Zivilrecht
Sachenrecht
Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen
Gutgläubiger Erwerb nach §§ 929 S. 1, 930, 933 BGB
Gutgläubiger Erwerb nach §§ 929 S. 1, 930, 933 BGB
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Schuster S übereignet der Bank B zur Sicherheit für einen Kredit eine Maschine. Diese steht im Eigentum des Unternehmens U. S ermächtigt B, die Maschine selbst an sich zu nehmen, sollte er die Raten nicht bedienen. Als die Kredittilgung ausbleibt, holt B sich die Maschine.
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Einordnung des Falls
Gutgläubiger Erwerb nach §§ 929 S. 1, 930, 933 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. B hat Eigentum nach §§ 929 S. 1, 930 BGB erlangt.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Darin, dass B sich die Maschine geholt hat, liegt eine Übergabe (§ 933 BGB).
Nein!
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Sven
21.9.2020, 11:07:33
ch lese immer wieder, dass das Bild zum Sachverhalt dazugehört. Für mich stellt es sich entsprechend so dar, dass S es in diesem Fall duldet, dass B die Maschine an sich nimmt, während Us Maschine weggetragen wird, und damit auch Einverständnis im Zeitpunkt der Wegnahme vorliegt...
Eigentum verpflichtet 🏔️
21.9.2020, 11:21:59
Hallo Sven, danke für den berechtigten Hinweis, wir haben die Illustration bearbeitet und S herausgenommen, jetzt sollte es klar sein :)
Sven
21.9.2020, 11:37:36
Wunderbar! Vielen Dank für eure schnelle Bearbeitung. :D Und überhaupt für eure Arbeit, ihr macht das klasse!
ANY
28.11.2021, 11:24:15
Die Grafik suggeriert allerdings auch, dass B das Eigentum des U an der Maschine bekannt ist. Gerade wenn man die Grafik mit dem Fall zuvor vergleicht, in dem sich B eine unbeschriftete bzw. mit S beschriftete Maschine vorstellt.
Rick-energie🦦
12.6.2022, 17:27:30
Kann mir jmd den Gedanken des BGH erläutern, warum eine vorherige Einigung, in Form der Bedingung, nicht ausreicht, wenn doch aber unstreitig ist, dass man sich dem Grundsatz nach antizipiert einigen kann?
Lukas_Mengestu
24.6.2022, 12:23:52
Hallo Rick-Dich, die Entscheidung (BGH NJW 1977, 42) beruhte letztlich wohl maßgeblich darauf, dass in dem streitgegenständlichen Fall zwar ursprünglich eine entsprechende Ermächtigung im Sicherungsvertrag erteilt wurde. Die tatsächlich erfolgte Wegnahme erfolgte dann aber ohne Wissen und ohne erneute Zustimmung der Schuldnerin, weswegen der BGH und die Vorinstanz die Annahme einer "Übergabe" ablehnten. Diese Entscheidung ist indes vereinzelt geblieben. In der Literatur wird dagegen vertreten, dass es durchaus ausreiche, wenn die Einwilligung zum Zeitpunkt der dinglichen EInigung erklärt werde. Solange sie nicht widerrufen werde, werde vermutet, dass die einmal erteilte Zustimmung fortbestehe (vgl. BeckOGK/Klinck, 1.6.2022, BGB § 933 Rn. 17). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Anastasia
8.8.2023, 21:08:20
Im wirtschaftlichen Leben könnte es öfter so sein, dass der zahlungsunfähig gewordene Schuldner (gleichzeitig Mieter/Leasingnehmer/Vorbehaltskäufer) zum Zeitpunkt der einseitigen Besitzerschaffung durch die Bank schon lange keinen Besitz an die streitigen Sachen hat. Im Ergebnis kommt dann der Bankangestellter in irgendwelche fremde Halle und nimmt sich die Sachen, über welche Schuldner eigentlich keine tatsächliche Herrschaft ausübt. In dieser Situation ist die Bank nicht schützenswert + ihm wird durch solche Auslegung die Umgehung des 930 durch vorherigen Absprachen unmöglich gemacht.
Anastasia
8.8.2023, 21:08:58
* Umgehung des 933
Dominic
10.8.2023, 08:06:06
Vielleicht könntet ihr den Sachverhalt dahingehend präzisieren, dass B sich die Maschine holt, ohne noch einmal mit dem S zu sprechen. Ich weiß, dass auch die Zeichnung zum Sachverhalt gehört, aber so richtig deutlich wird das hier trotzdem nicht.
Lorenz
10.8.2023, 11:48:15
Das habe ich auch gedacht. Nach lebensnaher Auslegung wird die Bank die Maschine ja nicht nachts aus dem Haus tragen, sondern tagsüber mit einer Spedition abholen. Dann wird zumindest eine
Duldungsvollmachtvorliegen. Eine (Bau)Maschine, die einfach per Abschleppwagen vom Hof mitgenommen werden kann, wäre wahrscheinlich besser.
Jenny
2.2.2024, 06:44:10
Mir ist nicht ganz klar, weshalb man das erforderliche Einigsein im Rahmen des § 930 BGB bejaht, dann aber nur von einem früherem erteilten Einverständnis zur Wegnahme ausgeht und die für
§ 933 BGBerforderliche Übergabe verneint. Natürlich sind das zwei verschiedene Richtungen des Willens, aber ist nicht in der Regel von einem Gleichlauf auszugehen?
Sebastian Schmitt
4.12.2024, 11:18:57
Hallo @Jenny, inhaltlich kann man definitiv darüber diskutieren, wie überzeugend die Entscheidung des BGH (BGH NJW 1977, 42) hier ist. Deine Lösung halte ich iE mit entsprechender Argumentation nicht nur in einer Klausursituation für vertretbar, sondern auch mehrere Stimmen im Schrifttum lehnen die Entscheidung des BGH insoweit ab (zB Staudinger/Heinze, BGB, Neubarb 2020, § 933 Rn 21 f). Man wird dazu aber mE weniger auf einen "Gleichlauf" abstellen können, denn die Einigung iRd § 930 BGB bezieht sich nunmal auf die (zeitlich vorgelagerte!) Verschaffung des Eigentums und das Besitzkonstitut, wir haben haben hier aber über die (zeitlich spätere!) Frage der Übergabe iSd
§ 933 BGBzu entscheiden. Man wird eher fragen müssen, warum nicht ein zeitlich vorgelagertes Einverständnis mit der späteren "Wegnahme" ausreichend ist. Falls der Schuldner/Sicherungsgeber sein Einverständnis bis zum maßgeblichen Zeitpunkt widerruft (was er kann), haben wir schon verbotene Eigenmacht und können damit den fehlenden Eigenumsübergang nach
§ 933 BGBbegründen. Falls er das nicht tut, scheidet verbotene Eigenmacht aus und es scheint schwer nachzuvollziehen, warum das Einverständnis dann nicht auch für eine Übergabe iSd
§ 933 BGBausreichen soll (so auch Staudinger/Heinze, BGB, Neubarb 2020, § 933 Rn 22, der aber selbst zugibt, insoweit wohl aA zu sein). Der BGH verlangt für die Übergabe dagegen ein klares und "erkennbares willentliches Handeln" bei der Beendigung des Besitzes (BGH NJW 1977, 42, 43). Eine einseitige Wegnahme durch den Sicherungnshmer, sei sie auch mit Einverständnis des Sicherungsgebers, reiche dazu eben nicht aus. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team