Zeitpunkt der Unrechtseinsicht 1
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T weiß, dass das Zerkratzen von Polizeiautos strafbar ist. Als ein Freund von ihr - ein Polizist - ihr erzählt, dass das legal sei, glaubt sie diesem und geht fest davon aus. Als T daraufhin ein Polizeiauto zerkratzt, nimmt der Polizistenfreund sie in Gewahrsam.
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Einordnung des Falls
Zeitpunkt der Unrechtseinsicht 1
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hatte Tatbestandsvorsatz
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. T hatte die Einsicht, Unrecht zu begehen bei Begehung der Tat.
Nein, das ist nicht der Fall!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
objektivezurechnung
25.9.2023, 11:08:31
Muss die Unrechtseinsicht während der gesamten Begehung der Tat bestehen oder reicht es, wenn sie nur begrenzte Zeit (z.B. bei einem von drei Schlägen) besteht?
Nora Mommsen
28.9.2023, 18:54:32
Hallo
objektive Zurechnung, danke für deine Frage. Nach dem sich aus § 8 StGB ergebenden
Koinzidenzprinzipmüssen alle für die Tatbestandserfüllung erforderlichen Merkmale gleichzeitig gegeben sein. Das heißt das bestehen für begrenzte Zeit reicht dann aus, wenn er zumindest auch in diesem Zeitpunkt die
Tathandlungvornimmt und alle weiteren Merkmale erfüllt. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Tinki
7.8.2024, 12:53:56
@[
Nora Mommsen](178057) Könntest du das vielleicht nochmal genauer erklären? Vielleicht auch mit dem Beispiel von @[objektivezurechnung](215516)? Vielen Dank!
alexd.227
18.1.2024, 18:45:00
der vorsatz definiert sich doch durch die erfüllung eines gesetzlichen tatbestandes in kenntnis aller objektiven
tatumstände. warum entfällt der vorsatz dann nicht in allen diesen Fällen?
Leo Lee
20.1.2024, 15:00:01
Hallo alexd.227, vielen Dank für diese sehr gute und wichtige Frage! Du hast völlig Recht, dass der Vorsatz durch die Erfüllung in Kenntnis aller objektiven
Tatumständedefiniert wird. D.h. also, der Täter muss z.B. in diesem Fall erkennen, dass der objektive Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllt wird bzw. dass er diesen erfüllt. Also muss er wissen, dass er das Auto gerade zerkratzt; dies tut er. Ich vermute, dass du dich fragst, weshalb der Vorsatz trotz der Tatsache, dass der T GLAUBT, das Zerkratzen sei her legal, nicht den Vorsatz entfallen lässt. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass der irrtümliche Glaube, etwas sei legal, sich auf der Ebene der SCHULD relevant wird. Wenn jemand glaubt, etwas sei legal, denkt er, das sei ERLAUBT. Dies nennt sich wiederum Verbotsirrtum gem.
§ 17 StGB. Wenn der Täter jedoch weiß, dass er gerade – wie hier – den objektiven Tatbestand erfüllt, besteht schon mal der Tatbestand. Dass er von der Legalität ausgeht, ist eine Frage der Schuld und des Verbotsirrtums. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von Kindhäuser/Zimmermann AT 9. Auflage, § 26 Rn. 1 ff. und INSBESONDERE die sehr übersichtlich gestaltete und aufbereitete Tabelle mit der Rn. 18 empfehlen (das Buch findest du unter Entdecken --> Bücher!) :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo