Schockschaden wegen Tötung eines Haustiers
10. Mai 2025
29 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
F geht mit ihrer 14 Monate alten Labradorhündin H auf einem Feldweg spazieren. H ist nicht angeleint. Bauer B fährt mit seinem Traktor in den Feldweg ein. Dabei übersieht er H und verletzt sie so schwer, dass sie eingeschläfert werden muss. F leidet daraufhin an Depressionen.
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Einordnung des Falls
Schockschaden wegen Tötung eines Haustiers
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. F hat eine Eigentumsverletzung erlitten (§ 823 Abs. 1 BGB), indem B die Hündin H angefahren hat.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. F hat eine Gesundheitsschädigung erlitten (§ 823 Abs. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
3. Indem B die Hündin der F überfahren hat, hat er die Rechtsgutsverletzungen der F äquivalent-kausal verursacht.
Ja!
4. Die Gesundheitsverletzung der F ist vom Schutzzweck des § 823 Abs. 1 BGB umfasst.
Nein, das ist nicht der Fall!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Hannah B.
14.11.2021, 16:48:15
Der Fall kam in der mündlichen Prüfung in Thüringen dran (Juli 2021). :)

Lukas_Mengestu
15.11.2021, 09:14:28
Danke Hannah :-)

Juliaa
2.2.2023, 19:42:21
Müsste man dies vor dem Hintergrund der neuen Entscheidung zu den
Schockschädenanders bewerten? BGH Az. VI ZR 168/21 vom 06.12.2022

Nora Mommsen
4.2.2023, 10:19:00
Hallo Juliaa, danke dir - wir prüfen das. Die neue Rechtsprechung ist tatsächlich eine Kehrtwende. Offen ist noch, ob diese auch bei Haustieren anwendbar ist. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Cosmonaut
21.5.2023, 13:22:29
Selbige Frage würde mich auch interessieren. Denn man liest: „Um die Gleichstellung von physischen und psychischen Beeinträchtigungen im Bereich der sog.
Schockschädenzu gewährleisten, hat der BGH seine Rechtsprechung mit einem nun veröffentlichten Urteil angepasst (Urt. v. 06.12.2022, Az. VI ZR 168/21). "

Jonah
21.7.2023, 11:18:28
Auch der
Schockschadeneines Hundebesitzers - der den Tod des Tieres mit ansehen musste - ist ersatzfähig (vgl. Wagner, Deliktsrecht, 14. Auflage 2021, 5. Kapitel Rdn. 44)
Marius
10.10.2023, 12:01:59
Bezogen auf Jonah: genau das dachte ich auch. Klar ist es das allgemeine Lebensrisiko, dass mein Haustier stirbt, aber das „Wie“ ist doch ein relevanter Faktor. Einfach gestorben oder gar brutal getötet (allgemein, nicht auf den Fall mit dem Traktor bezogen).

CR7
21.8.2024, 09:46:41
Aus meiner Sicht lässt sich vieles mit guter Argumentation vertreten. Besonders in westlichen Ländern werden Haustiere oft als Teil der Familie betrachtet – sie haben eigene Namen und werden so angesprochen, z.B. 'Hast du Bruno Futter mitgebracht?'. Es wäre ungewöhnlich zu sagen: 'Hast du für den Hund Futter mitgebracht?'. Ähnlich verhält es sich bei Babys – man sagt auch nicht: 'Hast du für das Baby Brei mitgebracht?'. Mein Punkt ist: Verletzungen oder Tötungen können sowohl bei Menschen als auch bei Tieren erhebliche Gesundheitsschäden verursachen. Manche Menschen haben keine Kinder, sondern nur Tiere, was es schwierig macht, Tiere als minderwertiger anzusehen, nur weil der BGH sie anders behandelt. Vielleicht argumentiere ich hier eher aus einer moralischen und weniger aus einer juristischen Sicht, aber gerade das macht es meiner Meinung nach schwierig, hier den Schutzzweck abzulehnen.
Geldhatmanzuhaben
1.9.2024, 14:09:12
Ursprünglicher Anknüpfungspunkt der Haftung für
Schockschädenwar die persönliche Verbundenheit zu dem Getöteten, sodass sich eine vom allgemeinen Lebensrisiko losgelöste eigene Integritätsverletzung realisiert hat. Dadurch dürfte (zumindest m.E.) auch die Rspr. Änderung nichts ändern, da hiermit lediglich klargestellt wurde, dass Anknüpfungspunkt der Haftung für
Schockschädennicht die Tötung des Dritten, sondern die Integritätsverletzung ist. Diese dürfte (zur Entstehung) aber wohl weiterhin eine persönliche Beziehehung i.S.e. Tötung eines Angehörigen erfordern.
benjaminmeister
27.12.2024, 16:07:56
Die Tierhalterfälle sind mMn. typische Beispiele, in denen das Ergebnis in einer Klausur völlig egal ist und es einzig und allein darauf ankommt das Problem a) zu sehen und b) mit guten Argumenten zu diskutieren (da es auch in der Lit. stimmen gibt, die
Schockschädenbei Tötung von Tieren bejahen). Ich würde es gut finden, wenn man hier die Frage offener stellt und nicht eine Ansicht aufgedrängt bekommt. Außerdem müsste immernoch die zweiten Frage mit der neuen Rspr. derart angepasst werden, dass keine gesundheitliche Beeinträchtigung mehr
erforderlichist, die über das hinausgeht, was erfahrungsgemäß mit einem Trauerfall einhergeht. Für die Annahme einer Gesundheitsverletzung reicht jetzt die pathologische Fassbarkeit.
Kind als Schaden
26.3.2025, 17:54:01
Ich gehe davon aus, es bedarf noch einer höchstrichterlichen Entscheidung mit einer Besetzung, die mehrheitlich aus Hundebesitzern besteht :D Ich bin zwar noch nicht der Älteste, aber meiner Erfahrung nach, ist der von mir wahrgenommene
Schaden, den Menschen durch den (plötzlichen, unerwarteten) Verlust eines Hundes erleiden, regelmäßig höher als bei vielen nahestehenden Menschen.
as.mzkw
10.4.2025, 16:27:07
Bzgl. der Eigentumsverletzung (Tod des H) würde man dann aber ja weiter prüfen oder? Zudem müsste die F sich ein Mitverschulden nach § 254 BGB (= Nichtanleinen des Hundes) anspruchsmindernd anrechnen lassen, richtig? Insbesondere könnte hier nicht der Rechtsgedanke des §
840 III BGBherangezogen werden, dadurch dass die H selbst ein Verschulden (wenn auch gegen sich selbst) trifft.

Linne_Karlotta_
23.4.2025, 12:50:09
Hallo @[as.mzkw](244917), danke für Deine Frage. Bzgl. der Eigentumsverletzung kommt ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB in der Tat in Betracht. Die Unterscheidung, ob der
Schadensersatzanspruch auf die
Gesundheitsschädigungoder nur auf die Eigentumsverletzung gestützt werden kann ist relevant für den Umfang des
Schadensersatzanspruches. Sämtliche Schäden, die dem Hundebesitzer durch seine psychische Belastung entstehen, sind nach diesem Fall nicht ersatzfähig. Für die Eigentumsverletzung erhält er nach der Maßgabe der §§ 249 ff. BGB nur einen Ersatz für den (wirtschaftlichen) Wert des Hundes. Insofern ist es sehr wichtig, sämtliche verletzte Rechte und Rechtsgüter zu prüfen. Zu Deiner Frage bzgl. des Mitverschuldens: § 254 BGB ist auch zur Bestimmung des Umfangs des
Schadensersatzanspruches im Deliktsrecht voll anwendbar, solange keine spezielleren Regeln existieren. Im konkreten Fall ist der Sachverhalt etwas zu dünn, um das Mitverschulden von F zu begründen. Man könnte hier aber durchaus diskutieren, ob es fahrlässig war, den Hund ohne Leine an dem Feldweg laufen zu lassen. In einer Klausur käme es hier vor allem darauf an, dass Du § 254 BGB thematisierst und die Argumente abwägst. Für welches Ergebnis Du Dich entscheidest, ist nicht so entscheidend. Ich bin mir leider nicht ganz sicher, woher Deine Bezugnahme auf § 840 Abs. 3 BGB im konkreten Fall kommt?
§ 840 BGBbetrifft nur die Fälle, in denen für einen
Schadenmehrere Schuldner haften. Die Norm käme hier nur in Betracht, wenn F den Ersatz aus § 823 Abs. 1 BGB von mehreren Personen fordern könnte. Das ist hier aber nicht ersichtlich. Ein reines Mitverschulden des F ist keine „Haftung“ i.S.v.
§ 840 BGB. Unabhängig davon, dass ich mir nicht sicher bin, welchen Rechtsgedanken aus § 840 Abs. 3 BGB Du hier heranziehen wollen würdest, passt die Norm hier also nicht. Ich hoffe, ich konnte Dir damit weiterhelfen. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team