Zivilrechtliche Nebengebiete

Handelsrecht

Vertretung des Kaufmanns

Erteilung der Prokura, § 48 Abs. 1 HGB, beschränkt Geschäftsfähige

Erteilung der Prokura, § 48 Abs. 1 HGB, beschränkt Geschäftsfähige

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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G ist Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der X-GmbH. Sie erklärt dem 16-jährigen P, sie erteile ihm Prokura.

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Einordnung des Falls

Erteilung der Prokura, § 48 Abs. 1 HGB, beschränkt Geschäftsfähige

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. G kann für die X-GmbH Prokura erteilen (§ 48 Abs. 1 HGB).

Ja, in der Tat!

Prokura kann vom Inhaber eines Handelsgeschäfts oder seinem gesetzlichen Vertreter erteilt werden. Ein Handelsgeschäft ist das Unternehmen eines Kaufmanns (§§ 1-6 HGB). Als Person des Vertretenen kommt daher nur ein Kaufmann in Betracht. Die X-GmbH ist Kaufmann kraft Rechtsform (§ 6 Abs. 1 HGB, § 13 Abs. 3 GmbHG). Sie wird vertreten durch ihre Geschäftsführerin G (§ 35 Abs.1 S. 1 GmbHG). G ist als gesetzliche Vertreterin der X-GmbH befugt, Prokura für diese zu erteilen.
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2. P‘s beschränkte Geschäftsfähigkeit (§§ 106, 2 BGB) steht der Erteilung von Prokura entgegen.

Nein!

Nach herrschender Meinung können auch beschränkt geschäftsfähige Personen Prokurist sein. Das Handeln als Vertreter entfaltet für und gegen den beschränkt Geschäftsfähigen unmittelbar keine Wirkungen. Bei Mängeln der Vertretungsmacht haftet der beschränkt Geschäftsfähige nur, wenn er mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters handelte (§ 179 Abs. 3 S. 2 BGB). Die Erteilung der Prokura an den Minderjährigen ist mithin (wie § 165 BGB verdeutlicht) ein neutrales Geschäft und kann ohne Einwilligung der gesetzlichen Vertreter erfolgen. Nach der Gegenansicht liegt mit Blick auf die Haftungsrisiken im Innenverhältnis ein rechtlich nachteilhaftes Geschäft vor. Es sei daher die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter erforderlich (§ 107 BGB).

3. G hat P wirksam Prokura erteilt (§ 48 Abs. 1 HGB).

Genau, so ist das!

Die Prokura wird durch einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Prokuristen (= Innenprokura, § 167 Abs. 1 Alt. 1 BGB) oder gegenüber dem Dritten, gegenüber dem die Vertretung stattfinden soll (=Außenprokura, § 167 Abs. 1 Alt. 2 BGB) erteilt. Die Erteilung muss vom Inhaber des Handelsgeschäfts oder seinem gesetzlichen Vertreter ausdrücklich erklärt werden (§ 48 Abs. 1 HGB). Ausdrücklich bedeutet, der Wille, Prokura zu erteilen, muss zweifelsfrei aus der Erklärung hervorgehen. G hat gegenüber P ausdrücklich erklärt, ihm Prokura zu erteilen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Johannes Nebe

Johannes Nebe

2.8.2024, 15:51:47

Im Maßstab heißt es, bei Mängeln der Vertretungsmacht hafte der beschränkt Geschäftsfähige nur, wenn er mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters handele, § 179 III 2 BGB. Aber hier geht es zunächst gar nicht um einen Mangel der Vertretungsmacht, denn gem. § 165 BGB und hM ist eine Vertretung durch den beschränkt Geschäftsfähigen möglich. Er ist nicht per se falsus procurator. Irritierend ist aber in der Tat, dass § 179 BGB sich systematisch eigentlich auf die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht bezieht, dass aber in § 179 III 2 BGB Gegenstand der Zustimmung weniger die Vertretungsmacht ist, sondern die Vornahme des Vertretergeschäfts ohne oder mit Vertretungsmacht (Ulrici in BeckOGK BGB § 179 Rn. 80; Grüneberg/Ellenberger BGB § 179 Rn. 4).


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