§ 49 Abs. 1 VwVfG
4. Juli 2025
8 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Behörde B untersagt Immobilienmaklerin I die Ausübung ihres Gewerbes, weil I die erforderliche Erlaubnis fehlt. Der rechtmäßige Untersagungsbescheid wird bestandskräftig. I bittet B, den Bescheid aufzuheben, weil sie einen Antrag auf Erlaubnis gestellt hat, das Verfahren aber andauert.
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Einordnung des Falls
§ 49 Abs. 1 VwVfG
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Es ist unmöglich, einen rechtmäßigen, bestandskräftigen Verwaltungsakt aufzuheben.
Nein, das ist nicht der Fall!
2. Der Untersagungsbescheid ist ein begünstigender Verwaltungsakt. Der Widerruf richtet sich nach § 49 Abs. 2 VwVfG.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Rechtmäßige, belastende Verwaltungsakte kann die Behörde gemäß § 49 Abs. 1 VwVfG ausnahmslos widerrufen.
Nein!
4. B müsste nach einem Widerruf nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 2 S. 1 GewO der I erneut die Ausübung ihres Gewerbebetriebs untersagen.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jotus
3.12.2024, 16:01:20
§ 15 II 1 GewO ist zwar eine Ermessensentscheidung, aber es handelt es sich ja um einen Fall des intendierten Ermessens. Müsste dies nicht mit in die Wertung eingehen, sodass eine Untersagung zu erteilen ist oder liegen durch die Beantragung der Gewerbezulassung Umstände vor, die vom Normalfall abweichen?

Sebastian Schmitt
25.4.2025, 10:17:50
Hallo @[Jotus](244613), vielen Dank für Deinen guten Hinweis. Einen Fall des "wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste" iSd § 49 I VwVfG haben wir nur dann, wenn wir eine
gebundene Entscheidungder Verwaltung haben, einschließlich des Falls der
Ermessensreduzierung auf Null(Schoch/Schneider/Schoch, VerwR, Werkstand 5. EL Juli 2024, § 49 Rn 79). Selbst wenn der
Behördenur ein ganz enger Entscheidungsspielraum bleibt, ist ein Widerruf nach § 49 I VwVfG möglich (Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, VwVfG, 10. Aufl 2023, § 49 Rn 23). Bei § 15 II 1 GewO und Fällen des intendierten Ermessens kann man darüber sicherlich nachdenken und wir haben jetzt einen entsprechenden Vertiefungshinweis aufgenommen. Ob wir wirklich eine
gebundene Entscheidunghaben, ist allerdings sehr einzelfallabhängig, insbesondere in Fällen wie unserem, in dem wir "nur" formelle, aber wohl keine
materielle Illegalitäthaben (näher Ennuschat/Wank/Winkler, GewO, 9. Aufl 2020, § 15 Rn 27 ff). Wir wollen darauf an dieser Stelle nicht im Einzelnen eingehen und haben deswegen die letzte Frage sprachlich angepasst, möchten es aber für den Moment dabei und bei dem kurzen Vertiefungshinweis belassen. Diesen Thread lassen wir gerne zur Erläuterung stehen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
sparfüchsin
29.5.2025, 09:46:05
Ich verstehe die Frage „B müsste nach einem Widerruf nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 2 S. 1 GewO der I erneut die Ausübung ihres Gewerbebetriebs untersagen.“ nicht. Worauf soll die Frage mich stoßen? Es geht wohl irgendwie um so etwas wie
242 BGB? Werde leider aus der Antwort auch nicht schlau. Wo gebau im Prüfungsschema würde ich das prüfen?

Sebastian Schmitt
12.6.2025, 10:21:56
Hallo @[sparfüchsin](295598), letztlich steht die Antwort mE schon in unserer Erklärung zur letzten Frage. Nach dem Wortlaut des § 15 II 1 GewO handelt es sich um eine Ermessensnorm ("kann"), dementsprechend besteht grds keine Pflicht der
Behörde, den Gewerbebetrieb zu untersagen. Also müsste die
Behördeauch nach dem Wortlaut des § 15 II 1 GewO keinen VA gleichen Inhalts erneut erlassen (iSd § 49 I VwVfG). Eine solche Pflicht zum Erlass eines inhaltsgleichen VA besteht aber sehr wohl bei Normen, die eine verpflichtende Entscheidung vorsehen, also von vornherein kein Ermessen einräumen. Sie kann aber selbst bei Ermessensnormen bestehen, nämlich dann, wenn wir es mit intendiertem Ermessen zu tun haben (in diese Richtung wird § 15 II 1 GewO verbreitet verstanden) oder das Ermessen der
Behördeauf Null reduziert ist. Mit §
242 BGB/Treu und Glauben hat das also nichts zu tun. Evtl hilft Dir auch der Blick auf den Nachbarthread, dort ging es genau um diesen Punkt: https://applink.jurafuchs.de/YaLyxyRp8Tb. Die Frage nach dem Prüfungsschema kann man so pauschal nicht beantworten, das hängt von der Fallkonstellation ab. Wenn Du aber gerade die Voraussetzungen des § 49 I VwVfG prüfst, müsstest Du eben schauen, ob der Widerruf ausgeschlossen ist, weil eine Ausnahme nach § 49 I VwVfG vorliegt. Dort müsstest Du dann prüfen, ob die
Behördeeinen inhaltsgleichen VA erlassen müsste, zB wegen intendierten Ermessens oder einer
Ermessensreduzierung auf Null. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team