§ 48 Abs. 1 VwVfG
24. Januar 2025
6 Kommentare
4,8 ★ (10.335 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Behörde B erlässt einen Gebührenbescheid gegenüber L über 100 Euro. Als der Bescheid bereits bestandskräftig ist, weigert sich L, die 100 Euro zu zahlen, weil die gesetzlich vorgesehene Gebühr nur 50 Euro beträgt. L meint, B müsse den Bescheid zurücknehmen.
Diesen Fall lösen 86,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
§ 48 Abs. 1 VwVfG
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Weil der Bescheid bestandskräftig geworden ist, ist er auch rechtmäßig.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Bestandskraft hindert die Behörde daran, den Verwaltungsakt aufzuheben.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Der Gebührenbescheid ist rechtswidrig.
Ja, in der Tat!
4. Gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG muss die Behörde einen rechtswidrigen Verwaltungsakt zwingend zurücknehmen.
Nein!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Sassun
15.11.2024, 17:24:18
Weshalb ist bei § 49 II und III (L)VwVfG eig. ein
intendiertes Ermessenanerkannt und bei § 48 (L)VwVfG nicht?
Leo Lee
24.11.2024, 09:55:17
Hallo Sassun, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Der Grund hinter der Verneinung des intendierten Ermessens bei 48 ist der folgende: Bei
48 VwVfGist die
Rechtswidrigkeit eines VAs bereits ein TBM. D.h., wenn der VA
rechtswidrigist, ist erstmal mit der Subsumtion auf TB-Ebene "Schluss". Die
Rechtswidrigkeit kann also auf der RF-Seite das Ermessen nicht weiter beeinflussen. Denn bei 48 kann auch mit Wirkung für die VERGANGENHEIT zurückgenommen werden (im Ggs. zu 49 nur für die Zukunft), was einen umso härteren Einschnitt für den Betroffenen bedeutet. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom BeckOK VwVfG, J. Müller § 48 Rn. 40 f. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Sassun
27.11.2024, 15:45:29
Super, vielen Dank!
Kathi
16.1.2025, 13:01:48
Hi, sollte L im vorliegenden Fall noch Klage erheben wollen, wäre dann die Feststellungsklage die
statthafte Klageart, da die Anfechtungsklage bereits verfristet wäre?
louisaamaria
16.1.2025, 17:46:15
Ich hätte es über den § 51 VwVfG und die
Verpflichtungsklagegelöst (str.) : L hat selber zu verantworten, dass der Bescheid bestandskräftig wurde, bis dahin hätte sie ohne weiteres Anfechtungsklage erheben können. Aus Gründen des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit sind bestandskräftige VA, Urteile etc nur in Ausnahmefällen erneut angreifbar. Sie müsste also (wohl hM)
Verpflichtungsklageauf Neubescheidung über § 51 VwVfG erheben. Liegt kein Wiederaufnahmegrund nach § 51 I VwVfG vor (=Wiederaufgreifen im engeren Sinne), dann bleiben die § 48 I 1 und des § 49 I gem. § 51 V VwVfG unberührt (= Wiederaufgreifen im weiteren Sinne). Die Behörde kann also über eine Rücknahme/Widerruf neu bescheiden, muss aber nicht. Ich bin mir aber auch nicht 100%ig sicher. Vielleicht kann @[Sebastian Schmitt](263562) etwas dazu sagen:)
Leo Lee
17.1.2025, 09:42:03
Hallo Kathi, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Ergänzend zu louisaamarias sehr guter Anmerkung: In der Tat könnte man sich überlegen, ob L noch eine Feststellungsklage anstrengen könnte. Allerdings gibt es ein paar Hürden, die überwunden werden mussten. Zum einen stellt sich die Frage, ob die FK in diesem Fall nicht subsidiär sein könnte, um das, was mit der AK nicht möglich ist, nicht zu umgehen. Weiterhin dürfte eine allg. FK dem Begehren des L nicht wirklich entsprechen, da die FK keine
Gestaltungsklageist, im Wege derer etwa die Rücknahme eines VAs bewirkt werden kann. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom Schoch/Schneider VwGO, Marsch § 43 Rn. 1 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo