Grundfall zu verschiedenen Ausprägungen

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Polizei sucht mittels Fahndungsplakaten nach Gauner G. Darauf veröffentlicht sie Bilder vom Gesicht des G sowie persönliche Daten des G. Bilder und Daten hat die Polizei erlangt, indem sie heimlich Tagebücher des G durchforstet hat.

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Einordnung des Falls

Grundfall zu verschiedenen Ausprägungen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Grundgesetz schützt den G vor Maßnahmen durch die Polizei, die seine Persönlichkeit beeinträchtigen.

Ja!

Das Grundgesetz enthält ein allgemeines Persönlichkeitsrecht. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) schützt die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen. Es gewährleistet dem einzelnen Grundrechtsträger einen Freiraum gegenüber dem Staat. In diesem ist der Grundrechtsträger grundsätzlich vor staatlichen Beeinträchtigungen seiner Persönlichkeit geschützt. G ist als Grundrechtsträger über Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG vor Beeinträchtigungen seiner Persönlichkeit durch die Polizei geschützt.
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2. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) enthält unterschiedliche Gewährleistungsgehalte.

Genau, so ist das!

Die Rechtsprechung hat unterschiedliche Gewährleistungsgehalte herausgearbeitet und dazu Fallgruppen entwickelt: Unter anderem das Recht auf selbstbestimmte Entfaltung der Persönlichkeit, das Recht auf Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit, den Schutz der Vertraulichkeit sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das BVerfG betont aber die grundsätzliche Entwicklungsoffenheit des APR. Auch andere Systematisierungen und Einteilungen der Fallgruppen sind verbreitet. Sie sind nicht trennscharf voneinander abzugrenzen, sondern mit Blick auf den Schutzbedarf im Einzelfall zu bestimmen. Dir sollten wesentliche Ausprägungen des Schutzbereichs in unterschiedlichen Fallkonstellationen bekannt sein.

3. Der sachliche Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) ist bezüglich der Veröffentlichung der privaten Bilder von G eröffnet.

Ja, in der Tat!

Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG schützt in seiner Ausprägung als Recht auf Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit das Recht am eigenen Bild und das Recht am eigenen Wort. Das Recht am eigenen Bild gewährleistet dem Einzelnen Einflussmöglichkeiten bezüglich der Veröffentlichung von Abbildungen seiner Person. Die Polizei hat ohne Einverständnis des G Bilder mit dessen Gesicht und damit Abbildungen seiner Person veröffentlicht. G ist damit in seinem Recht auf Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit, speziell im Recht am eigenen Bild, betroffen.

4. Der sachliche Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) ist zudem bezüglich der Veröffentlichung der persönlichen Daten des G eröffnet.

Ja!

Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistet in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung dem Einzelnen die Befugnis, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Die Polizei hat ohne Einverständnis des G dessen persönliche Daten veröffentlicht. G wurde damit in seiner Befugnis beschränkt, über die Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Er ist damit in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen.

5. Der sachliche Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) ist bezüglich der Durchforstung der Tagebücher durch die Polizei eröffnet.

Genau, so ist das!

Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG schützt zudem die Privat- und Intimsphäre. Dieser Vertraulichkeitsschutz umfasst unter anderem Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsgehalts typischerweise als privat eingestuft werden. In einem Tagebuch finden sich typischerweise private Aufzeichnungen. Das unbefugte Durchforsten des Tagebuchs des G stellt deshalb eine Beeinträchtigung von dessen Privatsphäre dar.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

L

L

11.12.2021, 15:13:09

Möglicherweise erübrigt sich meine Frage bereits in den nächsten Unterkapiteln: Wie sähe es hier grob bezüglich der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung aus?

Wendelin Neubert

Wendelin Neubert

13.12.2021, 17:58:18

Hallo L, berechtigte Frage, die wir in der Tat im Unterkapitel zur Rechtfertigung behandeln werden. Schon mal vorab: Qualifiziert man die Tagebuchaufzeichnungen als Privatsphäre, bedarf es zur Rechtfertigung des Eingriffs der Abwägung. Diese ist bei strafprozessualen und gefahrenabwehrrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen typischerweise vorgeprägt durch die Tatbestandsvoraussetzungen der jeweiligen

Ermächtigungsgrundlage

(vgl. z.B. §§ 98, 102, 105 StPO). Danach müssen für Eingriffe in die Privatsphäre regelmäßig besonders hohe Schutzgüter im Raum stehen. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit kommt es dann noch zur Abwägung der gegenüberstehenden

Rechtsgüter

im konkreten Einzelfall. Werden Informationen erlangt, die durch die Intimsphäre geschützt sind und deshalb dem unantastbaren Kernbereich privater Lebensführung zuzuordnen sind, können diese Eingriffe nicht gerechtfertigt werden. Dies wird auch einfachgesetzlich nachvollzogen (vgl. z.B. § 100d StPO). Hoffe das hilft! Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team

L

L

13.12.2021, 18:10:04

Danke vielmals! 👍

Evan Bermel

Evan Bermel

30.5.2022, 12:34:37

Muss man immer ein richterliche Beschluß haben als Polizist, um sowas wie Tagebücher zu durchforsten? Genügt ein einfaches Durchsuchungserlass vom Richter?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

7.6.2022, 17:35:42

Hallo Evan Bermel, grundsätzlich ist ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss erforderlich, dabei wird nicht unterschieden zwischen unterschiedlichen Arten von Beschlüssen - § 105 StPO. Einzig bei

Gefahr im Verzug

liegt die Anordnungskompetenz für eine Durchsuchung bei der Staatsanwaltschaft und ihren

Ermittlungsperson

en. Tagebücher können einem

Beschlagnahmeverbot

gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG unterliegen, wenn die Verwertung einen Verstoß darstellen würde. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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