Zivilrecht

Examensrelevante Rechtsprechung ZR

Schadensrecht

Nutzungsausfallschaden bei gewerblich genutztem LKW

Nutzungsausfallschaden bei gewerblich genutztem LKW

18. April 2025

34 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Speditionsbetreiber A beauftragt B mit der Reparatur eines LKW. Durch Bs fehlerhafte Reparatur entsteht ein Motorschaden. A kann den LKW für 12 Monate nicht benutzen und muss Aufträge an Fremdfirmen vergeben. Nach der Reparatur fordert A Schadensersatz für den Nutzungsausfall des LKW, die Mehrkosten der Fremdaufträge und erhöhten Personalaufwand.

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Einordnung des Falls

Nutzungsausfallschaden bei gewerblich genutztem LKW

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, 2, 286 BGB.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1,2 286 BGB (hier über § 634 Nr. 4 BGB) erfasst nur den Schaden, der allein in Folge der Verzögerung der Leistung entsteht.Vorliegend liquidiert A aber nicht lediglich den Schaden wegen verzögerter Leistung. Vielmehr beruht der Schadensersatzanspruch in erster Linie auf der schlechten Reparatur, die erst zu dem Motorschaden führte.
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2. A hat gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB dem Grunde nach.

Ja!

Ein Werkvertrag (= Schuldverhältnis) zwischen den Parteien liegt vor. B hat eine Pflicht verletzt, die Pflichtverletzung hat er auch zu vertreten. Diese Folge ergibt sich im Zweifel aus der negativen Formulierung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB, die eine Beweislastumkehr enthält. Der geltend gemachte Schaden ist ein Schadensersatz neben der Leistung: Auch bei einer hypothetischen Nacherfüllung (fachgemäße Reparatur) im letztmöglichen Zeitpunkt wäre der (Motor-)Schaden bereits endgültig eingetreten.

3. Hinsichtlich des Geldaufwandes, der durch die Vergabe an Fremdfirmen entstanden ist, kann A Schadensersatz in Geld gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB verlangen.

Genau, so ist das!

Die Voraussetzungen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB liegen vor, weil A Schadensersatz wegen Beschädigung einer Sache begehrt. Die Wiederherstellung in natura (sogenannte Naturalrestitution) ist noch möglich, weil die für die Ersatztransporte aufgewendete Geldsumme der geltend gemachte Schaden ist. Die Schadensberechnung erfolgt somit nach der Differenzhypothese: A ist so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde. Folglich kann A den Mehraufwand für die Beauftragung von Fremdunternehmen verlangen, weil es sich insofern um eine Naturalherstellung für die angefallenen Kosten handelt.

4. A will ebenfalls den Nutzungsausfall des LKW von B ersetzt bekommen. Ist die Naturalherstellung hinsichtlich der Nutzung in natura noch möglich (§ 249 BGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

Die Nutzung des LKW ist nicht nachholbar. Folglich ist insofern die Herstellung unmöglich, sodass § 249 BGB nicht unmittelbar anwendbar ist. Im System des Schadensrechts folgt daraus, dass auch § 250 BGB nicht anwendbar ist. Dieser knüpft an § 249 BGB an. Der Geschädigte kann demnach Schadensersatz in Geld nach § 250 BGB nur dann verlangen, wenn er dem Gläubiger eine Frist zur Wiederherstellung nach § 249 BGB gesetzt hat. Hingegen gewährt § 251 BGB einen Ersatzanspruch in Geld für den Fall, dass die Wiederherstellung nicht möglich oder zur Entschädigung nicht genügend ist. Möglicherweise kann A daher aufgrund § 251 BGB Ersatz verlangen.

5. Bei privat genutzten Fahrzeugen ist ein abstrakter Nutzungsausfallschaden unter bestimmten Voraussetzungen als Schaden im Sinne des § 251 BGB anerkannt.

Ja!

Bei nichtgewerblicher Verwendung eines Gegenstands (wie eines Kfz) wäre der bloße zeitweilige Gebrauchsentzug in einer Vermögensbilanz (Differenzhypothese) unbeachtlich. Nach Ansicht des BGH wird Geldersatz für (1) entgangene Nutzungsmöglichkeiten für Wirtschaftsgüter von allgemeiner, zentraler Bedeutung für die Lebenshaltung aber dennoch gewährt (Kommerzialisierungsgedanke). Dabei handele es sich um einen Vermögensschaden, sodass § 253 Abs. 1 BGB nicht entgegenstehe. Zusätzliche Voraussetzungen sind, dass (2) ein Eingriff in den Gegenstand selbst vorliegt und (3) die „Fühlbarkeit“ der Beeinträchtigung, also die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit.PKW sind zentral für die Lebensführung. Werden sie beschädigt, ist grundsätzlich eine Entschädigung nach § 251 Abs. 1 BGB auch dann möglich, wenn kein Ersatzfahrzeug angemietet wird.Wirtschaftsgüter von allgemeiner Bedeutung sind neben dem KFZ und der Wohnung auch die Nutzbarkeit des Internets (Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 25.A., RdNr. 829).

6. Auch für gewerblich genutzte Fahrzeuge kann der abstrakte Nutzungsausfallschaden pauschal gemäß § 251 BGB verlangt werden.

Nein, das ist nicht der Fall!

BGH: Bei gewerblich genutzten Gütern müsse der Schaden (entgangener Gewinn) konkret dargelegt werden. Anders als bei privaten Gütern bestehe kein Bedürfnis, den Schaden durch eine pauschale Schadensberechnung zuzulassen. Dem Geschädigten bleibe es unbenommen, den Schaden gemäß § 252 S. 2 BGB nachzuweisen, im Übrigen komme ihm bei der Schadensermittlung § 287 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 ZPO zugute.Hinter dieser Argumentation steht der Gedanke, dass gewerbliche und private Güter gleich behandelt werden sollen. Bei privaten Gütern kommt aber (anders als bei gewerblich genutzten) ein Schadensersatz in Form des entgangenen Gewinns nicht in Betracht. Folglich ist die abstrakte Berechnung des Nutzungsausfalls für private Güter erforderlich, um einen Gleichlauf herzustellen. (BGH, RdNr 31).

7. A kann die nutzlos aufgewendeten Vorhaltekosten für den LKW (Kfz-Steuer und Beiträge zur Haftpflichtversicherung) als Schaden liquidieren.

Nein, das trifft nicht zu!

BGH: Diese Kosten seien nicht kausal auf das haftungsbegründende Ereignis zurückzuführen (BGH, RdNr. 32).

8. Ein konkreter Nutzungsausfallschaden könnten die erhöhten Personalkosten sein.

Ja, in der Tat!

Wenn A wegen der Nichtnutzbarkeit des LKW erhöhte Personalkosten aufwenden muss, um den nicht vorhandenen LKW zu kompensieren, liegt darin ein konkreter Schaden, der durch den Nutzungsausfall entstanden ist. Dieser Schaden ist grundsätzlich ersatzfähig nach § 251 Abs. 1 BGB. Im zugrundeliegenden BGH-Urteil waren die Personalkosten bereits in den Vorinstanzen nicht schlüssig vorgetragen worden und daher nicht von der Entscheidung umfasst.
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