Öffentliches Recht

VwGO

Allgemeine Leistungsklage

LK unbegründet: Kein Anspruch auf Unterlassung / Folgenbeseitigung

LK unbegründet: Kein Anspruch auf Unterlassung / Folgenbeseitigung

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die zuständige Behörde B warnt öffentlich vor gesundheitsgefährdenden Stoffen in Rs Produkten. Die Gefährdung besteht tatsächlich. R ist über diese öffentliche "Bloßstellung" empört. Sie verklagt B darauf, die Warnung zu widerrufen. Die Klage ist zulässig.

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Einordnung des Falls

LK unbegründet: Kein Anspruch auf Unterlassung / Folgenbeseitigung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Im Rahmen der Begründetheit der allgemeinen Leistungsklage kommt es darauf an, ob es eine Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch gibt.

Genau, so ist das!

Die allgemeine Leistungsklage ist begründet, wenn ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung besteht. Der Anspruch auf das begehrte Realhandeln kann sich aus Gesetz, aus Verwaltungsakt, aus einem öffentlich-rechtlichen Rechtsgeschäft oder aus einem sonstigen, nach öffentlich-rechtlichen Normen relevanten Verhalten ergeben. Die allgemeine Leistungsklage ist vor allem für die gerichtliche Durchsetzung von Folgenbeseitigungs- und Unterlassungsansprüchen sehr relevant.
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2. R begehrt, dass B die Warnung widerruft. Gibt es eine Norm, die einen dahingehenden Anspruch ausdrücklich vorsieht?

Nein, das trifft nicht zu!

In Betracht kommt der allgemeine (öffentlich-rechtliche) Folgenbeseitigungsanspruch. Hat ein Hoheitsträger rechtswidrig in die subjektiven Rechte des Bürgers eingegriffen und wirkt dieser Eingriff weiterhin fort, kann der Bürger die Beseitigung dieser Fortwirkung (= Folgen) verlangen. Der allgemeine Folgenbeseitigungsanspruch wird aus Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. den im Einzelfall einschlägigen Freiheitsgrundrechten abgeleitet und ist allgemein anerkannt. Der Kläger macht oft die Beseitigung der gegenwärtig bestehenden Folgen des rechtswidrigen Handelns (= öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitiungsanspruch) zusammen mit dem öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch gerichtet auf das zukünftige Unterlassen des Verhaltens geltend. Die Anspruchsvoraussetzungen sind fast identisch.

3. Rs Folgenbeseitigungsanspruch ergibt sich aus einem Eingriff in ihre Rechte aus Art. 12 Abs. 1 GG.

Nein!

Der allgemeine Folgenbeseitigungsanspruch setzt voraus, dass (1) durch hoheitliches Handeln, in ein (2) subjektives Recht des Klägers eingegriffen wurde, dadurch ein (3) rechtswidriger andauernder Zustand geschaffen wurde, die Folge dem Handeln (4) unmittelbar zurechenbar ist und die (5) Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands möglich, rechtlich zulässig und zumutbar ist. Bs Warnung ist hoheitliches Handeln, kein Privathandeln. Nach der Rspr. des BVerfG ist die zutreffende und sachlich gehaltene staatliche Information der Marktteilnehmer zwecks Markttransparenz kein Eingriff in die Berufsfreiheit. Gerade mit Blick auf die Schutzpflicht, die den Staat gegenüber der Gesundheit der Verbraucher trifft. Art. 12 Abs. 1 GG begründet kein Recht eines Unternehmers, nur so von anderen dargestellt zu werden, wie er gesehen werden möchte. Dogmatisch wäre es sauberer, diese Argumente erst in der Rechtfertigung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu prüfen.

4. Es sind keine weiteren Anspruchsgrundlagen ersichtlich. Die allgemeine Leistungsklage ist unbegründet.

Genau, so ist das!

Die allgemeine Leistungsklage ist begründet, wenn ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung besteht. R hat keinen Folgenbeseitigungsanspruch gegen B. Es sind keine anderen Anspruchsgrundlagen ersichtlich, auf die R ihr Klagebegehren stützen könnte. R hat keinen Anspruch auf Widerruf der Warnungen. Die allgemeine Leistungsklage ist unbegründet.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Praetor

Praetor

9.5.2022, 21:28:27

Ist das nicht eher eine Frage der Verhältnismäßigkeit, ein Eingriff in Art. 12 oder 14 GG wäre doch grundsätzlich erst mal zu bejahen, oder?

Linne_Karlotta

Linne_Karlotta

17.5.2022, 18:28:15

Hallo Praetor, vielen Dank für Deine Nachfrage! Dein Ansatz ist dogmatisch in der Tat sauberer und wäre wohl in der Klausur auch so vertretbar. Der Fall orientiert sich an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 105, 252). In dieser Entscheidung geht das BVerfG davon aus, das marktbezogene Informationen des Staates keinen Eingriff in Art. 12 GG darstellen. Sogar dann nicht, wenn dadurch Umsatzeinbußen verursacht werden. Voraussetzung ist, dass die Information des Staates „ohne Verzerrung der Marktverhältnisse nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben für

staatliches Informationshandeln

erfolgt. Verfassungsrechtlich von Bedeutung sind dabei das Vorliegen einer staatlichen Aufgabe und die Einhaltung der Zuständigkeitsordnung sowie der Anforderungen an die Richtigkeit und Sachlichkeit von Informationen“ (BVerfGE 105, 252, Leitsatz 1). Ich hoffe, ich konnte Deine Frage damit beantworten. Ich werde auch noch einen Hinweis auf diese Entscheidung und ihre „dogmatische Schwäche“ in den Fall einfügen. Beste Grüße, Linne - für das Jurafuchs-Team

Linne_Karlotta

Linne_Karlotta

17.5.2022, 18:29:45

*dass ;)

Praetor

Praetor

17.5.2022, 23:20:55

Vielen Dank für die ausführlich Antwort! Und es ist ja bekannt, das die Rspr manchmal eher ergebnisorientiert ihre Urteile aufbaut 😅


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