Zivilrecht

Examensrelevante Rechtsprechung ZR

Entscheidungen von 2018

Nutzungsausfallschaden bei gewerbliche genutztem LKW

Nutzungsausfallschaden bei gewerbliche genutztem LKW

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Speditionsbetreiber A beauftragt B mit der Reparatur eines LKW. Durch Bs fehlerhafte Reparatur entsteht ein Motorschaden. A kann den LKW für 12 Monate nicht benutzen und muss Aufträge an Fremdfirmen vergeben. Nach der Reparatur fordert A Schadensersatz für den Nutzungsausfall des LKW, die Mehrkosten der Fremdaufträge und erhöhten Personalaufwand.

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Einordnung des Falls

Nutzungsausfallschaden bei gewerbliche genutztem LKW

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, 2, 286 BGB.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1,2 286 BGB (hier über § 634 Nr. 4 BGB) erfasst nur den Schaden, der allein in Folge der Verzögerung der Leistung entsteht.Vorliegend liquidiert A aber nicht lediglich den Schaden wegen verzögerter Leistung. Vielmehr beruht der Schadensersatzanspruch in erster Linie auf der schlechten Reparatur, die erst zu dem Motorschaden führte.
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2. A hat gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB dem Grunde nach.

Ja!

Ein Werkvertrag (= Schuldverhältnis) zwischen den Parteien liegt vor. B hat eine Pflicht verletzt, die Pflichtverletzung hat er auch zu vertreten. Diese Folge ergibt sich im Zweifel aus der negativen Formulierung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB, die eine Beweislastumkehr enthält. Der geltend gemachte Schaden ist ein Schadensersatz neben der Leistung: Auch bei einer hypothetischen Nacherfüllung (fachgemäße Reparatur) im letztmöglichen Zeitpunkt wäre der (Motor-)Schaden bereits endgültig eingetreten.

3. Hinsichtlich des Geldaufwandes, der durch die Vergabe an Fremdfirmen entstanden ist, kann A Schadensersatz in Geld gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB verlangen.

Genau, so ist das!

Die Voraussetzungen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB liegen vor, weil A Schadensersatz wegen Beschädigung einer Sache begehrt. Die Wiederherstellung in natura (sogenannte Naturalrestitution) ist noch möglich, weil die für die Ersatztransporte aufgewendete Geldsumme der geltend gemachte Schaden ist. Die Schadensberechnung erfolgt somit nach der Differenzhypothese: A ist so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde. Folglich kann A den Mehraufwand für die Beauftragung von Fremdunternehmen verlangen, weil es sich insofern um eine Naturalherstellung für die angefallenen Kosten handelt.

4. A will ebenfalls die erhöhten Personalkosten von B ersetzt bekommen. Ist die Naturalherstellung hinsichtlich des erhöhten Personalaufwands in natura noch möglich (§ 249 BGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

Die Nutzung des LKW ist nicht nachholbar. Folglich ist insofern die Herstellung unmöglich, sodass § 249 BGB nicht unmittelbar anwendbar ist. Im System des Schadensrechts folgt daraus, dass auch § 250 BGB nicht anwendbar ist. Dieser knüpft an § 249 BGB an. Der Geschädigte kann demnach Schadensersatz in Geld nach § 250 BGB nur dann verlangen, wenn er dem Gläubiger eine Frist zur Wiederherstellung nach § 249 BGB gesetzt hat. Hingegen gewährt § 251 BGB einen Ersatzanspruch in Geld für den Fall, dass die Wiederherstellung nicht möglich oder zur Entschädigung nicht genügend ist. Möglicherweise kann A jedoch aufgrund anderer Normen des Schadensrechts Ersatz verlangen.

5. Bei privat genutzten Fahrzeugen ist ein abstrakter Nutzungsausfallschaden unter bestimmten Voraussetzungen als Schaden im Sinne des § 251 BGB anerkannt.

Ja!

