Unterlassen (Pflicht zur Handlung aus Ingerenz)
12. Februar 2025
4 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A fährt nachts auf der Landstraße. Dabei übersieht sie B, der am Fahrbahnrand sein Fahrrad schiebt und fährt ihn an. Anstatt sich um den verletzten und bewusstlosen B zu kümmern, ergreift A die Flucht. B wird von einem LKW überfahren und stirbt.
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Einordnung des Falls
Unterlassen (Pflicht zur Handlung aus Ingerenz)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A hat das Leben des B durch Unterlassen verletzt.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ein Unterlassen ist nur rechtlich relevant, wenn eine Pflicht bestand, tätig zu werden.
Ja, in der Tat!
3. A ist Garant für Bs Wohlergehen.
Ja!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Maitre68
2.4.2024, 11:44:00
Könnte man hier auch argumentieren, dass die RGV auf dem aktiven Tun der Schädigerin beruht? Also auf dem Anfahren? Es gibt einen ähnlichen Fall hier in der App, wo es um die Kausalitätsfrage geht und in von einem „Kettenschaden“ gesprochen wird. LG Maitre

Steinfan
5.4.2024, 15:44:37
Ich denke ja. Im Ergebnis macht das wahrscheinlich keinen großen Unterschied. Da es sich um eine mittelbare Verletzung handelt, müsste hier dann eine
Verkehrssicherungspflichtverletzung geprüft werden. Im Gegensatz zum Strafrecht ist es hier aber nach meinem Verständnis nicht so relevant, ob nun an das aktive Tun oder an das spätere Unterlassen angeknüpft wird, da sich hieran keine unterschiedlichen Rechtsfolgen anschließen. Im Strafrecht hingegen wäre die Abgrenzung wegen der Milderung nach §
13 StGBwichtig.

Simon
30.6.2024, 00:05:10
Ebenso wie im Strafrecht ist auch im Zivilrecht für die Abgrenzung von Tun und Unterlassen auf den
Schwerpunkt der Vorwerfbarkeitabzustellen. Zwar wurde hier durch aktives Tun eine Gefahrenlage geschaffen, aufgrund des Zeitraums bis zum Überfahren durch den Lkw, ist Schwerpunkt mE aber das Unterlassen. Denn auch wenn das Anfahren nicht
rechtswidrigoder
schuldhaft gewesen sein sollte, so hat A doch zurechenbar eine Gefahr geschaffen, die sie (zumutbar) beseitigen kann und muss.
benjaminmeister
14.1.2025, 21:59:06
@[Maitre68](239400) der JF-Fall ist dafür zu ungenau. Wenn die Schädigerin das Opfer schon durch das Anfahren getötet hat (also nach dem Anfahren eine Rettung nicht möglich gewesen wäre; im Text war nur von bewusstlos die Rede, aber hätte ja auch ohne LKW bereits später im Tod enden können) und angenommen das Anfahren ohne Ver
schulden wäre (und auch keine Betriebsgefahr oä), dann würde die Fahrerin hier mMn sogar gar nicht haften, wenn sie anschließend die Hilfe unterlässt, weil diese nicht kausal zum Tod geführt hätte. Dazu gibts schöne Fälle bei den Strafrechtsaufgaben. Der Fall hier ist leider sehr verkürzt/ungenau.