§ 15 Abs. 2 S. 1 GewO

5. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Versicherungsvertreterin V betreibt ihr Unternehmen ohne die nach § 34d Abs. 1 S. 1 GewO erforderliche Erlaubnis zu haben. Behördenmitarbeiter B ist der Meinung, dass es in der Stadt sowieso schon zu viele Versicherungsvertreter gibt und untersagt V deswegen ihr Gewerbe.

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Einordnung des Falls

§ 15 Abs. 2 S. 1 GewO

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Rechtsgrundlage für die Untersagung ist § 15 Abs. 2 S. 1 GewO. Handelt es sich hierbei um eine gebundene Entscheidung?

Nein, das trifft nicht zu!

Ist ein gesetzlicher Tatbestand erfüllt, muss die Verwaltung handeln, sofern die Norm eine zwingende Rechtsfolge enthält (= gebundene Entscheidung). Ist dies nicht der Fall, kann die Behörde eine Ermessensentscheidung im Rahmen des vorgegebenen Handlungsspielraums treffen. V betreibt es Gewerbe ohne die erforderliche Erlaubnis. Der Tatbestand des § 15 Abs. 2 S. 1 GewO ist damit erfüllt. Als Rechtsfolge sieht § 15 Abs. 2 S. 1 GewO vor, dass die Behörde den Betrieb des Gewerbes untersagen „kann“. Es handelt sich um eine Ermessensvorschrift. Nach der Rspr. eröffnet die Vorschrift sog. „intendiertes Ermessen“. D.h., dass die Rechtsfolge in der Regel eintreten soll und nur in begründete Ausnahmefälle ausbleiben darf.
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2. Der Bescheid ist rechtswidrig, wenn B ermessensfehlerhaft handelte.

Ja!

Wenn eine Vorschrift auf Rechtsfolgenseite Ermessen einräumt, gibt es oftmals nicht nur eine rechtmäßige Rechtsfolge, sondern mehrere, zwischen denen die Behörde wählen kann (Auswahlermessen). Sieht die Rechtsgrundlage ein Entschließungsermessen der Behörde vor, kann ein Nichthandeln auch dann rechtmäßig sein, wenn der Tatbestand der Norm vorliegt. Das Handeln der Behörde ist nur dann rechtswidrig, wenn die Entscheidung der Behörde ermessensfehlerhaft ergangen ist. Die Untersagung von Vs Gewerbebetrieb durch B ist rechtswidrig, wenn B ermessensfehlerhaft gehandelt hat.

3. Hier liegt ein Fall von Ermessensüberschreitung vor.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ermessensfehler lassen sich in Fallgruppen unterteilen. Ein Ermessensfehler kann in Form von (1) Ermessensüberschreitung, (2) Ermessensnichtgebrauch, (3) Ermessensfehlgebrauch sowie (4) der Verstoß gegen Grundrechte und allgemeine Verwaltungsgrundsätze vorliegen. Letztere Fallgruppe wird oftmals auch innerhalb des Ermessensfehlgebrauchs geprüft. Eine Ermessensüberschreitung liegt vor, wenn die Behörde eine Entscheidung trifft, die außerhalb des gesetzlich abgesteckten Rechtsfolgerahmens liegt. § 15 Abs. 2 S. 1 GewO sieht die Untersagung des Gewerbes als Rechtsfolge vor. S hat hier eine Rechtsfolge gewählt, die von der Rechtsgrundlage umfasst ist. Es liegt keine Ermessensüberschreitung vor. Du würdest in der Regel direkt zu der Fallgruppe kommen, die einschlägig ist.

4. Der Bescheid erging aufgrund sachfremder Erwägungen. Es liegt Ermessensfehlgebrauch vor.

Ja, in der Tat!

Die Fallgruppe des Ermessensfehlgebrauch kann unterteilt werden in (1) Zweckverfehlung, (2) Abwägungsdefizit und (3) Ermessensmissbrauch. Ein Ermessensmissbrauch liegt vor, wenn die Behörde sachfremde (missbräuchliche) Erwägungen anstellt. B hat die Untersagung erlassen, weil sie findet, dass es zu viele Versicherungsvertretende in der Stadt gibt. Diese stadtpolitischen Erwägungen haben mit dem Gesetzeszweck von § 15 Abs. 2 S. 1 GewO und der Aufgabe der Behörde nichts zu tun und sind daher sachfremd. Es liegt ein Ermessensmissbrauch vor. Die Untersagung ist rechtswidrig.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

STE

Sternensilber

26.4.2024, 18:07:46

Hier wurde

Ermessensmissbrauch

geprüft. Könnte hier auch eine Zweckverfehlung vorliegen?

Merle_Breckwoldt

Merle_Breckwoldt

26.4.2024, 20:43:28

Hallo Sternensilber, die beiden (Unter-)Fallgruppen sind sich ähnlich und werden in der durchaus nicht ganz einheitlichen

Ermessensfehler

lehre daher sogar z.T. gar nicht richtig unterschieden. In diesem Sinne also ja. Wenn wir genau unterscheiden wollen, liegt ein

Ermessensmissbrauch

allerdings insb. bei persönlichen Motiven der

Behörde

bzw. des handelnden Mitarbeitenden vor (hier: B ist der Meinung, dass es in der Stadt sowieso schon zu viele Versicherungsvertreter gibt). Eine Zweckverfehlung ist demgegenüber gewissermaßen schwächer, weniger rechtsmissbräuchlich und liegt vor, wenn die

Behörde

den Zweck der EGL nicht korrekt ermittelt hat und daher auch andere öffentliche/private Belange als die in der Norm angelegten in die Entscheidung einfließen lässt (Bsp.: Die Polizei

behörde

handelt nicht nur zur Gefahrenabwehr, sondern auch aus fiskalischen Motiven). Viele Grüße, Merle für das Jurafuchs-Team


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