§ 48 Abs. 1 VwVfG

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Behörde B erlässt einen Gebührenbescheid gegenüber L über 100 Euro. Als der Bescheid bereits bestandskräftig ist, weigert sich L, die 100 Euro zu zahlen, weil die gesetzlich vorgesehene Gebühr nur 50 Euro beträgt. L meint, B müsse den Bescheid zurücknehmen.

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Einordnung des Falls

§ 48 Abs. 1 VwVfG

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Weil der Bescheid bestandskräftig geworden ist, ist er auch rechtmäßig.

Nein!

Ob ein Verwaltungsakt rechtmäßig ist, ist zu unterscheiden von der Frage, ob dieser bestandskräftig (= unanfechtbar) geworden ist. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt wird nicht dadurch rechtmäßig, dass er bestandskräftig wird. Vielmehr ist dieser Verwaltungsakt dann trotz Rechtswidrigkeit nicht mehr anfechtbar. Denn ein Verwaltungsakt wird bestandskräftig, wenn er nicht fristgemäß (vgl. §§ 70, 74 VwVGO) oder erfolglos angefochten wurde. Nichtige Verwaltungsakte hingegen können nicht bestandskräftig werden, da sie von Anfang an unwirksam sind. Der Gebührenbescheid könnte trotz seiner Bestandskraft rechtswidrig sein.
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2. Die Bestandskraft hindert die Behörde daran, den Verwaltungsakt aufzuheben.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Behörde kann grundsätzlich auch einen unanfechtbar gewordenen Verwaltungsakt aufheben, wodurch dieser dann keine Wirkung mehr entfaltet. Die Aufhebung von Verwaltungsakten richtet sich nach den §§ 48ff. VwVfG. Wird ein rechtmäßiger Verwaltungsakt aufgehoben, liegt ein Widerruf vor (§ 49 VwVfG). Die Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsakt heißt Rücknahme (§ 48 VwVfG). B könnte den Gebührenbescheid grundsätzlich trotz der Bestandskraft zurücknehmen.

3. Der Gebührenbescheid ist rechtswidrig.

Ja, in der Tat!

Die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts kann sich daraus ergeben, dass (1) keine Ermächtigungsgrundlage bestand, (2) der Verwaltungsakt formell rechtswidrig und/oder (3) materiell rechtswidrig ergangen ist. Materielle Rechtswidrigkeit liegt vor, wenn der Tatbestand der Ermächtigungsgrundlage nicht erfüllt ist, die falsche Rechtsfolge gewählt wurde oder der Verwaltungsakt gegen höherrangiges Recht verstößt. Die Ermächtigungsgrundlage sieht hier nur eine Gebühr von 50 Euro vor. Die gewählte Rechtsfolge - Festsetzung einer Gebühr von 100 Euro - ist damit nur teilweise von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Der Verwaltungsakt ist (materiell) rechtswidrig.

4. Gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG muss die Behörde einen rechtswidrigen Verwaltungsakt zwingend zurücknehmen.

Nein!

Die Rücknahme von rechtswidrigen Verwaltungsakten richtet sich nach § 48 VwVfG. Gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG kann die Verwaltung einen rechtswidrigen Verwaltungsakt zurücknehmen. Durch diese Formulierung wird deutlich, dass die Verwaltung nicht jeden rechtswidrigen Verwaltungsakt zurücknehmen muss. Wäre dies der Fall, so liefen die gesetzlichen Klagefristen in vielen Fällen ins Leere. Im Sinne der Rechtssicherheit muss es der Verwaltung möglich sein, in Einzelfällen von der Rücknahme des Verwaltungsakts abzusehen. B ist nicht verpflichtet, den Gebührenbescheid zurückzunehmen. Sie muss lediglich eine ermessensfehlerfreie Entscheidung treffen. In der Praxis wird die Verwaltung aber wohl in der Regel rechtswidrige Verwaltungsakte aufheben, sofern kein besonderer Grund dafür besteht, dies nicht zu tun.
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