaaaaaaa

Juliaaaaaaaaaaaa

14.8.2024, 22:27:27

Muss man § 249 überhaupt anprüfen, wenn es nach der h.L direkt tatbestandlich ausgeschlossen wird und nach der Rspr. ein auch Geben vorliegt?

PAUHE

Paul Hendewerk

29.1.2025, 14:30:18

@[Juliaaaaaaaaaaaa](261022) Ja, natürlich. In einer Klausur solltest Du Probleme nicht umgehen, sondern sie ansprechen - dafür bekommst Du Punkte.

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

30.1.2025, 21:44:10

Hallo @[Juliaaaaaaaaaaaa](261022), wie @[Paul Hendewerk](274540) richtig sagt, musst du natürlich sicherstellen, dass du alle Probleme ansprichst und abarbeitest. §

249 StGB

solltest du dabei auf jeden Fall ansprechen, da nach der Rechtsprechung ja gerade kein Exklusivitätsverhältnis zwischen §§ 249 und 253, 2

55 StGB

vorliegt. Daher solltest du die Definition der Wegnahme und die Abgrenzung nach dem Geben und Nehmen in der Prüfung von §§ 253, 2

55 StGB

nicht prüfen, eine

Erpressung

kann nach dem BGH unabhängig davon vorliegen, ob es ein Geben oder Nehmen ist. Deswegen musst du auch §

249 StGB

prüfen, um dort diese Abgrenzung machen zu können. Weiterführend kann ich zum Aufbau auf folgenden Thread verweisen: https://applink.jurafuchs.de/1k4FdkawAQb Liebe Grüße, Tim - für das Jurafuchs-Team @[Wendelin Neubert](409)

Major Tom(as)

Major Tom(as)

21.11.2024, 10:33:51

Hallo liebes Jurafuchs-Team, Meines Wissens ist die Literaturmeinung in sich gespalten - eine Unteransicht lehnt die Freiwilligkeit dann ab, wenn Todesgefahr vorliegt (Hier sei für das Opfer keine Entscheidung mehr möglich, sondern es ergebe sich nur eine valide Handlungsalternative), eine andere sieht von dieser Ausnahme ab. Vielleicht könnte man das ergänzen? Danke euch für das tolle Kapitel!

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

30.1.2025, 21:24:56

Hallo @[Major Tom(as)](258980) , ich konnte eine derartige Einschränkung bei einer Recherche danach nicht finden. Wenn du eine konkrete Fundstelle dafür hast, kannst du sie gerne einmal teilen, dann würde ich mir das noch einmal anschauen. Liebe Grüße, Tim - für das Jurafuchs-Team @[Wendelin Neubert](409)

Friedolin

Friedolin

27.3.2025, 14:25:12

@[Major Tom(as)](258980) meinst du vielleicht nicht unbedingt Fälle in denen für das Opfer Todesgefahr besteht, sondern Fälle in denen das Opfer (der Genötigte) in einer solchen Zwangslage steckt, dass es gleichgültig ist, wie es sich verhält (= Sache wird unabhängig von seinem Verhalten dem Täter preisgegeben)? In solche Situationen gibt es ja tatsächlich einige Stimmen, die die Wegnahme sodann bejahen (vgl. Heger in Lackner/Kühl/Heger, 30. Auflage 2023, § 255 Rn. 2) Bei Todesgefahrfällen wäre es ja so, dass das Opferverhalten zwar stark eingeschränkt (Tod oder Handeln/Dulden iSd Täters) aber gerade nicht gleichgültig ist.

Major Tom(as)

Major Tom(as)

23.5.2025, 10:11:13

Hey, sorry erst einmal für die Verspätung, ich hatte das irgendwie übersehen: Ein Beispiel findet sich in der ZJS 2023, 966 (973) -> m.W.N. in der Fußnote "Eine abweichende, immer noch verbreitete Literaturauffassung verlangt gleichwohl eine wenigstens rudimentäre Form von Freiwilligkeit der

Vermögensverfügung

. Das Opfer müsse in der Vorstellung handeln, seine Mitwirkung sei zur Herbeiführung des

Schaden

s unerlässlich, mit anderen Worten: Es muss annehmen, hinsichtlich des Vermögensverlustes eine Schlüsselstellung einzunehmen und einen Verlust – notfalls um den Preis seines Lebens – verhindern zu können. Im Beispiel 3 (Drohen mit einer Waffe, "

Geld

oder Leben") übergibt B der A zwar das

Geld

, dürfte aber in der Vorstellung gehandelt haben, andernfalls würde A ihn erschießen und dann auch ohne seine Mitwirkung an den Kasseninhalt gelangen. Die genannte Literaturmeinung würde folglich eine

Vermögensverfügung

verneinen und § 2

55 StGB

ablehnen. Stattdessen käme sie auf den Raub zurück: Eine in diesem Sinne „unfreiwillige“ Herausgabe sei nämlich als Wegnahme anzusehen, weil das Geben hier kein wirksames Einverständnis in den Gewahrsamswechsel darstelle und dieser daher als

Gewahrsamsbruch

anzusehen sei." Hoffe, das hilft weiter!

CHA

charlotte112

29.5.2025, 12:42:14

Ich komme bei dieser Frage nicht so recht weiter. Kommt es in dem beschriebenen Fall dann aber nicht darauf an, dass der Täter dennoch - auch ohne Mitwirkung des Opfers - an das

Geld

herankommt und das Opfer somit den Gewahrsamsverlust nicht verhindern kann und mithin laut Lit. eine Wegnahme gegeben ist? Wie wäre der Fall zu beurteilen, wenn der Täter dem Opfer mit dem Tod droht, aber es auf Seiten des Opfers eines

notwendige

n Mitwirkungsakts bedarf? So wäre grs. nach Lit. ein Einverständnis gegeben. Würde dann aufgrund der Todes

drohung

die Freiwilligkeit entfallen?

OKA

okalinkk

21.5.2025, 20:53:08

wäre das hier dann im Ergebnis eine

Dreieckserpressung

? Genötigter K (Kassierer) und Geschädigter (Bank) sind personenverschieden. Da K als Kassierer wohl schutzbereiter Dritter ist, der den Vermögensschutz der Bank bezweckt, wäre das erforderliche Näheverhältnis zu bejahen?


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