Gutgläubiger Erwerb nach §§ 929 S. 1, 930, 933 BGB

5. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Schuster S übereignet der Bank B zur Sicherheit für einen Kredit eine Maschine. Diese steht im Eigentum des Unternehmens U. S ermächtigt B, die Maschine selbst an sich zu nehmen, sollte er die Raten nicht bedienen. Als die Kredittilgung ausbleibt, holt B sich die Maschine.

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Einordnung des Falls

Gutgläubiger Erwerb nach §§ 929 S. 1, 930, 933 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B hat Eigentum nach §§ 929 S. 1, 930 BGB erlangt.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Übereignung nach §§ 929 S. 1, 930 BGB setzt voraus: (1) Einigung, (2) Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses, (3) Einigsein, (4) Berechtigung. S und B haben sich über den Eigentumsübergang geeinigt. S und B haben durch die Sicherungsabrede auch ein Besitzmittlungsverhältnis vereinbart. S und B waren einig, dass das Eigentum an S übergehen soll. S war jedoch nicht verfügungsbefugt. Eigentümer der Maschine ist U.
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2. Darin, dass B sich die Maschine geholt hat, liegt eine Übergabe (§ 933 BGB).

Nein!

Die im Rahmen von § 933 BGB erforderliche Übergabe liegt auch vor, wenn der Erwerber die Sache mit Einverständnis des Veräußerers wegnimmt. Erforderlich ist jedoch, dass das Einverständnis im Zeitpunkt der Wegnahme geäußert wird. Ein früher erteiltes Einverständnis genügt nach Auffassung des BGH nicht. Die nach außen erkennbare Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers im Zeitpunkt der Besitzerlangung durch den Erwerber ist als Rechtsscheintatbestand notwendig, um den gutgläubigen Erwerb zu legitimieren.

3. B hat Eigentum nach §§ 929 S. 1, 930, 933 BGB erlangt, als er die Maschine in Besitz nahm.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der gutgläubige Erwerb nach §§ 929 S. 1, 930, 933 BGB setzt voraus: (1) Übereignung nach § 929 S. 1, 930 BGB, (2) fehlende Berechtigung des Veräußerers, (3) Übergabe der Sache vom Veräußerer an den Erwerber, § 933 BGB, (4) Gutgläubigkeit des Erwerbers im Zeitpunkt der Übergabe, § 932 Abs. 2 BGB, (5) Kein Abhandenkommen der Sache, § 935 BGB. Eine Übereignung nach § 929 S. 1, 930 BGB liegt mit Ausnahme der Verfügungsbefugnis des S vor. Jedoch hat S die Maschine nicht an B übergeben. B hat kein Eigentum erlangt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SVE

Sven

21.9.2020, 11:07:33

ch lese immer wieder, dass das Bild zum Sachverhalt dazugehört. Für mich stellt es sich entsprechend so dar, dass S es in diesem Fall duldet, dass B die Maschine an sich nimmt, während Us Maschine weggetragen wird, und damit auch Einverständnis im Zeitpunkt der Wegnahme vorliegt...

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

21.9.2020, 11:21:59

Hallo Sven, danke für den berechtigten Hinweis, wir haben die Illustration bearbeitet und S herausgenommen, jetzt sollte es klar sein :)

SVE

Sven

21.9.2020, 11:37:36

Wunderbar! Vielen Dank für eure schnelle Bearbeitung. :D Und überhaupt für eure Arbeit, ihr macht das klasse!

ANY

ANY

28.11.2021, 11:24:15

Die Grafik suggeriert allerdings auch, dass B das Eigentum des U an der Maschine bekannt ist. Gerade wenn man die Grafik mit dem Fall zuvor vergleicht, in dem sich B eine unbeschriftete bzw. mit S beschriftete Maschine vorstellt.

Rick-energie🦦

Rick-energie🦦

12.6.2022, 17:27:30

Kann mir jmd den Gedanken des BGH erläutern, warum eine vorherige Einigung, in Form der Bedingung, nicht ausreicht, wenn doch aber unstreitig ist, dass man sich dem Grundsatz nach antizipiert einigen kann?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

24.6.2022, 12:23:52

Hallo Rick-Dich, die Entscheidung (BGH NJW 1977, 42) beruhte letztlich wohl maßgeblich darauf, dass in dem streitgegenständlichen Fall zwar ursprünglich eine entsprechende Ermächtigung im Sicherungsvertrag erteilt wurde. Die tatsächlich erfolgte Wegnahme erfolgte dann aber ohne Wissen und ohne erneute Zustimmung der Schuldnerin, weswegen der BGH und die Vorinstanz die Annahme einer "Übergabe" ablehnten. Diese Entscheidung ist indes vereinzelt geblieben. In der Literatur wird dagegen vertreten, dass es durchaus ausreiche, wenn die Einwilligung zum Zeitpunkt der dinglichen EInigung erklärt werde. Solange sie nicht widerrufen werde, werde vermutet, dass die einmal erteilte Zustimmung fortbestehe (vgl. BeckOGK/Klinck, 1.6.2022, BGB § 933 Rn. 17). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Anastasia

