+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Tags
Klassisches Klausurproblem
In seiner Arztpraxis panscht Arzt A aus Geldgier Medikamente. Die Polizei will sich Zugang zur Praxis verschaffen. A beruft sich auf die Unverletzlichkeit der Geschäftsräume.
Einordnung des Falls
Arztpraxis
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Art. 13 Abs. 1 GG schützt die Unverletzlichkeit der Wohnung.
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen
in Studium und Referendariat richtig.
...Wird geladen
Ja!
Art. 13 Abs. 1 GG bestimmt: "Die Wohnung ist unverletzlich." Unter Wohnung versteht man solche Räume, die der allgemeinen Zugänglichkeit durch eine räumliche Abschottung entzogen und zur Stätte privaten Lebens und Wirkens gemacht sind. Art. 13 GG hängt eng mit der freien Entfaltung der Persönlichkeit zusammen. Er soll dem Einzelnen einen elementaren Lebens- und Rückzugsraum sichern, in dem er vor staatlichen Eingriffen geschützt ist.
2. Da Art. 13 Abs. 1 GG den Bereich der individuellen Privatsphäre des Bürgers schützt, ist davon nach BVerfG und h.M. ausschließlich die privat genutzte Wohnung erfasst.
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen
in Studium und Referendariat richtig.
...Wird geladen
Nein, das ist nicht der Fall!
Die Einbeziehung von Arbeits- und Geschäftsräumen in Art. 13 Abs. 1 GG ist umstritten: Dagegen spricht die allgemeine Wortbedeutung des Begriffs "Wohnung" (Wortlaut) sowie der Zweck des Art. 13 Abs. 1 GG, einen Raum für die freie Entfaltung der Persönlichkeit zu schützen (Telos). Dafür spricht, dass Beruf, Arbeit und Gewerbe nach der Verfassung (Art. 12, 14 GG) wichtige Bedeutung für die Selbstverwirklichung des Einzelnen zukommt (Systematik, Telos). Zudem wurde der Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 GG aus der Preußischen Verfassung und der Frankfurter Reichsverfassung übernommen, die damit nicht nur Wohnräume meinten, weil historisch gerade der Arbeitsplatz Gegenstand von Eingriffen der öffentlichen Gewalt war (Historie). Angesichts dessen schützt Art. 13 Abs. 1 GG nach BVerfG und h.M. die "räumliche Privatsphäre" und damit im Grundsatz auch Arbeits- und Geschäftsräume.
3. Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume, die der Öffentlichkeit im Einzelfall bestimmungsgemäß zugänglich gemacht werden, werden nach BVerfG und h.M. vom Schutz des Art. 13 Abs. 1 GG erfasst.
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen
in Studium und Referendariat richtig.
...Wird geladen
Ja, in der Tat!
Wegen der hohen Bedeutung von Beruf, Arbeit und Gewerbe für die Selbstverwirklichung des Einzelnen sind Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume nach BVerfG und h.M. im Grundsatz von Art. 13 Abs. 1 GG geschützt. Das BVerfG sieht diese Räume ohne Einschränkung von Art. 13 Abs. 1 GG erfasst. Nach der h.L. kommt es darauf an, dass diese Räume - wie die private Wohnung - räumlich abgeschottet und für die Öffentlichkeit nicht ohne Weiteres zugänglich sind. Dies trifft auf Arbeits- und Geschäftsräume zu, die - wie Arztpraxen, Anwaltskanzleien, Büroetagen - nur im Einzelfall bestimmungsgemäß für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Die Arztpraxis des A ist vom Schutz des Art. 13 Abs. 1 GG erfasst. Der sachliche Schutzbereich ist eröffnet.