Zivilrecht

Deliktsrecht

§ 823 Abs. 1 BGB

Schockschäden (Psychische Gesundheitsbeeinträchtigung/psychisch vermittelte Kausalität)

Schockschäden (Psychische Gesundheitsbeeinträchtigung/psychisch vermittelte Kausalität)

24. November 2024

4,8(15.112 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
Tags
Klassisches Klausurproblem

A fährt mit stark überhöhter Geschwindigkeit durch die Spielstraße eines Wohngebiets. Sie kann nicht rechtzeitig bremsen und überfährt das Kind K. Ks Mutter M muss alles mitansehen und erleidet einen schweren seelischen Schock mit andauernden Depressionen.

Diesen Fall lösen 95,7 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Schockschäden (Psychische Gesundheitsbeeinträchtigung/psychisch vermittelte Kausalität)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. M hat eine eigene Rechtsgutsverletzung erlitten.

Ja, in der Tat!

Eine Gesundheitsschädigung liegt bei einer Störung der inneren Lebensvorgänge vor. Die Verletzung kann physisch erfolgen (z.B. Schlagen oder Vergiften) oder (unter weiteren Voraussetzungen) psychisch. Voraussetzung für eine psychische Gesundheitsschädigung ist, dass sie pathologisch (medizinisch feststellbar) ist. M erleidet einen schweren seelischen Schock und andauernde Depressionen. Damit hat M eine Gesundheitsschädigung erlitten.Bis 2022 verlangte die Rechtsprechung zusätzlich, dass der Schaden nach Art und Umfang über das hinausgeht, was von einer Person in der Stellung des Geschädigten erwartet werden kann. Dieses Kriterium hat der BGH nunmehr aufgegeben. Mehr dazu: hier!
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Die Unfallverursachung durch A war äquivalent-kausal für die Rechtsgutsverletzung der M.

Ja!

Nach der Äquivalenztheorie ist jede Tatsache ursächlich für einen Schadenseintritt, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass die Rechtsgutsverletzung in ihrer konkreten Gestalt entfiele. Wäre A nicht zu schnell gefahren, hätte sie K nicht überfahren. Ohne das Überfahren des K hätte M keinen seelischen Schock bekommen. Damit war die Unfallverursachung durch A kausal für die Rechtsgutsverletzung der M.

3. Die Rechtsgutsverletzung der M ist der A auch zurechenbar.

Genau, so ist das!

Die Zurechnung umfasst die Adäquanz und den Schutzzweck der Norm. Problematisch ist, ob Schockschäden vom Schutzzweck der Norm erfasst werden. Grundsätzlich gehören schockierende Ereignisse zum allgemeinen Lebensrisiko. Sie werden daher nicht von § 823 Abs. 1 BGB erfasst. Ausnahme (nach Rspr.): Der Betroffene erlebt die Schädigung eines nahen Angehörigen mit, eine gewisse Erheblichkeitsschwelle wird überschritten (Krankheitswert) und der Anlass des Schocks ist verständlich. M musste mitansehen, wie ihr Kind überfahren wird, was eine emotionale Extremsituation ist. Damit ist die Schädigung der A auch zurechenbar.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Jakob

Jakob

6.7.2023, 12:03:40

In der Erklärung sollte die Rsp. Änderung des BGH (Urt. v. 06.12.2022, Az. VI ZR 168/21) möglicherweise erwähnt werden.

paulmachtexamen

paulmachtexamen

12.7.2024, 18:18:44

Kann denn ein Zeuge eines richtig schlimmen Unfalls, bei dem ein kleines Kind von einem Auto brutal angefahren wird, Ersatz für seinen Schockschaden nach 823 I geltend machen? Zwar gehört er ja nicht zur Personengruppe „nahe Angehörige“, aber ich meine mal gehört zu haben, dass hier eine Ausnahme zu machen ist. Stimmt das?

QUAR

Quarklo

3.9.2024, 17:48:54

Ja das reicht aus. Zwei Fallgruppen sind bei Schockschäden denkbar: direkt Beteiligter Dritter oder nahe Angehörige, wobei bei nahen Angehörigen keine direkte Beteiligung notwendig ist.

KAT

Katharina

28.10.2024, 17:35:53

Es wäre grandios, wenn ihr die Verweise zu den aktuellen Rechtsprechungen und Wiederholungseinheiten auch am Ende der Aufgabe zB bei den Funstellen ergänzen könntet. So müsste man die Aufgabe nicht mitten drin unterbrechen. Vielen Dank!

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

31.10.2024, 16:29:37

Hi Katharina, danke für den Vorschlag! Wir sind bereits an der Konzeptionierung einer solchen Funktion. Lieben Gruß

G0D0FM

G0d0fMischief

5.11.2024, 09:40:55

Hallo, wären die Beerdigungskosten des Kindes nach § 249 II BGB und der Schockschaden der Mutter nach § 253 II BGB zu ersetzen? Ich finde die Zuordnung des ersatzfähigen Schadens gem. §§ 249 ff. BGB zum Teil etwas schwierig zu lösen. Die §§ 249 ff. BGB sind auch in jedem Fall des Schadensersatzes anzusprechen oder? Weil zu Beginn wurden die §§ regelmäßig zugeordnet und gerade in den Falllfragen zum Deliktsrecht hat dies nun abgenommen und es wird eher abstrakt gefragt, ob denn ein ersatzfähiger Schaden entstanden ist. Ich denke gerade in der Examensklausur wird es einem den ein oder anderen Punkt einbringen können, wenn man den ersatzfähigen Schaden sehr genau zuordnen kann. An dieser Stelle aber auch ein sehr großes Lob! Im Rep haben wir die §§ 249 ff. BGB nahezu gar nicht behandelt und ich muss sagen, vieles war mir dann doch nicht bewusst. In Zukunft können so einige Fehler vermieden werden.


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen