+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
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Klassisches Klausurproblem
A beantragt eine Sondernutzungserlaubnis für den Bürgersteig vor seinem Haus an einer Fernstraße, um dort Kuchen für einen guten Zweck zu verkaufen. Die zuständige Behörde erteilt ihm die Erlaubnis für einen Zeitraum von einer Woche. A möchte seinen Kuchen länger anbieten.
Einordnung des Falls
Abgrenzung zur Anfechtungsklage: Ausnahmen der isolierten Anfechtungsklage
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren klagt A. Für die statthafte Klageart ist vorliegend maßgeblich, ob die zeitliche Beschränkung eine Nebenbestimmung ist.
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Ja!
Handelt es sich bei der zeitlichen Beschränkung um eine Nebenbestimmung, so kommt eine isolierte Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) in Betracht. Handelt es sich um eine Inhaltsbestimmung, ist die Verpflichtungsklage auf Neubescheidung (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) statthaft.
2. Die Regelung, dass A den Bürgersteig nur eine Woche nutzen darf, ist eine Inhaltsbestimmung.
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Nein, das ist nicht der Fall!
Eine Nebenbestimmung liegt vor, wenn die Behörde den Kern des ursprünglichen Begehrens unberührt lässt und nur eine zusätzliche Regelung trifft. Eine Inhaltsbestimmung liegt vor, wenn die Behörde durch den Zusatz die Reichweite des beantragten Verwaltungsakts definiert. Wenn die Hauptregelung ohne den Zusatz eine sinnvolle Regelung ist, handelt es sich um eine Nebenbestimmung.
Die Hauptregelung - Nutzungserlaubnis für den Bürgersteig – ist ohne den Zusatz, dass A den Bürgersteig nur eine Woche nutzen darf, eine sinnvolle Regelung. Die Nutzungserlaubnis des Bürgersteigs kann ohne die zeitliche Begrenzung aus Sicht des A sinnvoll bestehen bleiben. Es handelt sich um eine Nebenbestimmung.
3. Nebenbestimmungen zum Hauptverwaltungsakt sind nach herrschender Lehre und BVerwG grundsätzlich isoliert anfechtbar.
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Ja, in der Tat!
Bei der isolierten Anfechtbarkeit geht es um die Frage, ob eine Nebenbestimmung unabhängig vom Hauptverwaltungsakt angefochten werden kann. Nach Auffassung des BVerwG und h.L. sollen Nebenbestimmungen grundsätzlich isoliert anfechtbar sein. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn offensichtlich keine materielle Teilbarkeit besteht. Dies ist der Fall, wenn der Hauptverwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung offensichtlich rechtswidrig ist.
Für diese Ansicht spricht neben dem effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) vor allem der Wortlaut von § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO ("soweit").
4. Die Erteilung der Sondernutzungerlaubnis richtet sich nach § 8 FStrG. Die an A adressierte Genehmigung erfüllt diese Voraussetzungen.
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Ja!
Nach § 8 Abs. 1 FStrG bedarf die Nutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus (= Sondernutzung) einer Genehmigung. Bei der Erteilung der Sondernutzungserlaubnis ist der Handlungsspielraum der Behörde durch § 8 Abs. 2 S. 1 FStrG eingeschränkt: Die Sondernutzungserlaubnis darf nur befristet oder mit einem Widerrufsvorbehalt erteilt werden.
Die zuständige Behörde hat die Sondernutzungserlaubnis mit einer Befristung erlassen.
5. A kann die Befristung isoliert anfechten, denn es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Nutzungsgenehmigung auch ohne die Befristung rechtmäßig ist.
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Nein, das ist nicht der Fall!
Eine isolierte Anfechtung von Nebenbestimmungen ist zulässig, wenn der Hauptverwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung sinnvoll und rechtmäßig bestehen bleibt (= materielle Teilbarkeit). Das BVerwG prüft die materielle Teilbarkeit erst in der Begründetheit der Klage. Die Anfechtungsklage ist trotzdem ausnahmsweise unstatthaft, wenn die materielle Teilbarkeit offensichtlich ausgeschlossen ist. Dies ist der Fall, wenn der Hauptverwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung offensichtlich rechtswidrig ist.
Die Genehmigung ohne die Befristung erfüllt offensichtlich nicht die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 S. 1 FStrG und wäre damit offensichtlich rechtswidrig. A kann die Befristung nicht isoliert anfechten.
6. Die Regelung, dass A den Bürgersteig nur eine Woche nutzen darf, ist eine Befristung.
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Ja, in der Tat!
Eine Befristung (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG) ist eine Bestimmung, nach der eine Vergünstigung oder Belastung zu einem bestimmten Zeitpunkt beginnt, endet oder für einen bestimmten Zeitraum gilt.
A erhält die Sondernutzungserlaubnis für den Zeitraum von einer Woche, also für einen bestimmten Zeitraum.