Zivilrecht
Sonstige vertragliche Schuldverhältnisse
Dienstvertrag, §§ 611ff. BGB
Behandlungsvertrag nach §§ 630a ff. BGB als besondere Form des Dienstvertrags
Behandlungsvertrag nach §§ 630a ff. BGB als besondere Form des Dienstvertrags
8. Juli 2025
7 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
D hat furchtbare Zahnschmerzen und sucht daraufhin Zahnärztin Z auf. Z erklärt ihr, dass sie im Rahmen eines Behandlungseingriffs die Weisheitszähne der D ziehen müsse. D ist gesetzlich krankenversichert und schließt mit Z einen entsprechenden Vertrag.
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Einordnung des Falls
Behandlungsvertrag nach §§ 630a ff. BGB als besondere Form des Dienstvertrags
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. D und Z haben einen Behandlungsvertrag (§ 630a BGB) zur Vornahme einer Ziehung der Weisheitszähne geschlossen.
Ja, in der Tat!
2. Z schuldet D einen Behandlungserfolg.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Raphaeljura
25.7.2023, 10:56:01
Könnte man hier auch einen Werkvertrag vereinbaren, gerade dann wenn mit herausragenden Behandlungserfolgen geworben wird?

Lukas_Mengestu
1.8.2023, 16:56:45
Hallo Raphaeljura, grundsätzlich gilt im Zivilrechtsverkehr Privatautonomie, d.h. selbstverständlich können die Parteien auch vereinbaren, dass sie - abweichend von der gesetzlichen Konzeption - einen Werkvertrag vereinbaren. Das muss sich aber auch aus der Parteivereinbarung geben. Wegen der Komplexität der Vorgänge im menschlichen Körper und ihrer teilweisen Unbeherrschbarkeit durch den Menschen und auch durch die moderne Medizin dürfte der Arzt regelmäßig gerade nicht dafür einstehen wollen, ein bestimmtes "Werk" oder einen Erfolg zu
schulden, sondern eben nur eine Behandlung nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Heilkunst. Allein aus dem Verweis auf vergangene Erfolge kann man insoweit nicht bereits schließen, dass er sich zur Leistung eines Erfolges verpflichten wollte. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Laura
17.3.2024, 18:30:09
Könnte man hier nicht aber den Erfolg dahingehend annehmen, dass die Weisheitszähne auch tatsächlich entfernt werden sollen?
Paul Hendewerk
11.4.2025, 16:40:42
Grundsätzlich werden sich Ärzte nicht dazu verpflichten wollen, einen konkreten Behandlungserfolg herbeizuführen. Wenn es aber um einen standartisierten ärztlichen Eingriff - wie die Entfernung von Weisheitszähnen - geht, liegt es meines Erachtens näher, einen Werkvertrag anzunehmen.

Sebastian Schmitt
15.6.2025, 14:45:09
Hallo @Laura, hallo @[Paul Hendewerk](274540), selbst bei "Standard"-Eingriffen würde ich das aus den von meinem Kollegen oben genannten Gründen eher zurückhaltend sehen. Ärztliche Behandlungen sind immer fehleranfällig und selbst bei kleinen und routinemäßigen Eingriffen gibt es keine 100 %-ige Sicherheit und Beherrschbarkeit. Nach Staudinger/Gutmann, BGB, Neubearb 2021, § 630a Rn 3 mwN gilt jedenfalls selbst für "scheinbar 'erfolgsbezogene' [Behandlungs-]Verträge", zB mit dem Ziel der Sterilisation oder Schwangerschaftsabbruchs, nichts anderes, auch nicht nach der Rspr. Selbst dann soll es sich also nicht um Werk- sondern um Dienstverträge in der Form des Behandlungsvetrags nach § 630a BGB handeln. Davon nun gerade für die Weisheitszahnentfernung abzuweichen, wenn nicht besondere Umstände oder nähere Anhaltspunkte vorliegen, halte ich zumindest für zweifelhaft. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Vincent
26.5.2025, 15:46:03
Es erschließt sich mir nicht, wieso hier kein Werkvertrag vorliegt. Logischerweise handelt es sich bei einer Vorsorgeuntersuchung um einen Dienstvertrag (lediglich die Untersuchung ist ge
schuldet, kein bestimmter Erfolg) allerdings möchte die D hier doch eindeutig, dass ein Erfolg, nämlich das Entfernen der Weißheitszähne erreicht wird.

Sebastian Schmitt
15.6.2025, 14:32:52
Hallo @[Vincent](211990), es ist nicht vollkommen ausgeschlossen, dass eine medizinische Behandlung auch mal als Werkvertrag einzuordnen ist oder zumindest werkvertragliche Elemente hat. Dafür bräuchten wir aber besondere Anhaltspunkte, anhand derer wir den Erklärungen beider (!) Vertragsparteien ein solches vereinbartes Ziel nach §§ 133,
157 BGBentnehmen können (MüKoBGB/Busche, 9. Aufl 2023, § 631 Rn 125). Was der Patient will, kann nicht allein maßgeblich sein - er wird natürlich am liebsten die "Garantie" haben wollen, dass es ihm danach "besser geht", zB der Tumor entfernt wird oder die Weisheitszähne sämtlich und möglichst schmerz- und nebenwirkungsfrei gezogen sind. Es kommt aber auch darauf an, ob der behandelnde Arzt sich zu einem entsprechenden Behandlungserfolg verpflichten wollte bzw man das in seine Erklärung vernünftiger- und fairerweise hineinlesen kann. Das soll nach der recht hM in Rspr und Lit eben nur ausnahmsweise der Fall sein, selbst bei "scheinbar 'erfolgsbezogene[n]' Verträge[n]" wie Sterilisation oder Schwangerschaftsabbruch (so explizit Staudinger/Gutmann, BGB, Neubearb 2021, § 630a Rn 3 mwN). Grund dafür ist derselbe wie bei nicht-zahnärztlichen Behandlungen: Der menschliche Körper ist keine Maschine (ja ja, Markus Rühl natürlich ausgenommen ;) ) und die Zusammenhänge und Wechselwirkungen sind komplex, deswegen sind Behandlungsmaßnahmen nie 100 %-ig beherrschbar und Behandlungsergebnisse nie garantiert (Staudinger aaO; instruktiv auch MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl 2023, § 630a Rn 4). Für die zahnärztliche Behandlung gilt, jedenfalls nach der Rspr, insoweit nichts grundlegend anderes als für die nicht-zahnärztliche Behandlung (MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl 2023, § 630a Rn 6 mwN). Diese Grundsätze dürften auch für eine vereinbarte Weisheitszahnentfernung gelten, sodass wir ohne nähere Absprachen oder besondere Umstände einen (besonderen) Dienstvertrag in Form eines Behandlungsvertrags nach § 630a BGB annehmen müssen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team