Strafrecht
BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.
Mord, § 211 StGB
Täter tötet aus Habgier, Teilnehmer weiß von nichts
Täter tötet aus Habgier, Teilnehmer weiß von nichts
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T bringt seine Mutter M um, da er frühzeitig erben möchte. Sein Cousin C leistet ihm dabei Hilfe, ohne selbst materielle Vorteile zu erstreben. C weiß nichts davon, dass T aus Gewinnstreben handelt.
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Einordnung des Falls
Täter tötet aus Habgier, Teilnehmer weiß von nichts
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat die M aus "Habgier" (§ 211 Abs. 2 Gr. 1 Var. 3 StGB) getötet.
Jurastudium und Referendariat.
2. Nach der Literaturmeinung hat sich C wegen Beihilfe zum Mord (§§ 211 Abs. 2 Gr. 1 Var. 3, 27 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Nach der Rechtsprechung hat sich C wegen Beihilfe zum Totschlag (§§ 212 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Mona32145
30.7.2020, 07:17:06
Wird C nach der Rechtsprechung nicht nach 211,27 StGB bestraft?
Eigentum verpflichtet 🏔️
30.7.2020, 08:32:58
Hallo Mona, danke für die Frage! Hier scheitert § 211 nach Ansicht des BGH daran, dass C keine Kenntnis vom Mordmerkmal "
Habgier" des Haupttäters hat (also auch keinen
Gehilfenvorsatzdiesbezüglich). Nach der h.L. (§ 28 II) scheitert §§ 212, 211 daran, dass bei C selbst keine Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe vorliegen und der Haupttäter auch kein Mordmerkmal der 2. Gruppe verwirklicht.
Flohm
22.8.2023, 09:36:42
Wieso liegt hier bei der Rspr. Beihilfe zum Totschlag vor, wenn die Rspr. 211 und 212 doch als eigene Tatbestände ansieht? Nur weil man die Beihilfe zum Mord verneint ist man doch dann nicht automatisch beim Totschlag
Leo Lee
25.8.2023, 10:44:14
Hallo Flohm, der § 211 BGB ist - wie du zu Recht anmerkst - ein eigener Tatbestand. Beachte jedoch, dass bei der Beihilfe auch immer ein
Vorsatzbzgl. der Haupttat nötig ist. Und die Haupttat des Mordes (als eigener TB) ist eben eine Tötung + Mordmerkmal. D.h., der
Vorsatzdes Teilnehmers muss sich neben der Tötung auch auf das Mordmerkmal beziehen. Und da gem. § 15 StGB der
Vorsatzauch das Wissenselement inkludiert, muss der Hintermann auch wissen, dass der Vordermann ein Mordmerkmal erfüllt (und eben nicht "nur" tötet). Deshalb fordert - wie die Literatur - auch die Rechtsprechung, dass bei einer Beihilfe zum Mord der Hintermann wenigstens die Mordmerkmale (auch wenn er sie nicht selbst verwirklicht) des Vordermanns kennt, um
Vorsatzdiesbzgl. zu haben. Da hier der C nicht weiß, dass T aus
Habgierhandelt, hatte er
Vorsatznur bzgl. der Tötung an sich und somit Teilnehmer
vorsatzhinsichtlich "nur" Totschlags :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo
Flohm
25.4.2024, 12:55:19
Soweit so klar, aber was nimmt man dann als tb, rw Haupttat an nach der Rspr. ? Den §211 und sagt, dass der den §212 beinhaltet oder muss ich den §212 beim Haupttäter erst nochmal prüfen ?
Anja
23.5.2024, 19:36:01
Das ist genau der Widerspruch, zu dem die Rspr. gelangt, obwohl es sich nach ihrer Meinung um eigenständige Tatbestände handelt und eine Strafbarkeit des Teilnehmers wegen der fehlenden Kenntnis des subjektiven Mordmerkmals und des allgemeinen Akzessoritätsprinzips eigentlich entfallen müsste, nimmt sie eine Strafbarkeit wegen Teilnahme am Totschlag an.
Ala
14.6.2024, 15:18:52
Also das ist ja tatsächlich sehr unkonsequent von der Rechtsprechung - unbefriedigende Lösung😣 Danke für die Erklärung!
Timurso
19.7.2024, 10:19:33
Die Rechtsprechung ist in jeder Hinsicht inkonsequent was die Frage Verhältnis Mord/Totschlag angeht.
Diaa
27.8.2023, 09:20:51
Ich verstehe gerade nicht, wieso bei dem Teilnehmer ein
Vorsatzin Bezug auf das Mordmerkmal vorliegen muss, wenn der BGH sowieso sagt, dass seine Strafbarkeit von der Haupttat abhängt? Dann ist ja dieser Streit sinnlos, wenn der BGH auch eine Strafbarkeit ablehnt, nur weil der Teilnehmer keinen
Vorsatzbzgl. des Mordmerkmales hatte...
juramk
28.8.2023, 12:32:06
Hier kommen die Meinungen zum gleichen Ergebnis, weil C der doppelte Teilnehmer
vorsatzfehlt und er den subjektiven Tatbestand von §§ 211, 27 daher gar nicht erfüllt. Der Unterschied zur Literaturmeinung liegt darin, dass eine Behilfe zum Mord auch möglich ist, wenn der Teilnehmer selbst kein Mordmerkmal erfüllt. Auch nach der Rechtsprechung müssen aber die normalen Voraussetzungen der Teilnahme vorliegen, insbesondere der doppelte Teilnehmer
vorsatz. Eine Beihilfe zum Mord scheidet auch nach der Rspr. aus, wenn der Teilnehmer das Vorliegen des Mordmerkmals im Haupttäter nicht kennt und daher keinen
Vorsatzbzgl. der Haupttat hat. Zumindest hab ich das so verstanden.
Amelie7
30.10.2024, 11:56:06
Wie wäre das in einer Prüfung aufzubauen?
Sebastian Schmitt
30.10.2024, 15:48:11
Hallo @[Amelie7](262107), das ist eine recht allgemein gehaltene Frage. Wie wäre was genau in einer Prüfung aufzubauen? Ich gehe mal vom gesamten Fall aus. Wir würden zweckmäßigerweise mit dem Tatnächsten beginnen, also dem Mord des T an M. Nachdem wir den bejaht haben, prüfen wir die Beihilfe durch C, zunächst zum Mord, anschließend zum Totschlag. IRd Merkmals "vorsätzliche rechtswidrige Haupttat" (§ 27 I StGB) können wir schlicht nach oben verweisen. Anderenfalls, wenn wir mit C beginnen würden, müssten wir den Mord des T unschön inzident prüfen und könnten uns obendrein in unserer eigenen Prüfung "verheddern". Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Amelie7
5.11.2024, 11:17:02
Prüft man dann bei T Mord und (kurz) Totschlag, verneinen dann bei C den
Vorsatzbezüglich des Mordes und prüfen dann die Beihilfe zum Totschlag? Nach der Rspr. wären Mord und Totschlag ja unterschiedliche Delikte, so dass man nicht einfach aufgrund der Prüfung zum Mord bei T bei C dann eine Beihilfe zum Totschlag prüfen kann, oder?