Strafrecht
BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.
Raub (§ 249 StGB)
Wegnahme fremder beweglicher Sache – Abgrenzung § 255: Fall mit gleichen Ergebnissen
Wegnahme fremder beweglicher Sache – Abgrenzung § 255: Fall mit gleichen Ergebnissen
30. Juni 2025
24 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Die T überfällt eine Bank und bedroht den Kassierer K mit dem Tod. K händigt daraufhin der T Geldscheine aus dem für T sonst nicht zu öffnenden Tresor aus.
Diesen Fall lösen 75,9 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Wegnahme fremder beweglicher Sache – Abgrenzung § 255: Fall mit gleichen Ergebnissen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der objektive Tatbestand des Raubes (§ 249 Abs. 1 StGB) setzt voraus, dass T die Geldscheine weggenommen hat.
Genau, so ist das!
2. Nach Ansicht der Rechtsprechung liegt ein tatbestandsausschließendes Einverständnis des K vor, sodass T die Geldscheine nicht weggenommen hat.
Ja, in der Tat!
3. Auch nach anderer Ansicht in der Literatur liegt ein tatbestandsausschließendes Einverständnis des K vor. Ein Streitentscheid ist damit entbehrlich.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
🦊²
17.6.2022, 19:42:35
Hey, Inwiefern ist hier eine bewusste Verfügung noch freiwillig, wenn man
gegenwärtigmit dem Leben/Tod bedroht wird? (im Rahmen der Literatur) Liebe Grüße 🦊 ²

Lukas_Mengestu
20.6.2022, 12:54:10
Hallo Fuchs², der Begriff der Freiwilligkeit ist in diesem Kontext als Gegenbegriff zu
vis absolutazu verstehen. Es geht also primär um die Frage, ob es dem Opfer möglich ist, sich faktisch anders zu entscheiden (auch wenn dies mit erheblichen Konsequenzen einhergeht). Solange dies der Fall ist, liegt ein "Rest" an Freiwilligkeit vor, der nach der h.L. zu einem tatbestandsausschließenden Einverständnis führt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
🦊²
20.6.2022, 19:00:04
Danke Dir! :-)

I-m-possible
29.7.2022, 14:29:20
Die Frage ist hier m.E nach warum noch §§253/255 geprüft werden soll wenn die herrschende Lehre §249 und §§253/255 als in einem Exklusivverhältnis stehend betrachtet ? Danke vorab!

Lukas_Mengestu
29.7.2022, 14:52:30
Hallo i-m-possible, die h.L grenzt die Normen nach der inneren Willensrichtung des Opfers ab. Sofern dieses die Sache "freiwillig" weggibt, scheidet der Raub bereits im objektiven Tatbestand aus und man muss nachfolgend die
räuberische Erpressungprüfen. Handelt das Opfer dagegen unfreiwillig, so liegt der obj. Tatbestand des Raubes vor, sodass die
räuberische Erpressungnach h.L nicht mehr zu prüfen wäre (anders der BGH, der sie auf Ebene der Konkurrenz zurücktreten lässt). Relevant ist dies primär in dem Fall, in dem der Täter zwar den obj. TB des Raubes erfüllt, ihm aber subjektiv die Zueignumgsabsicht fehlt. Ein Rückgriff auf die
räuberische Erpressungist der hL hier versagt und Strafbarkeitslücken drohen (zB gewaltsames "Ausleihen" einer Sache). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Dominic
12.8.2024, 00:31:55
Ihr geht hier gar nicht darauf ein, warum der BGH hier kein
tatbestandsausschließendes Einverständnisannimmt. Das liegt nämlich daran, dass er ein solches gar nicht für möglich hält bei 249, da er für das Merkmal der Wegnahme iSd 249 nicht auf denselben Begriff aus 242 abstellt, sondern den Begriff hier wie folgt definiert: "Eine Handlung ist (bei 249) als wegnahme anzusehen, wenn sie sich nach dem äußeren erscheinungsbild als ein Nehmen darstellt"

Lord Denning
5.9.2024, 21:38:07
Deine Definition ist am Ende nur eine Verknappung auf das Problem des tatbestandsausschließenden Einverständnisses. Im Prinzip sagt die Definition: Diese Handlung ist (wahrscheinlich bezogen auf den konkreten Fall) als Wegnahme zu sehen, wenn kein
tatbestandsausschließendes Einverständnisvorliegt. Das der BGH sonst, würde er einen anderen Wegnahme-Begriff als den des § 242 I verwenden, nämlich implizit ausdrücken würde, dass der Raub kein zusammengesetztes Delikt aus Diebstahl und qualifizierter
Nötigungist, wäre mir neu.

Tim Gottschalk
30.1.2025, 21:10:55
Hallo @[Dominic](212863), danke für deinen Hinweis. Der Vollständigkeit halber auch hier noch einmal: Wie @[Lord Denning](222886) richtig sagt, ist deine Definition nicht die vollständige, die der BGH benutzt oder zumindest zugrundelegt. Für weiteres verweise ich auf diesen Thread: https://applink.jurafuchs.de/Vs3jotcuAQb Liebe Grüße, Tim - für das Jurafuchs-Team @[Wendelin Neubert](409)

Juliaaaaaaaaaaaa
14.8.2024, 22:27:27
Muss man § 249 überhaupt anprüfen, wenn es nach der h.L direkt tatbestandlich ausgeschlossen wird und nach der Rspr. ein auch Geben vorliegt?
Paul Hendewerk
29.1.2025, 14:30:18
@[Juliaaaaaaaaaaaa](261022) Ja, natürlich. In einer Klausur solltest Du Probleme nicht umgehen, sondern sie ansprechen - dafür bekommst Du Punkte.

