Verwaltungsakt nach § 35 S. 1 VwVfG – belastende Verfügung (behördliches Verbot)


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Tierhalterin T hält mehrere Tiere in ihrem privaten Haushalt. Die Veterinäre der zuständigen Behörde haben über 14 Jahre hinweg Missstände bei Ernährung, Pflege und Haltung der Tiere festgestellt. Deshalb erlässt die Behörde ein Tierhaltungs- und Betreuungsverbot gegen T.

Einordnung des Falls

Verwaltungsakt nach § 35 S. 1 VwVfG – belastende Verfügung (behördliches Verbot)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Tierhaltungs- und Betreuungsverbot gegen T ist eine "hoheitliche Maßnahme" "einer Behörde" (§ 35 S. 1 VwVfG).

Ja, in der Tat!

Eine hoheitliche Maßnahme ist jedes einseitige öffentlich-rechtliche Handeln im Über-/ Unterordnungs-Verhältnis.Durch das Tierhaltungs- und Betreuungsverbot untersagt die Behörde der T auf Grundlage des Polizei- und Ordnungsrechts (hier Tierschutzrecht) einseitig ein bestimmtes Verhalten. Eine hoheitliche Maßnahme auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts liegt vor. Eine Behörde ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt (§ 1 Abs. 4 VwVfG). Laut Sachverhalt hat eine Behörde gehandelt.

2. Das Tierhaltungs- und Betreuungsverbot enthält eine "Regelung" für einen "Einzelfall" (§ 35 S. 1 VwVfG).

Ja!

Eine Maßnahme besitzt Regelungscharakter, wenn sie darauf gerichtet ist, eine verbindliche Rechtsfolge zu setzen, d.h. unmittelbar Rechte und Pflichten des Betroffenen zu begründen, zu ändern, aufzuheben, festzustellen oder zu verneinen.Das Tierhaltungs- und Betreuungsverbot ist darauf gerichtet, unmittelbar Rechte der T aufzuheben und ihr Pflichten aufzuerlegen. Eine "Regelung" ist gegeben. Diese betrifft auch einen "Einzelfall": Unter einer Einzelfall-Maßnahme versteht man jedenfalls eine konkret-individuelle Regelung. Das Merkmal „Einzelfall“ grenzt Verwaltungsakte von Rechtsnormen ab. Das Tierhaltungs- und Betreuungsverbot betrifft T konkret-individuell.

3. Das Tierhaltungs- und Betreuungsverbot hat "Außenwirkung" (§ 35 S. 1 VwVfG).

Genau, so ist das!

Außenwirkung hat die Maßnahme, wenn sie tatsächlich und beabsichtigt den verwaltungsinternen Bereich verlässt. Das Merkmal dient der Abgrenzung zu rein verwaltungsinternem Handeln, etwa innerdienstlichen Weisungen.Das Tierhaltungs- und Betreuungsverbot enthält eine Regelung der Behörde gegenüber der Bürgerin T, es hat tatsächliche und beabsichtigte "Außenwirkung" (§ 35 S. 1 VwVfG).

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EVA

evanici

9.9.2023, 20:20:21

Eigentlich könnte man das doch auch so sehen, dass hier eine abstrakt-individuelle Regelung vorliegt, da ja einer Person jegliche Tierhaltung, also eine unbestimmte Anzahl von Sachverhalten, verboten wird. Warum liegt hier kein verbotenes Einzelfallgesetz vor?

Paulah

Paulah

10.9.2023, 08:24:56

Ein Einzelfallgesetz gibt es nicht. Es gibt nur Gesetze, die auf einen Einzelfall angewendet werden. Vorliegend wurde aufgrund gesetzlicher Regelungen im Tierschutz eine Einzelfallentscheidung bezüglich der Tierhalterin T getroffen.

Dogu

Dogu

31.10.2023, 15:55:26

@[Paulah](135148) Das stimmt so nicht. Ersten sind Einzelfallgesetze denkbar und deswegen sind sie wie oben richtig ausgeführt verfassungsrechtlich in Deutschland nach Art. 19 I 1 GG grundsätzlich unzulässig (bei Enteignungen noch grds. möglich). Des Weiteren bezog sich die Frage auch nicht auf den betroffenen Personenkreis (und damit die Frage, ob eine individuelle oder generelle Regelung vorliegt), sondern ob es sich auf Sachverhaltsebene um eine abstrakte oder konkrete Regelung handelt. ME lässt es sich auch vertreten, bei einem dauerhaften Tierhaltungsverbot von einer abstrakten Regelung zu sprechen. Wird dagegen die Haltung des aktuell vorhandenen Tierbestandes untersagt, liegt eine konkrete Regelung näher.

Paulah

Paulah

1.11.2023, 09:27:52

Hallo Dogu, vielen Dank für deine Einwände! Die Frage von Evanici war, jedenfalls so wie ich es lese, ob h i e r eine abstrakt-individuelle Regelung oder ein Einzelgesetz vorliegt. Stimmt, das mit den Einzelfallgesetzen kann man nicht so absolut formulieren, wie ich es gemacht habe - auch wenn Einzelfallgesetze (hier passend zum Tierschutzfall) Ringeltauben sind. Hier (im vorliegenden Fall und das war die Frage) liegt aber keine vor. Das meinte ich auch, war aber vollkommen falsch (um nicht zu sagen ziemlich blöd) formuliert. H i e r liegt meiner Meinung nach auch keine abstrakt-individuelle Regelung vor. Im Sachverhalt steht ohne Einschränkung "Deshalb erlässt die Behörde ein Tierhaltungs- und Betreuungsverbot gegen T." Dort ist keine Einschränkung auf "diese" Tiere oder "die Tiere, die T schon hält" oder wie auch immer ersichtlich. Damit liegt, unabhängig von der potenziellen Möglichkeit des Haltungsverbots einer bestimmten Tierart i. S. d. § 20 I TierSchG, eine konkret-individuelle vor. § 20 I TierSchG sieht auch nicht das Haltungsverbot eines bestimmten Bestandes, sondern nur von "Tieren jeder oder einer bestimmten A r t". An einen Kommentar zum Tierschutzgesetz komme ich gerade nicht dran. Dort müsste man mal nachsehen, ob davon auch ein bestimmter Bestand erfasst ist. Der Wortlaut gibt das nicht her. Viele Grüße von Paula


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