Strafrecht

BT 5: Verkehrsdelikte

Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr, § 315b StGB

§ 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB: Ähnlicher, ebenso gefährlicher Eingriff – kein Schutzzweckzusammenhang

§ 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB: Ähnlicher, ebenso gefährlicher Eingriff – kein Schutzzweckzusammenhang

1. Juli 2025

8 Kommentare

4,6(18.892 mal geöffnet in Jurafuchs)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T schießt aus dem Seitenfenster auf den Pkw des O. Zwei Projektile durchschlagen die Karosserie (Wertminderung: €3.000). Es kommt weder zu einer Fahrzeugerschütterung noch ist O in seiner Fahrsicherheit beeinträchtigt.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

§ 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB: Ähnlicher, ebenso gefährlicher Eingriff – kein Schutzzweckzusammenhang

Dieser Fall lief bereits im 1./2. Juristischen Staatsexamen in folgenden Kampagnen
Examenstreffer Berlin/Brandenburg 2025

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem T auf das Fahrzeug des O schoss, hat er "einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff" verübt (§ 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB).

Genau, so ist das!

§ 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB erfasst ähnliche gefährliche Eingriffe und bildet damit einen Auffangtatbestand für verkehrsfremde Eingriffe, die eine mit § 315b Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB vergleichbare Gefährlichkeit aufweisen. Die Schüsse auf den Pkw des O sind nach ihrer Bedeutung und Gefährlichkeit mit den ausdrücklich aufgeführten Tathandlungen in § 315b Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB vergleichbar. Obgleich § 315b StGB grundsätzlich nur Außeneingriffe erfasst, ist es nach dem Schutzzweck der Vorschrift gleichgültig, dass T die Schüsse nicht von außen her, sondern aus einem in Fahrt befindlichen Fahrzeug abgegeben hat.
Strafrecht-Wissen in 5min testen
Teste mit Jurafuchs kostenlos dein Strafrecht-Wissen in nur 5 Minuten.

2. Indem T auf das Fahrzeug des O schoss, hat er "die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt" (§ 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB).

Ja, in der Tat!

"Zwischenerfolg" des § 315b StGB ist die (abstrakte) Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs. Diese ist eingetreten, wenn der Eingriff sich störend auf Verkehrsvorgänge auswirkt und so zu einer Steigerung der allgemeinen Verkehrsgefahr führt. Die (im öffentlichen Verkehrsraum) auf das Fahrzeug des O abgegebenen Schüsse haben die normale Verkehrsgefahr erheblich gesteigert.

3. Es bestand eine "konkrete Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert" (§ 315b Abs. 1 Hs. 2 StGB).

Ja!

Eine konkrete Gefährdung liegt vor, wenn es zu einer Schädigung oder einem Beinahe-Unfall kommt. Fremde Sache von bedeutendem Wert ist jede täterfremde Sache, die einen bedeutenden Verkehrswert hat, der mindestens in dieser Höhe durch die Tat verringert worden ist oder verringert zu werden drohte. Während in der Lit. die Wertuntergrenze teilweise bei €1.000 oder €1.300 gezogen wird, nehmen Rspr. und h.L. einen bedeutenden Wert ab €750 an. Die eingetretene Wertminderung (€3.000) am für T fremden Pkw des O zeigt, dass ein taugliches Gefährdungsobjekt (als Zwischenstadium) in konkrete Gefahr geraten war.

4. Der Schutzzweckzusammenhang ist gewahrt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Zwar ist eine zeitliche Zäsur zwischen Eingriff und Gefahrerfolg nicht erforderlich. Jedoch wird nicht jede Sachbeschädigung im Straßenverkehr dem nötigen Schutzzweckzusammenhang gerecht. Diesem ist nur genügt, wenn der Gefahrerfolg noch als verkehrsspezifisch angesehen werden kann. Dafür muss sich die Gefahr jedenfalls auch auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte (Dynamik des Straßenverkehrs) zurückführen lassen. Hier beruhte die Gefahr nicht auf der Eigendynamik der Pkw, sondern ausschließlich auf der (durch die Schüsse freigesetzten) Dynamik der einschlagenden Projektile.