Tim Gottschalk
30.1.2025, 21:44:10
Hallo @[Juliaaaaaaaaaaaa](261022), wie @[Paul Hendewerk](274540) richtig sagt, musst du natürlich sicherstellen, dass du alle Probleme ansprichst und abarbeitest. §
249 StGBsolltest du dabei auf jeden Fall ansprechen, da nach der Rechtsprechung ja gerade kein Exklusivitätsverhältnis zwischen §§ 249 und 253, 2
55 StGBvorliegt. Daher solltest du die Definition der Wegnahme und die Abgrenzung nach dem Geben und Nehmen in der Prüfung von §§ 253, 2
55 StGBnicht prüfen, eine
Erpressungkann nach dem BGH unabhängig davon vorliegen, ob es ein Geben oder Nehmen ist. Deswegen musst du auch §
249 StGBprüfen, um dort diese Abgrenzung machen zu können. Weiterführend kann ich zum Aufbau auf folgenden Thread verweisen: https://applink.jurafuchs.de/1k4FdkawAQb Liebe Grüße, Tim - für das Jurafuchs-Team @[Wendelin Neubert](409)

Major Tom(as)
21.11.2024, 10:33:51
Hallo liebes Jurafuchs-Team, Meines Wissens ist die Literaturmeinung in sich gespalten - eine Unteransicht lehnt die Freiwilligkeit dann ab, wenn Todesgefahr vorliegt (Hier sei für das Opfer keine Entscheidung mehr möglich, sondern es ergebe sich nur eine valide Handlungsalternative), eine andere sieht von dieser Ausnahme ab. Vielleicht könnte man das ergänzen? Danke euch für das tolle Kapitel!

Tim Gottschalk
30.1.2025, 21:24:56
Hallo @[Major Tom(as)](258980) , ich konnte eine derartige Einschränkung bei einer Recherche danach nicht finden. Wenn du eine konkrete Fundstelle dafür hast, kannst du sie gerne einmal teilen, dann würde ich mir das noch einmal anschauen. Liebe Grüße, Tim - für das Jurafuchs-Team @[Wendelin Neubert](409)
Friedolin
27.3.2025, 14:25:12
@[Major Tom(as)](258980) meinst du vielleicht nicht unbedingt Fälle in denen für das Opfer Todesgefahr besteht, sondern Fälle in denen das Opfer (der Genötigte) in einer solchen Zwangslage steckt, dass es gleichgültig ist, wie es sich verhält (= Sache wird unabhängig von seinem Verhalten dem Täter preisgegeben)? In solche Situationen gibt es ja tatsächlich einige Stimmen, die die Wegnahme sodann bejahen (vgl. Heger in Lackner/Kühl/Heger, 30. Auflage 2023, § 255 Rn. 2) Bei Todesgefahrfällen wäre es ja so, dass das Opferverhalten zwar stark eingeschränkt (Tod oder Handeln/Dulden iSd Täters) aber gerade nicht gleichgültig ist.

Major Tom(as)
23.5.2025, 10:11:13
Hey, sorry erst einmal für die Verspätung, ich hatte das irgendwie übersehen: Ein Beispiel findet sich in der ZJS 2023, 966 (973) -> m.W.N. in der Fußnote "Eine abweichende, immer noch verbreitete Literaturauffassung verlangt gleichwohl eine wenigstens rudimentäre Form von Freiwilligkeit der
Vermögensverfügung. Das Opfer müsse in der Vorstellung handeln, seine Mitwirkung sei zur Herbeiführung des
Schadens unerlässlich, mit anderen Worten: Es muss annehmen, hinsichtlich des Vermögensverlustes eine Schlüsselstellung einzunehmen und einen Verlust – notfalls um den Preis seines Lebens – verhindern zu können. Im Beispiel 3 (Drohen mit einer Waffe, "
Geldoder Leben") übergibt B der A zwar das
Geld, dürfte aber in der Vorstellung gehandelt haben, andernfalls würde A ihn erschießen und dann auch ohne seine Mitwirkung an den Kasseninhalt gelangen. Die genannte Literaturmeinung würde folglich eine
Vermögensverfügungverneinen und § 2
55 StGBablehnen. Stattdessen käme sie auf den Raub zurück: Eine in diesem Sinne „unfreiwillige“ Herausgabe sei nämlich als Wegnahme anzusehen, weil das Geben hier kein wirksames Einverständnis in den Gewahrsamswechsel darstelle und dieser daher als
Gewahrsamsbruchanzusehen sei." Hoffe, das hilft weiter!
charlotte112
29.5.2025, 12:42:14
Ich komme bei dieser Frage nicht so recht weiter. Kommt es in dem beschriebenen Fall dann aber nicht darauf an, dass der Täter dennoch - auch ohne Mitwirkung des Opfers - an das
Geldherankommt und das Opfer somit den Gewahrsamsverlust nicht verhindern kann und mithin laut Lit. eine Wegnahme gegeben ist? Wie wäre der Fall zu beurteilen, wenn der Täter dem Opfer mit dem Tod droht, aber es auf Seiten des Opfers eines
notwendigen Mitwirkungsakts bedarf? So wäre grs. nach Lit. ein Einverständnis gegeben. Würde dann aufgrund der Todes
drohungdie Freiwilligkeit entfallen?
okalinkk
21.5.2025, 20:53:08
wäre das hier dann im Ergebnis eine
Dreieckserpressung? Genötigter K (Kassierer) und Geschädigter (Bank) sind personenverschieden. Da K als Kassierer wohl schutzbereiter Dritter ist, der den Vermögensschutz der Bank bezweckt, wäre das erforderliche Näheverhältnis zu bejahen?