Anastasia

8.8.2023, 21:08:20

Im wirtschaftlichen Leben könnte es öfter so sein, dass der zahlungsunfähig gewordene Schuldner (gleichzeitig Mieter/Leasingnehmer/Vorbehaltskäufer) zum Zeitpunkt der einseitigen Besitzerschaffung durch die Bank schon lange keinen Besitz an die streitigen Sachen hat. Im Ergebnis kommt dann der Bankangestellter in irgendwelche fremde Halle und nimmt sich die Sachen, über welche Schuldner eigentlich keine tatsächliche Herrschaft ausübt. In dieser Situation ist die Bank nicht schützenswert + ihm wird durch solche Auslegung die Umgehung des 930 durch vorherigen Absprachen unmöglich gemacht.

Anastasia

Anastasia

8.8.2023, 21:08:58

* Umgehung des 933

DO

Dominic

10.8.2023, 08:06:06

Vielleicht könntet ihr den Sachverhalt dahingehend präzisieren, dass B sich die Maschine holt, ohne noch einmal mit dem S zu sprechen. Ich weiß, dass auch die Zeichnung zum Sachverhalt gehört, aber so richtig deutlich wird das hier trotzdem nicht.

LO

Lorenz

10.8.2023, 11:48:15

Das habe ich auch gedacht. Nach lebensnaher Auslegung wird die Bank die Maschine ja nicht nachts aus dem Haus tragen, sondern tagsüber mit einer Spedition abholen. Dann wird zumindest eine

Duldungsvollmacht

vorliegen. Eine (Bau)Maschine, die einfach per Abschleppwagen vom Hof mitgenommen werden kann, wäre wahrscheinlich besser.

JEN

Jenny

2.2.2024, 06:44:10

Mir ist nicht ganz klar, weshalb man das erforderliche Einigsein im Rahmen des § 930 BGB bejaht, dann aber nur von einem früherem erteilten Einverständnis zur Wegnahme ausgeht und die für

§ 933 BGB

erforderliche Übergabe verneint. Natürlich sind das zwei verschiedene Richtungen des Willens, aber ist nicht in der Regel von einem Gleichlauf auszugehen?

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

4.12.2024, 11:18:57

Hallo @Jenny, inhaltlich kann man definitiv darüber diskutieren, wie überzeugend die Entscheidung des BGH (BGH NJW 1977, 42) hier ist. Deine Lösung halte ich iE mit entsprechender Argumentation nicht nur in einer Klausursituation für vertretbar, sondern auch mehrere Stimmen im Schrifttum lehnen die Entscheidung des BGH insoweit ab (zB Staudinger/Heinze, BGB, Neubarb 2020, § 933 Rn 21 f). Man wird dazu aber mE weniger auf einen "Gleichlauf" abstellen können, denn die Einigung iRd § 930 BGB bezieht sich nunmal auf die (zeitlich vorgelagerte!) Verschaffung des Eigentums und das Besitzkonstitut, wir haben haben hier aber über die (zeitlich spätere!) Frage der Übergabe iSd

§ 933 BGB

zu entscheiden. Man wird eher fragen müssen, warum nicht ein zeitlich vorgelagertes Einverständnis mit der späteren "Wegnahme" ausreichend ist. Falls der Schuldner/Sicherungsgeber sein Einverständnis bis zum maßgeblichen Zeitpunkt widerruft (was er kann), haben wir schon verbotene Eigenmacht und können damit den fehlenden Eigenumsübergang nach

§ 933 BGB

begründen. Falls er das nicht tut, scheidet verbotene Eigenmacht aus und es scheint schwer nachzuvollziehen, warum das Einverständnis dann nicht auch für eine Übergabe iSd

§ 933 BGB

ausreichen soll (so auch Staudinger/Heinze, BGB, Neubarb 2020, § 933 Rn 22, der aber selbst zugibt, insoweit wohl aA zu sein). Der BGH verlangt für die Übergabe dagegen ein klares und "erkennbares willentliches Handeln" bei der Beendigung des Besitzes (BGH NJW 1977, 42, 43). Eine einseitige Wegnahme durch den Sicherungnshmer, sei sie auch mit Einverständnis des Sicherungsgebers, reiche dazu eben nicht aus. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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