Zivilrechtliche Nebengebiete

Erbrecht

Einführung

Erbrecht - Schutz als Individualrecht (Art. 14 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG)

Erbrecht - Schutz als Individualrecht (Art. 14 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG)

4. Juli 2025

12 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Multimilliardärin M setzt den ihr vertrauten Künstler K in einem formgültigen notariellen Testament als Alleinerben ein. Der charmante Günstling ist Tochter T ein Dorn im Auge. T ist Ms einziger Abkömmling.

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Einordnung des Falls

Erbrecht - Schutz als Individualrecht (Art. 14 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. M kann K als Alleinerben einsetzen (Grundsatz der Testierfreiheit).

Ja!

Art. 14 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG gewährleistet das Erbrecht (1) als Rechtsinstitut und (2) als Individualrecht. Die Individualrechtsgarantie beinhaltet: (1) die Privaterbfolge (2) die Testierfreiheit und (3) das Familienerbrecht. Die Privaterbfolge garantiert den Fortbestand des Privateigentums auch für den Fall des Todes des Eigentümers. Die Testierfreiheit sichert die Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Tod hinaus (Schutz der individuellen Freiheit, Art. 2 Abs. 1 GG). Als Eigentümerin kann M im Rahmen ihrer Testierfreiheit den K als Alleinerben einsetzen.
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2. M hat K als Alleinerbe eingesetzt. Erbt T trotzdem als gesetzliche Erbin (§§ 1937f., 1941 BGB)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Testierfreiheit sichert die Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Tod hinaus. Aus ihr ergibt sich der Vorrang der „gewillkürten Erbfolge“ gegenüber der gesetzlichen Erbfolge. Diese ist einfachgesetzlich in den §§ 1937f., 1941 BGB verankert. M hat K als Alleinerben eingesetzt. Dies schließt weitere Erben aus. Ob T im Rahmen der (subsidiären) gesetzlichen Erbfolge Erbin wäre, ist nicht von Belang.

3. M hat T „enterbt“. Erhält T mit Ms Tod dennoch Eigentum an Ms Nachlass?

Nein, das trifft nicht zu!

Nach § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB kann ein Abkömmling des Erblassers, der durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen, von dem Erben den Pflichtteil verlangen (= schuldrechtlicher Anspruch). Die Höhe des Pflichtteils beträgt die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs. 1 S. 2 BGB). Die Individualrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG beinhaltet die Privaterbfolge, die Testierfreiheit und das Familienerbrecht. Das Familienerbrecht (Verwandtenerbrecht) unserer Rechtskultur bezweckt Generationensolidarität. Die Garantien Testierfreiheit und Familienerbrecht kollidieren, wenn der Erblasser Angehörige von der Erbfolge ausschließt. Deswegen sichert das Pflichtteilsrecht den engsten Familienangehörigen eine Mindestbeteiligung am Erbe. Mit Ms Tod erlangt nur der Alleinerbe K Eigentum an Ms Nachlass (§ 1922 Abs. 1 BGB). T hat aber einen schuldrechtlichen Anspruch gegen K auf Auszahlung ihres Pflichtteils (§ 2303 Abs. 1 BGB). T wäre nach der gesetzlichen Erbfolge Alleinerbin gewesen (§ 1924 BGB). Ihr Pflichtteilsanspruch beträgt daher 1/2 des gesamten Nachlasses (§ 2303 Abs. 1 S. 2 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

frausummer

frausummer

7.5.2021, 07:20:38

Die vorletzte Frage verstehe ich nicht ganz. Wenn K Alleinerbe sein soll und T damit nur der Pflichtteil zusteht, erbt sie doch gesetzlich?

Tigerwitsch

Tigerwitsch

7.5.2021, 09:17:08

ME stellt der Pflichtteil eine „Kompromisslösung“ zwischen dem gesetzlichen Familienerbrecht und der völligen Testierfreiheit dar. Rechtspolitisch wird der Pflichtteil aufgrund folgender Funktionen begründet: - Sicherung des Unterhalts (Versorgungscharakter des Pflichtteils) - Mindestteilhabe (Vermögensverteilungscharakter des Pflichtteils) - Ausdruck familiärer Solidarität (Familiengebundenheit des Vermögens) Siehe nur Lange, in: MüKO BGB, 8. Auflage 2020, § 2303 Rn. 8ff.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.5.2021, 09:25:28

Hallo frausummer, das ist in der Tat leicht misszuverstehen. In der vorletzten Frage geht es im Kern darum, ob sie in Höhe ihres eigentlichen gestezlichen Erbteils erbt bzw. ob sie trotz der Einsetzung des K noch "Erbin" ist. Dies ist nicht der Fall. Insofern geht ihr Anteil auch nicht im Wege der

Universalsukzession

auf sie über (§ 1922 Abs. 1 BGB). Vielmehr steht ihr nur der

schuld

rechtliche Pflichtteilsanspruch gegenüber K zu, der lediglich die Hälfte ihres eigentlichen Erbteils ausmacht (§ 2303 Abs. 1 BGB). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

lexfoxi🦊

lexfoxi🦊

15.6.2021, 19:30:10

Und wenn ihr euch schon einmal gefragt habt, wie man den Pflichtteil umgehen kann: im österreichischen Recht geht das. Und wenn man zum Todeszeitpunkt dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hatte, schickt einen die EuErbVO auch über ein paar Ecken in das österreichische Sachrecht. :)

FABIA

Fabian7777

23.4.2025, 19:14:48

Müsste man aber dann nicht die EuErbVO verfassungskonform einschränkend dahingehend auslegen, dass wegen Art 6 I GG ("Familie") das ganze doch nicht geht ?

Cocos.lawstudy

Cocos.lawstudy

5.5.2025, 20:11:15

oha das ist ja krass. Ja, nach meinem Verständnis müsste es dann auch wieder eingeschränkt werden. Wobei wenn der Erblasser in Österreich lebt, müsste österreichisches Recht gelten, egal wo die Erben wohnen. Dann wirds wahrscheinlich doch nicht geändert.

GUTZUT

GutZuTieren

5.6.2025, 16:46:04

Ich würde nicht sagen, dass dies im Wege einer verfassungskonformen Auslegung abläuft, sondern nach dem allgemeinen Prinzip des IPR des ordre public, der in Art. 35 EuErbVO sogar explizit aufgenommen ist. Heißt: da der gänzliche Ausschluss eines Pflichtteils mit wesentlichen Grundprinzipien unseres Rechts- und insb. Verfassungsrechts im Konflikt stünde (

was m

an aber im Fall nochmal über Auslegung der Bedeutsamkeit des Familienerbrechts, Art. 14 I im Art. 6 I GG, ermitteln müsste), würde ein Gericht in Deutschland wohl das österreichische Erbrecht nur insoweit anwenden, wie es mit dem deutschen Rechtssystem vereinbar wäre (iE ist das dann eine geltungserhaltende Reduktion, sofern dies zu einer Vereinbsrkeit führen würde; wenn nicht wird das österreichische Recht zumindest insoweit gar nicht angewandt).

FABIA

Fabian7777

6.6.2025, 10:29:13

Finde deine Idee klingt zunächst ziemlich gut und interessant... allerdings bezweifel ich ein wenig, ob der Wortlaut von Art. 35 EuErbVO ("__offensichtlich_ unvereinbar") wirklich erfüllt ist


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