Strafrecht

BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.

Mord, § 211 StGB

Täter tötet aus Habgier, Teilnehmer weiß von nichts

Täter tötet aus Habgier, Teilnehmer weiß von nichts

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

T bringt seine Mutter M um, da er frühzeitig erben möchte. Sein Cousin C leistet ihm dabei Hilfe, ohne selbst materielle Vorteile zu erstreben. C weiß nichts davon, dass T aus Gewinnstreben handelt.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Täter tötet aus Habgier, Teilnehmer weiß von nichts

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat die M aus "Habgier" (§ 211 Abs. 2 Gr. 1 Var. 3 StGB) getötet.

Ja!

Habgier ist das gesteigerte abstoßende Gewinnstreben um jeden Preis, auch um den eines Menschenlebens. T hat die O getötet, um frühzeitig zu erben. Er erfüllt das Mordmerkmal der Habgier und ist aus § 211 Abs. 2 Gr. 1 Var. 3 StGB zu bestrafen.
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2. Nach der Literaturmeinung hat sich C wegen Beihilfe zum Mord (§§ 211 Abs. 2 Gr. 1 Var. 3, 27 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.

Nein, das ist nicht der Fall!

Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) setzt (1) eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat, (2) eine taugliche Teilnehmerhandlung (Hilfeleistung) und (3) den "doppelten Teilnehmervorsatz" (bezüglich der Haupttat und der Hilfeleistung) voraus sowie (4) rechtswidriges und schuldhaftes Handeln des Hilfeleistenden. Hier liegt zwar der Mord als Haupttat vor und C hat auch Hilfe geleistet, jedoch hatte der C keinen doppelten Teilnehmervorsatz bezüglich eines Mordes. Es liegt lediglich eine Beihilfe zum Totschlag (§§ 212 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB) vor, welche auch durch eine Anwendung von § 28 Abs. 2 StGB nicht zu einer Beihilfe zum Mord wird. Die Habgier bei T ist unbeachtlich für die Strafbarkeit des C, denn nach § 28 Abs. 2 StGB muss das Mordmerkmal als besonderes persönliches Merkmal bei dem Beteiligten vorliegen. C handelte nicht aus Habgier.

3. Nach der Rechtsprechung hat sich C wegen Beihilfe zum Totschlag (§§ 212 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.

Ja, in der Tat!

Die Rechtsprechung wendet zwar grundsätzlich § 28 Abs. 1 StGB an. § 28 Abs. 1 StGB kommt jedoch nur dann zur Anwendung, wenn sich der Teilnehmervorsatz auf das Mordmerkmal des Haupttäters bezieht. Vorliegend entfällt bereits der Teilnehmervorsatz in Bezug auf die Haupttat des Mordes. Es kommt somit nur eine Beihilfe zum Totschlag (§§ 212 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB) in Betracht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MO

Mona32145

30.7.2020, 07:17:06

Wird C nach der Rechtsprechung nicht nach 211,27 StGB bestraft?

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

30.7.2020, 08:32:58

Hallo Mona, danke für die Frage! Hier scheitert § 211 nach Ansicht des BGH daran, dass C keine Kenntnis vom Mordmerkmal "

Habgier

" des Haupttäters hat (also auch keinen

Gehilfenvorsatz

diesbezüglich). Nach der h.L. (§ 28 II) scheitert §§ 212, 211 daran, dass bei C selbst keine Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe vorliegen und der Haupttäter auch kein Mordmerkmal der 2. Gruppe verwirklicht.

FL

Flohm

22.8.2023, 09:36:42

Wieso liegt hier bei der Rspr. Beihilfe zum Totschlag vor, wenn die Rspr. 211 und 212 doch als eigene Tatbestände ansieht? Nur weil man die Beihilfe zum Mord verneint ist man doch dann nicht automatisch beim Totschlag

LELEE

Leo Lee

25.8.2023, 10:44:14

Hallo Flohm, der § 211 BGB ist - wie du zu Recht anmerkst - ein eigener Tatbestand. Beachte jedoch, dass bei der Beihilfe auch immer ein

Vorsatz

bzgl. der Haupttat nötig ist. Und die Haupttat des Mordes (als eigener TB) ist eben eine Tötung + Mordmerkmal. D.h., der

Vorsatz

des Teilnehmers muss sich neben der Tötung auch auf das Mordmerkmal beziehen. Und da gem. § 15 StGB der

