Offener Kalkulationsirrtum 1
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V bietet K seinen gebrauchten Fiat 500 zu einem Preis von €9.000 und zusätzlich vier passende Reifen zu je €60 zum Kauf an (insgesamt €9.240). Als Gesamtpreis gibt V €9.180 an. K nimmt an. Sie hat nur die Endsumme auf dem Preisschild gelesen.
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Einordnung des Falls
Offener Kalkulationsirrtum 1
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der „offene Kalkulationsirrtum“ berechtigt immer zur Anfechtung.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. Zwischen K und V ist ein Kaufvertrag über Auto und Reifen zu €9.180 zustande gekommen.
Nein, das trifft nicht zu!
3. K kann ihre Annahmeerklärung wegen eines Inhaltsirrtums anfechten (§§ 142 Abs. 1, 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB).
Ja!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Alex1892
11.9.2020, 08:11:29
Ich glaube die Antwort bei der zweiten Frage „Kaufvertrag zustande gekommen über den höheren Preis“ ist falsch . Die richtige Antwort müsste doch „stimmt“ sein oder ?
Der BGBoss
13.2.2021, 16:17:41
Nein, der Antrag muss nach dem
objektiven Empfängerhorizontgemäß §§133, 157 BGB ausgelegt werden. Für einen objektiven Dritten ist hier der Preis flagrant.
sinaaaa
9.1.2023, 20:02:39
Liegt hier nicht ein
kalkulationsirrtumim Rahmen eines erklärungsirrtums vor? Warum ist von einem Inhaltsirrtum die Rede?
Nora Mommsen
11.1.2023, 13:06:07
Hallo sinaaaa, danke für deine Frage. K hat nicht kalkuliert und sich auch nicht verrechnet. Sie hat das Angebot über 9180 € angenommen in der Annahme es handle sich um den richtig berechneten Preis. Das dieser Preis falsch war, stellt also einen Irrtum über den Inhalt der Erklärung dar. Ihre Erklärung war die Annahme des des Angebots von 9000 plus 4x60€ angenommen hat. Dieser Inhalt ist nach dem
objektiven Empfängerhorizontermittelt und somit nicht der vermeintliche Gesamtpreis von 9180 €. Viele Grüße Nora - für das Jurafuchs-Team
Bioshock Energy
27.7.2023, 11:22:30
Hallo, Ich verstehe nicht wieso es für K offensichtlich ist dass V für den höheren Preis verkaufen will. K hat ja nur das Preisschild gesehen wo der niedrigere Betrag drauf steht. Also kann sie m.A.n. nicht ahnen geschweige denn wissen, dass V für einen anderen höheren Preis verkaufen möchte. LG
Blan
8.8.2023, 11:28:39
So wie es auf dem Bild dargestellt wird (K sieht nur das Schild und V denkt sich die Berechnungsgrundlage im Kopf) ist die Berechnungsgrundlage nicht mal Teil der Willenserklärung. Hätte V gegenüber der K gesagt oder schriftlich dargelegt: "Ich verkaufe dir das Auto für 9000€ und die 4 Reifen für je 60€= falscher Betrag" dann wäre das anders zu betrachten. In dem Fall würden die Ausführungen greifen und nach §§133,157 BGB wäre es für K ersichtlich gewesen, dass V sich verrechnet hat. Aufgrund dessen, dass K das hätte erkennen müssen wäre sie nicht schutzwürdig, sodass der Grundsatz der
falsa demonstratio non nocetgreifen würde und eben ein Kaufpreis iHv 9240€ zustande gekommen wäre. Ist in diesem Fall aber anders gelagert oder vom Verfasser nur unzureichend dargestellt. Für den Leser wird hier nicht deutlich, dass V gegenüber K "Ich verkaufe dir das Auto für 9000€ und die 4 Reifen für je 60€= 9180€" geäußert hat. Das Bild vermittelt eher ein: V hat sich das gedacht.
Blan
9.8.2023, 13:03:23
Ups. Ich merke grad, dass das eine Sprechblase ist und keine Gedankenblase. Macht die oben ausgeführte Erklärung nicht falsch, aber die Kritik dann unberechtigt. Sorry :)
SvzW
9.8.2023, 11:20:22
Hallo, ich finde aus dem Sachverhalt geht nicht eindeutig hervor das die Berechnung des Preises für K erkennbar war und es sich hier um einen offenen
Kalkulationsirrtumhandelt. Wäre schön wenn der Sachverhalt etwas klar wäre.
Lukas_Mengestu
19.10.2023, 14:53:34
Hallo SvzW, vielen Dank für Dein Feedback. Um unsere Sachverhalte kurz und prägnant zu halten, besteht bei Jurafuchs die Besonderheit, dass auch die Illustrationen zum Sachverhalt gehören. Aus der Illustration geht hier hervor, dass V die Berechnung K mündlich mitteilt und damit offenlegt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
QuiGonTim
12.9.2023, 08:24:24
Liebes Jurafuchs-Team, m.E. würde sich dieser Fall mit seinen zwei Angeboten sehr gut eignen, um nochmal auf das Angebot, dessen Widerruf und möglicherweise auf den Zugang unter Anwesenden einzugehen. Würdet ihr das noch ergänzen?
