Zivilrecht

Schadensrecht

Schadenszurechnung

Umfang der Schadensersatzpflicht bei Rentenneurose

Umfang der Schadensersatzpflicht bei Rentenneurose

19. Mai 2025

8 Kommentare

4,8(6.165 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A erleidet bei einem durch B verschuldeten Auffahrunfall diverse Prellungen. Obwohl die Prellungen unproblematisch verheilen, meint A, er leide fortwährend an Schmerzen und könne deshalb keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen und habe deshalb einen Verdienstausfallschaden. Gutachter G stellt fest, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht auf der Körperverletzung beruht, sondern auf einer mangelhaften Verarbeitung des Unfallereignisses durch A.

Diesen Fall lösen 60,7 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Umfang der Schadensersatzpflicht bei Rentenneurose

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Verdienstausfall ist ein durch die Körperverletzung adäquat kausal entstandener Schaden.

Ja, in der Tat!

Wäre A nicht durch B an seinem Körper verletzt worden, wäre es nicht zu den Prellungen und einer fehlerhaften Verarbeitung des Unfallgeschehens mit der Folge der Arbeitsunfähigkeit gekommen. Es liegt auch nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit, dass es infolge einer fehlerhaften Verarbeitung eines Unfalls zu einer Erwerbsunfähigkeit kommt.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Der Verdienstausfallschaden ist vom Schutzzweck der Norm umfasst.

Nein!

Nach der Lehre vom Schutzzweck der Norm ist ein Schaden nur dann zurechenbar, wenn er nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fällt.. Bei der sog. Rentenneurose handelt es sich um eine (wenn auch unbewussten) Flucht des Geschädigten in die Vorstellung, der Schädiger müsse eine Rente zahlen, so dass es nicht lohne, die Schadensfolgen zu überwinden. Diese Schadensfolge ist nicht mehr vom Schutzzweck der Norm gedeckt, weil (1) der Geschädigte nur durch die Versagung einer Ersatzleistung zur Überwindung seiner neurotischen Fehlhaltung angespornt werden kann und (2) die Begehrensvorstellung des Geschädigten derart in den Vordergrund tritt und die psychischen Störung derart prägt, dies nicht mehr in das vom Schädiger zu tragende Risiko der Folgen einer Körperverletzung fällt, sondern sich das allgemeine Lebensrisiko realisiert.
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Orfeas

Orfeas

18.3.2021, 16:04:37

Rentenneurose

” 😅 Kam der Begriff vom BGH oder von dem behandelnden Arzt als Gutachter?

Speetzchen

Speetzchen

18.3.2021, 23:20:41

ist tatsächlich ein medizinischer Begriff ✌😅

Orfeas

Orfeas

19.3.2021, 01:17:38

Heftig! Erinnert mich bisschen an die “Schulitis” als Krankheitsbild 😁

RYD

Ryd

4.10.2024, 15:30:18

Ich finde die Darstellung recht fragwürdig, die Frage nach dem

Schutzzweck der Norm

aufzuwerfen, ohne überhaupt einen konkreten Normbezug herzustellen. Mir ist durchaus bewusst, dass die Wertung infolge einer

Rentenneurose

trotzdem durchaus lehrreich ist, aber eine Darstellung mit Normbezug wäre mMn schlüssiger.

LELEE

Leo Lee

6.10.2024, 06:42:38

Hallo Ryd, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Wir haben den Normbezug hier in der Tat weggelassen; allerdings haben wir dies getan, weil der

Schutzzweck der Norm

eine allgemeine Erwägung ist und auch an verschiedenen Stellen relevant werden kann. Etwa bei 249 aber auch bei 823 (hier dann i.R.d. ausfüllenden Kausalität). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Oetker § 249 Rn. 120 ff. sehr empfehlen und bitte insoweit um Verständnis :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

G0d0fMischief

G0d0fMischief

5.11.2024, 09:27:22

@[Leo Lee](213375) zum Verständnis: Wird § 249 BGB nicht aber auch i.R.d. §

823 BGB

angewendet? D.h. die Erwägungen von §§ 249 ff. BGB würden doch immer relevant, sowohl bei vertraglichen als auch bei gesetzlichen

Schaden

sersatzansprüchen.

AN

annsophie.mzkw

14.4.2025, 09:15:09

Beim Lesen des Sachverhalts bin ich eher von einer Posttraumatischen Belastungsstörung o.ä. ausgegangen. Eine „mangelhafte Verarbeitung“ des Unfallgeschehens kann sich doch auf ganz verschiedene Arten und Symptome äußern? Und psychische Folgeschäden sind ja grds. sehr wohl - sogar ggf. wenn es sich um Dritte handelt (Stichwort

Schockschaden

) - ersatzfähig. In einer Klausur würde da aber vermutlich mehr zu stehen, damit man als Bearbeiter erkennt, was im konkreten Fall einschlägig ist.

LMA

Lt. Maverick

1.5.2025, 15:31:35

Im konkreten Fall lag eben keine gesicherte posttraumatische Belastungsstörung vor, sondern lediglich die Schwierigkeit den Unfall zu verarbeiten. Das wäre sonst Sachverhaltsquetsche. Das Problem der Verarbeitung bzw. Aufarbeitung entspringt nicht allein dem Unfall, sondern ist meist auf weitere Ursachen zurückzuführen (z.B. bereits bestehende generelle Angststörung usw.). Probleme bei der Verarbeitung negativer Ereignisse betreffen im Grunde das allgemeine Lebensrisiko. Manch einer kommt damit besser zurecht als ein anderer. Wer bereits „vorbelastet“ ist, trägt zwar ein höheres Risiko dafür in sich, aber dieses kann nicht gänzlich auf Dritte abgewälzt werden, wenn kein unmittelbarer Sachzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem

Schaden

selbst besteht. Genau diesen Sachenzusammenhang setzt aber der

Schutzzweck der Norm

voraus. Jedes schädigende Ereignis kann insoweit einen Schock oder psychische Leiden verursachen, die es gilt zu verarbeiten. Wer jetzt aber einer Verarbeitung ausweicht, um so eine Versorgung durch den Schädiger sichern zu können, der macht das nicht, weil die psychischen Leiden infolge des schädigenden Ereignisses so groß sind, sondern weil die Versorgung die Lebensumstände milder gestaltet als eine dauerhafte Erwerbstätigkeit.


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community