Vorsatz

auch das Wissenselement inkludiert, muss der Hintermann auch wissen, dass der Vordermann ein Mordmerkmal erfüllt (und eben nicht "nur" tötet). Deshalb fordert - wie die Literatur - auch die Rechtsprechung, dass bei einer Beihilfe zum Mord der Hintermann wenigstens die Mordmerkmale (auch wenn er sie nicht selbst verwirklicht) des Vordermanns kennt, um

Vorsatz

diesbzgl. zu haben. Da hier der C nicht weiß, dass T aus

Habgier

handelt, hatte er

Vorsatz

nur bzgl. der Tötung an sich und somit Teilnehmer

vorsatz

hinsichtlich "nur" Totschlags :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

FL

Flohm

25.4.2024, 12:55:19

Soweit so klar, aber was nimmt man dann als tb, rw Haupttat an nach der Rspr. ? Den §211 und sagt, dass der den §212 beinhaltet oder muss ich den §212 beim Haupttäter erst nochmal prüfen ?

AN

Anja

23.5.2024, 19:36:01

Das ist genau der Widerspruch, zu dem die Rspr. gelangt, obwohl es sich nach ihrer Meinung um eigenständige Tatbestände handelt und eine Strafbarkeit des Teilnehmers wegen der fehlenden Kenntnis des subjektiven Mordmerkmals und des allgemeinen Akzessoritätsprinzips eigentlich entfallen müsste, nimmt sie eine Strafbarkeit wegen Teilnahme am Totschlag an.

Ala

Ala

14.6.2024, 15:18:52

Also das ist ja tatsächlich sehr unkonsequent von der Rechtsprechung - unbefriedigende Lösung😣 Danke für die Erklärung!

TI

Timurso

19.7.2024, 10:19:33

Die Rechtsprechung ist in jeder Hinsicht inkonsequent was die Frage Verhältnis Mord/Totschlag angeht.

DIAA

Diaa

27.8.2023, 09:20:51

Ich verstehe gerade nicht, wieso bei dem Teilnehmer ein

Vorsatz

in Bezug auf das Mordmerkmal vorliegen muss, wenn der BGH sowieso sagt, dass seine Strafbarkeit von der Haupttat abhängt? Dann ist ja dieser Streit sinnlos, wenn der BGH auch eine Strafbarkeit ablehnt, nur weil der Teilnehmer keinen

Vorsatz

bzgl. des Mordmerkmales hatte...

JURA

juramk

28.8.2023, 12:32:06

Hier kommen die Meinungen zum gleichen Ergebnis, weil C der doppelte Teilnehmer

vorsatz

fehlt und er den subjektiven Tatbestand von §§ 211, 27 daher gar nicht erfüllt. Der Unterschied zur Literaturmeinung liegt darin, dass eine Behilfe zum Mord auch möglich ist, wenn der Teilnehmer selbst kein Mordmerkmal erfüllt. Auch nach der Rechtsprechung müssen aber die normalen Voraussetzungen der Teilnahme vorliegen, insbesondere der doppelte Teilnehmer

vorsatz

. Eine Beihilfe zum Mord scheidet auch nach der Rspr. aus, wenn der Teilnehmer das Vorliegen des Mordmerkmals im Haupttäter nicht kennt und daher keinen

Vorsatz

bzgl. der Haupttat hat. Zumindest hab ich das so verstanden.

AME

Amelie7

30.10.2024, 11:56:06

Wie wäre das in einer Prüfung aufzubauen?

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

30.10.2024, 15:48:11

Hallo @[Amelie7](262107), das ist eine recht allgemein gehaltene Frage. Wie wäre was genau in einer Prüfung aufzubauen? Ich gehe mal vom gesamten Fall aus. Wir würden zweckmäßigerweise mit dem Tatnächsten beginnen, also dem Mord des T an M. Nachdem wir den bejaht haben, prüfen wir die Beihilfe durch C, zunächst zum Mord, anschließend zum Totschlag. IRd Merkmals "vorsätzliche rechtswidrige Haupttat" (§ 27 I StGB) können wir schlicht nach oben verweisen. Anderenfalls, wenn wir mit C beginnen würden, müssten wir den Mord des T unschön inzident prüfen und könnten uns obendrein in unserer eigenen Prüfung "verheddern". Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

AME

Amelie7

5.11.2024, 11:17:02

Prüft man dann bei T Mord und (kurz) Totschlag, verneinen dann bei C den

Vorsatz

bezüglich des Mordes und prüfen dann die Beihilfe zum Totschlag? Nach der Rspr. wären Mord und Totschlag ja unterschiedliche Delikte, so dass man nicht einfach aufgrund der Prüfung zum Mord bei T bei C dann eine Beihilfe zum Totschlag prüfen kann, oder?


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