Lukas_Mengestu
19.4.2024, 14:12:22
Hi QuiGonTim, interessanter Gedanke. Hier lag letzlich allerdings nur ein verbindliches Angebot vor (Sprechblase). Der Preis am Auto kann allenfalls als unverbindliche
invitatio ad offerendumangesehen werden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Captain Stupid
17.1.2024, 17:11:25
Ich kann der Argumentation nicht ganz folgen. Habe ich einen Denkfehler?? Auf dem Schild steht der Gesamtpreis von 9.180 €! Das ist ja schonmal eine klare Aussage. Der V rechnet der K jetzt sogar nochmal ausdrücklich vor, dass er 9.180 € haben will. Woher soll K jetzt wissen, dass sich V in Bezug auf den Endpreis verrechnet hat? V könnte sich doch genauso in Bezug auf den Preis eines einzelnen Reifens versprochen oder irgendetwas verwechselt haben und statt 60 € pro Reifen eigentlich 45 € pro Reifen gemeint haben. Immerhin bringt er zwei mal deutlich zum Ausdruck, dass er 9.180 € für das Auto haben will. Nach dem
Empfängerhorizontausgelegt sehe ich hier ganz klar eine Willenserklärung in Form eines Angebotes über 9.180 €. Dieses Angebot hat K angenommen. Sehe ich das falsch?
Paulah
23.3.2024, 12:39:48
Ich glaube, die Zeichnung hätte anders sein müssen - nämlich mit der Rechnung für die Reifen. Dort steht aber nur der Endpreis. Somit gebe ich dir recht!
Lukas_Mengestu
19.4.2024, 13:13:22
Hallo ihr beiden, mit der entsprechenden Argumentation ist hier auch ein anderes Ergebnis vertretbar (gerade mit dem Argument, dass K aufgrund der Wiederholung des auf dem Auto angeschriebenen Preises davon ausgehen konnte, dass dies der richtige Preis ist). Legt man indes den Schwerpunkt auf die Vertragsverhandlungen, so gibt V da klar an, dass er ein Auto für €9000 und 4 Reifen für €60 verkaufen will. Diese Rechnung macht er transparent, weshalb in der Lösung das Angebot dahingehend ausgelegt wird, dass es sich auf den richtigen Preis bezieht. Da es sich aber um ein Auslegungsergebnis handelt, ist wie gesagt aber auch gut vertretbar, dass ein
objektiver Dritternach den Gesamtumständen davon ausgehen konnte, dass V ein Verkaufsangebot zum Preis von €9180 abgegeben hat. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
JuJu13406
21.7.2024, 17:12:28
Ich habe eine Frage zur Auslegung der Annahmeerklärung der K und damit zum wirksamen Inhalt ihrer Zustimmung. Dass K hätte erkennen müssen, dass V 9.240€ meinte leuchtet mir ein und ich verstehe auch, wiese das Angebot des V deshalb mit einem Preis von 9.240€ wirksam wurde. K hat aber ja erstmal nur einem Preis von 9.180€ zugestimmt und ihr Verhalten lässt erstmal auch nicht erkennen, dass sie den Rechenfehler erkannt hatte und ebenfalls 9.240€ meinte. Aus Sicht des V würde ich daher sagen, dass K wirklich nur erklärt hat, mit 9.180€ zufrieden zu sein. Dann hätte man aber ja eine nicht zum Angebot passende Annahme und ein Vertrag wäre nicht zustande gekommen. Daher meine Frage: Wie kommt man darauf, dass die Annahme der K aus Perspektive des V als Annahme zum Preis von 9.240€ auszulegen ist?
luc1502
26.9.2024, 12:38:02
Hi @[JuJu13406](199613), vielleicht hilft dir der Thread von @[Captain Stupid ](227614)weiter; da dürfte deine Frage beantwortet sein. LG
Philip
1.11.2024, 20:06:04
Wieso muss man sich denn einen möglichen
Kalkulationsirrtumder Vertragspartei zurechnen lassen, wenn mich als Ottonormalverbraucher die Erklärung, wie die Person auf den Preis gekommen ist, gar nicht interessiert, selbst wenn dies offenliegt? Denn danach wäre es ja egal, dass K lediglich den Gesamtpreis i.H.v. 9180€ gelesen hat. K könnte in dem Fall ja sowieso wegen eines Erklärungsirrtums (Verrechnet und dadurch versprochen) anfechten, oder sehe ich das falsch?
Jan
4.11.2024, 17:30:01
Also so wie ich es verstehe wird hier ja auch auf den
objektiven Empfängerhorizontabgestellt. Wenn für einen objektiven Empfänger des Angebots evident ist, dass V sich verrechnet hat und die Kalkulation deshalb nicht stimmt, ist mE nach durchaus zumutbar, dass der K die Erklärung mit dem eigentlich gewollten Preis gelten lässt. Durch die subjektive Fehlvorstellung des K ist er ja in der Regel Anfechtungsberechtigt und wird so dennoch geschützt. Aber einen objektiven Maßstab für die Auslegung von Willenserklärungen heranzuziehen, ist normalerweise ja üblich.