Fall zur Ersatzfähigkeit von Nutzungsausfall (OLG Frankfurt a.M., Urt.v. 27.07.2022 - 11 U 7/21): examensrelevante Rechtsprechung | Jurafuchs
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B fährt immer mit ihrem Porsche zur Arbeit. Ihren breiten Ford Kombi benutzt sie nur für Urlaube. Fahranfänger F verwechselt an einer Ampel Gaspedal und Bremse seines SUV und fährt mit voller Wucht in Bs Porsche. B verlangt neben den Reparaturkosten zusätzlich Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit der Reparatur.
Einordnung des Falls
Das OLG Frankfurt a.M. hatte zu entscheiden, ob nach einem Autounfall der Geschädigte neben den Reparaturkosten zusätzlich Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit der Reparatur verlangen kann. Das OLG verneinte einen solchen Anspruch. Die Beschränkung des Fahrvergnügens sei nur eine immaterielle Beeinträchtigung aufgrund der subjektiven Wertschätzung und nicht als Schaden ersetzbar. Der Nutzungsersatz komme nur für vermögensmäßig erfassbaren Einsatz der Sache in Betracht. Denn die Nutzungsausfallentschädigung müsse Fällen vorbehalten bleiben, in denen die Funktionsstörung sich typischerweise auf die Grundlage der Lebensführung signifikant auswirkt. Andernfalls bestünde die Gefahr, unter Verletzung des § 253 BGB die Ersatzpflicht auf Nichtvermögensschäden auszudehnen (RdNr. 45). Da das eingeschränkte Fahrvergnügen lediglich einen - nicht unter § 253 BGB fallenden - immateriellen Schaden darstellt, kann B diesen nicht geltend machen.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Könnte B ein Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfallschadens aus § 7 Abs. 1 StVG zustehen?
Genau, so ist das!
2. Richtet sich die Haftungsquote im Verhältnis zwischen B und F nach § 17 StVG?
Ja, in der Tat!
3. Richtet sich der ersetzbare Schaden auf Rechtsfolgenseite vorrangig nach den §§ 249 ff. BGB?
Nein!
4. Kann die entgangene Nutzungsmöglichkeit eines Kfz einen ersetzbaren Schaden iSd § 251 BGB darstellen?
Genau, so ist das!
5. Hat F durch die Beschädigung des Porsches und die dadurch notwendige Reparatur die Nutzungsmöglichkeit verloren?
Ja, in der Tat!
6. Handelt es sich bei einem Kfz handelt um ein Wirtschaftsgut von zentraler Bedeutung?
Ja!
7. Ist eine Nutzungsbeeinträchtigung stets ausgeschlossen, wenn der Geschädigte Eigentümer mehrerer Kfz ist?
Nein, das ist nicht der Fall!
8. B nutzte den Porsche für ihre tägliche Arbeitsstrecke. Ihr Zweitwagen ist ein Ford Mondeo Kombi (sog. Mittelklassewagen). Ist ihr die Nutzung des Fords unzumutbar, weil der Ford weniger wertig und deshalb nicht vollständig gleichwertig ist?
Nein, das trifft nicht zu!
9. Ist die Nutzung des Fords der B unzumutbar, weil er für die B weniger Fahrvergnügen bietet?
Nein!
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Till E
17.1.2023, 21:49:39
Wäre der Schaden bei Anmietung eines Porsche oder gleichwertigen Fahrzeugs nach 249 II BGB ersatzfähig?
![Lukas_Mengestu](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__x133cq1so0il85q8i03wkixhy.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Lukas_Mengestu
18.1.2023, 09:51:48
Hallo Till E, auch bei Anmietung eines Ersatzfahrzeuges erhält der Geschädigte lediglich die erforderlichen Kosten ersetzt (Hamann/Kuhn, in: Buschbell/Höke, MAH Straßenverkehrsrecht, 5. Auflage 2020, § 24 Der Sachschaden – Grundlagen und einzelne Schadenpositionen RdNr. 132 ff.). Bei Luxuswagen kann dies dazu führen, dass der Geschädigte zur Vermeidung überhöhter Kosten verpflichtet werden kann, sich überregional Vergleichsangebote einzuholen bzw. einen Wagen einer günstigeren Klasse zu mieten (vgl. LG Frankfurt/M., Urteil vom 17. 9. 1999 - 2/15 S 12/99, r + s 2000, 22). Die genaue Höhe dieser erstattbaren Kosten ist dann letztlich eine Sache des Einzelfalls. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
David.
5.8.2023, 16:47:22
Hier auf den Fall bezogen dürfte wohl auch für die Anmietung nichts anderes gelten als für den
Nutzungsausfallschaden, da es B wohl zuzumuten wäre ihr Zweitfahrzeug zu benutzen, sodass der Schaden hier nicht ersatzfähig wäre.
TomTom1
3.2.2023, 12:15:13
In einem Vertiefungskasten sprecht ihr davon, dass über § 9 StVG der Verursachungsbeitrag eines Führers eines KfZs (bei euch: Entleiher) abgewickelt wird. Das ist, glaube ich, nicht ganz richtig. Das läuft über § 17 II StVG, oder stehe ich bei irgendetwas auf dem Schlauch? 😬
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Nora Mommsen
4.2.2023, 10:05:29
Hallo TomTom1, danke dir für deine Rückfrage. Tatsächlich kommt § 17 Abs. 2 StVG zur Anwendung wenn beide Beteiligte Führer eines KfZ sind. § 9 StVG ist die richtige Norm für den Fall, dass der Geschädigte kein Führer eines KfZ ist. Wir ändern das entsprechend. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Abdi91
22.4.2023, 18:40:52
Weshalb kommt hier § 17 I StVG zur Anwendung? Wenn B’s Fahrzeug angefahren wird, ist es für sie dann kein unabwendbares Ereignis iSd § 17 III StVG? Wenn ich auf den Idealfahrer abstelle, frage ich mich, wie ein Idealfahrer reagieren soll, wenn ihm jemand ins Auto fährt?
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Lukas_Mengestu
24.4.2023, 13:46:26
Hi Edwin, das war etwas missverständlich. Die Frage zielt lediglich auf § 17 StVG ab. In der Tat liegt hier schon ein unabwendbares Ereignis vor, weswegen F vollumfänglich haftet. Ansonsten käme es auf die beiderseitigen Verursachungsbeiträge an. Wir haben das auch noch einmal präzisiert. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
silasowicz
17.8.2023, 18:46:57
Wie sähe es aus, wenn beispielsweise ein Geschäftsführer aus Statusgründen/Autoritätserwägungen kein "minderwertiges", wenngleich vorhandenes Auto fahren möchte, um zur Arbeit zu kommen? Unterm Strich fiele das wahrscheinlich auch eher unter nicht ersatzfähig, oder?
![Cocos.lawstudy](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__eilrikhbzctwmxyalommj.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Cocos.lawstudy
18.3.2024, 21:01:46
Das habe ich mich gerade auch gefragt
evanici
14.9.2023, 00:07:03
Ich verstehe in diesem Zusammenhang den Begriff der hypothetischen Nutzungsmöglichkeit noch nicht ganz. Bedeutet das einfach, dass der Geschädigte bei vorhandenem Nutzungswillen auch hätte nutzen können? Oder bedeutet es eher, dass er den Gegenstand genutzt hätte, wenn er ihn gehabt hätte? Also das "hypothetisch" irritiert mich :D...
![Nora Mommsen](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__1g4ube287wphue6xpdn8yy675.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Nora Mommsen
14.9.2023, 14:25:01
Hallo evanici, danke für deine Frage. Nutzungsausfullentschädigung soll es eben nicht immer geben, daher sind daran besonders hohe Anforderungen zu stellen. Neben der Tatsache, dass es sich um ein Wirtschaftsgut von zentraler Bedeutung handeln muss, muss die Einschränkung "fühlbar" sein. Fühlbarkeit liegt dann vor, wenn der Geschädigte auf die ständige Verfügbarkeit angewiesen war. Vorliegend hatte B einen Zweitwagen, es kommt nicht auf den hypothetischen Nutzungswillen an. Vielmehr kommt es darauf an, ob es ihr in der konkreten Situation möglich war das Auto auch zu nutzen. Wenn zwar beide Autos auf ihren Namen laufen, aber ihr Ehemann immer mit dem anderen Auto zur Arbeit fährt dann hat sie zwar ein zweites Auto aber nicht die hypothetische Nutzungsmöglichkeit. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team