Bei nichtgewerblicher Verwendung eines Gegenstands (wie eines Kfz) wäre der bloße zeitweilige Gebrauchsentzug in einer Vermögensbilanz (Differenzhypothese) unbeachtlich. Nach Ansicht des BGH wird Geldersatz für (1) entgangene Nutzungsmöglichkeiten für Wirtschaftsgüter von allgemeiner, zentraler Bedeutung für die Lebenshaltung aber dennoch gewährt (Kommerzialisierungsgedanke). Dabei handele es sich um einen Vermögensschaden, sodass § 253 Abs. 1 BGB nicht entgegenstehe. Zusätzliche Voraussetzungen sind, dass (2) ein Eingriff in den Gegenstand selbst vorliegt und (3) die „Fühlbarkeit“ der Beeinträchtigung, also die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit.PKW sind zentral für die Lebensführung. Werden sie beschädigt, ist grundsätzlich eine Entschädigung nach § 251 Abs. 1 BGB auch dann möglich, wenn kein Ersatzfahrzeug angemietet wird.Wirtschaftsgüter von allgemeiner Bedeutung sind neben dem KFZ und der Wohnung auch die Nutzbarkeit des Internets (Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 25. Auflage, RdNr. 829).

6. Auch für gewerblich genutzte Fahrzeuge kann der abstrakte Nutzungsausfallschaden pauschal gemäß § 251 BGB verlangt werden.

Nein, das ist nicht der Fall!

BGH: Bei gewerblich genutzten Gütern müsse der Schaden (entgangener Gewinn) konkret dargelegt werden. Anders als bei privaten Gütern bestehe kein Bedürfnis, den Schaden durch eine pauschale Schadensberechnung zuzulassen. Dem Geschädigten bleibe es unbenommen, den Schaden gemäß § 252 S. 2 BGB nachzuweisen, im Übrigen komme ihm bei der Schadensermittlung § 287 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 ZPO zugute.Hinter dieser Argumentation steht der Gedanke, dass gewerbliche und private Güter gleich behandelt werden sollen. Bei privaten Gütern kommt aber (anders als bei gewerblich genutzten) ein Schadensersatz in Form des entgangenen Gewinns nicht in Betracht. Folglich ist die abstrakte Berechnung des Nutzungsausfalls für private Güter erforderlich, um einen Gleichlauf herzustellen. (BGH, RdNr 31).

7. A kann die nutzlos aufgewendeten Vorhaltekosten für den LKW (Kfz-Steuer und Beiträge zur Haftpflichtversicherung) als Schaden liquidieren.

Nein, das trifft nicht zu!

BGH: Diese Kosten seien nicht kausal auf das haftungsbegründende Ereignis zurückzuführen (BGH, RdNr. 32).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

LS2024

LS2024

11.3.2024, 12:11:47

Ich finde die Frage nach dem Personalaufwand suggeriert, dass dieser gar nicht ersetz verlangt werden kann. Laut dem BGH Urteil geht dies allerdings nach § 252 1 BGB: "Dem hat der Kläger im Streitfall Rechnung getragen und dargestellt, dass sich der Entzug der Gebrauchsmöglichkeit gewinnmindernd ausgewirkt hat. Er hat als Schaden zum einen die Mehrkosten durch die Fremdvergabe von Transportleistungen und zum anderen - wenn auch, wie die Vorinstanzen an genommen haben, unschlüssig - die Kosten des Einsatzes der Arbeitskräfte zur Kompensation der fehlenden Kranunterstützung quantifiziert." Der Ersatz des Personalaufwands scheiterte also nur aufgrund von Beweisfragen.

LS2024

LS2024

11.3.2024, 12:15:04

Entgegen der Lösung können

Vorhaltekosten

grundsätzlich ersetzt verlangt werden. So auch der BGH hier: "Verfügt der Geschädigte über ein Reservefahrzeug und kann er den Verlust durch Rückgriff auf diese Betriebsreserve auffangen, kann er in der Regel die

Vorhaltekosten

des Reservefahrzeugs als Schadensersatz ersetzt verlangen" Dafür das der Schaden hier nicht kausal war bestehen mMn die Sachverhaltsangaben dazu, wann diese entstanden sind.