5. Der Versuch der Vorsatztat aus § 315b Abs. 1 StGB ist straflos.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 StGB). Der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr ist ein Vergehen (§§ 12 Abs. 2, 315b Abs. 1 StGB). § 315b Abs. 2 StGB bestimmt, dass der Versuch strafbar ist.
Dein digitaler Tutor für Jura
Strafrecht-Wissen testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

1.4.2021, 15:39:59

Warum der BGH im vorherigen (zugegeben viel früher entschiedenen) Fall nicht auch den

Schutzzweckzusammenhang

verneint hat, erschließt sich mit irgendwie nicht 🤔

Sambadi

Sambadi

17.4.2022, 22:36:13

Im Sachverhalt des vorherigen Falles steht, dass dadurch Os Fahrtsicherheit beeinträchtigt war. Daher bestand gerade eine

verkehrsspezifische Gefahr

. Hätte T die O außerhalb des Verkehrs angeschossen, würde keine

konkrete Gefahr

für ihr Leib und Leben (durch einen Unfall verursacht!) vorliegen. Daher besteht dort der

Schutzzweckzusammenhang

. Wenn T in diesem Fall die Projektile außerhalb des Verkehrs auf das Auto abgegeben hätte, wäre trotzdem eine

konkrete Gefahr

(als Zwischenstadium) für eine Sache von bedeutenden Wert eingetreten (die sich ja dann auch tatsächlich realisiert hat). Das ist der entscheidende Unterschied hier

Sambadi

Sambadi

17.4.2022, 22:37:34

Weiß nicht ob dir diese Info 1 Jahr später noch weiter hilft, aber ich wollte mal mein Senf dazugeben 😅

VERA9

Vera99

17.5.2024, 15:06:06

Warum bestand bei der auf der Straße fixierten O in einem vorherigen Fall keine

konkrete Gefahr

für sie selber, weil sie das Hindernis darstellte, aber in diesem Fall liegt eine

konkrete Gefahr

für O vor, obwohl die Gefährlichkeit von der verminderten Fahrtüchtigkeit des O infolge der Schussverletzung selber ausging?

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

4.3.2025, 14:21:24

Hallo @[Vera99](225640), dein Kommentar gehört eigentlich zum Fall davor: https://applink.jurafuchs.de/GonsAdpMsRb Dort liegt eine

konkrete Gefahr

nicht deshalb vor, weil der O durch den Schuss vermindert fahrtüchtig ist, sondern schlicht weil der O durch die entstandene Verkehrsgefahr am Körper verletzt wurde. Die Tatsache, dass er hierdurch in seiner Fahrtüchtigkeit gemindert ist, ist hingegen nur auf Ebene des

Schutzzweckzusammenhang

s relevant. Der Unterschied zu einem Fall, in dem eine Gefahr für denjenigen, der das Hindernis selbst darstellt, verneint, liegt darin, dass der Täter selbst nicht zugleich Tatobjekt sein kann. Mit der gleichen Argumentation bleiben auch Gefahren für den Pkw des Täters bei

§ 315c StGB

außer Betracht, dieser ist Tatmittel und nicht zugleich gefährdetes Tatobjekt. Liebe Grüße, Tim - für das Jurafuchs-Team

AME

Amelie7

17.4.2025, 14:42:45

Lief heute im Examen in Berlin

Linne Hempel

Linne Hempel

24.4.2025, 12:40:36

Hallo Amelie7, vielen Dank für Deinen Hinweis! Es ist großartig zu hören, dass einer unserer Fälle tatsächlich im Examen dran kam. Wir haben diese Information notiert und werden sie in unserer App entsprechend kennzeichnen, um die Examensrelevanz für die Community sichtbar zu machen. Deine Rückmeldung hilft uns, die Vorbereitung für alle Nutzer zielgerichteter zu gestalten und die Qualität unserer Inhalte stetig zu verbessern. Wir werden diesen Thread als erledigt markieren, sobald die Kennzeichnung in der App sichtbar ist. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team

OKA

okalinkk

24.5.2025, 22:29:15

ist das hier dann ein

untauglicher Versuch

oder nicht vielmehr ein

Wahndelikt

? letztlich kann der Täter sich doch schon rechtlich gar nicht nach

315b

strafbar machen, wenn er aus dem Auto schiesst. Ich hätte daher ein

strafloses Wahndelikt

angenommen.


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Strafrecht-Wissen testen