LAULAUA

LaulauAC

15.4.2024, 16:26:25

Es geht hier um andere

Vorhaltekosten

(Kfz-Steuer), nicht um

Vorhaltekosten

für ein Ersatzfahrzeug.

LS2024

LS2024

15.4.2024, 17:05:13

Woher nimmst du die Wertung, dass Kfz-Steuern keine

Vorhaltekosten

des Ersatzfahrzeuges sind?

LAULAUA

LaulauAC

15.4.2024, 17:06:04

Sind es, aber vom Ersatzfahrzeug ist hier keine Rede.

LS2024

LS2024

15.4.2024, 17:09:29

Doch: "A kann die nutzlos aufgewendeten

Vorhaltekosten

für den LKW (Kfz-Steuer und Beiträge zur Haftpflichtversicherung) als Schaden liquidieren." Wofür sollte auch sonst Kfz-Steuer angefallen sein?

LAULAUA

LaulauAC

15.4.2024, 17:11:35

Ich nehme mal an für den LKW, der sich in der Reparatur befand. Ich lese hier nichts von einem Ersatz-LKW.

LS2024

LS2024

15.4.2024, 17:14:27

In der von mir zitierten Passage steht es doch explizit: "

Vorhaltekosten

für den LKW".

Dogu

Dogu

7.6.2024, 16:06:30

Da steht aber nutzlose

Vorhaltekosten

. Die Kosten wären nicht nutzlos, wenn es sich um einen tatsächlich genutztes Ersatzfahrzeug gehandelt hätte. Im SV ist nur von einem LKW, dem geschädigten Fahrzeug, die Rede.

LS2024

LS2024

8.6.2024, 10:13:48

Ah ja, jetzt verstehe ichs. Ihr habt Recht.

LS2024

LS2024

11.3.2024, 12:20:47

Entgegen der Lösung sind die Kosten für die Beauftragung der Fremdfirmen nicht im Rahmen der Naturalrestitution ersetzbar. Stattdessen richtet sich der Ersatz laut BGH nach § 252 1 BGB.

Dogu

Dogu

7.6.2024, 16:05:12

§ 252 S. 1 BGB ist doch die Naturalrestitution? Das hat im Gegensatz zu S. 2 nur klarstellende Funktion.

LS2024

LS2024

8.6.2024, 10:31:01

Ah, das wusste ich nicht. Dann würde ich einfach in der Lösung den § 252 1 BGB noch erwähnen.

DIAA

Diaa

8.9.2024, 18:16:05

Ich konnte nicht ganz verstehen, 1. was genau mit hohen Personalkosten gemeint war und 2. ob A diese verlangen kann. Die Antwort war leider, trotz wiederholtem Durchlesen, nicht verständlich.

DAV

david1234

15.10.2024, 13:18:56

Dieser Fall ist leider schlecht aufgearbeitet und sollte nochmal überarbeitet werden. In der Frage steht was zu Nutzungen, in der Antwort zu Personalkosten. Auch der Abschnitt über 249 und 250, 251 ist nur verwirrend dargestellt.

NAN

Nani123

22.10.2024, 20:45:49

Warum sind die Kosten für Fremdfirmen ersetzbar, die erhöhten Personalkosten aber nicht? Bei den Personalkosten wird mit der

Differenzhypothese

argumentiert. Hätte das schädigende Ereignis, also die schlechte Reparatur nicht stattgefunden, hätte A nicht zusätzliche Personalkosten gehabt… Die Argumentation bzgl der Personalkosten sind jedoch völlig anders.. da wird auf § 250 abgeziehlt, obwohl es sich doch um das gleiche schädigende Ereignis handelt, also Schaden an einer Sache… weil die Herstellung unmöglich ist.. Warum war sie bei den Kosten für Fremdfirmen denn dann möglich? Die Aufgabe hat mich total verwirrt :(

Artimes

Artimes

14.11.2024, 10:55:18

Sollte das Problem des abstrakten Nutzungsausfalls schon bei der Anwendung der

Differenzhypothese

durch normative Korrektur behandelt werden, oder erfolgt die Prüfung erst bei der Ersatzfähigkeit nach § 251 Abs. 1 BGB, um den Vermögensschaden zu begründen?


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