Öffentliches Recht

Staatsorganisations-Recht

Gesetzgebungskompetenzen

Land erlässt Gesetz gegen Bundesgesetz - „Landeskulturgutschutzgesetz“ [F]

Land erlässt Gesetz gegen Bundesgesetz - „Landeskulturgutschutzgesetz“ [F]

9. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der Bund beschließt eine Änderung des (Bundes-)Kulturgutschutzgesetzes (KGSG). Danach ist koloniale Raubkunst (vor Allem Kunstwerke und bedeutende Kulturgegenstände) binnen eines Jahres zurückzugeben. Das Berliner Abgeordnetenhaus verabschiedet daraufhin das „Landeskulturgutschutzgesetz“ (LKSchG), wonach die Ausfuhr sämtlichen Kulturguts aus öffentlichen Berliner Sammlungen stets von einer Zustimmung des regierenden Bürgermeisters abhängig sein soll.

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Einordnung des Falls

Land erlässt Gesetz gegen Bundesgesetz - „Landeskulturgutschutzgesetz“ [F]

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das LKSchG ist formell verfassungswidrig, soweit dem Land die Gesetzgebungskompetenz (Art. 70-74 GG) für das LKSchG fehlt.

Ja, in der Tat!

Die Gesetzgebungskompetenz ist neben dem Gesetzgebungsverfahren eine zwingende Voraussetzung für die formelle Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes. War der Gesetzgeber nicht gesetzgebungsbefugt, ist das Gesetz insoweit formell verfassungswidrig.
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2. Grundsätzlich haben die Länder die Gesetzgebungskompetenz inne (Art. 30 GG; Art. 70 Abs. 1 Hs. 1 GG).

Ja!

Art. 30 GG; Art. 70 Abs. 1 Hs. 1 GG regelt den Grundsatz der Länderzuständigkeit für die Gesetzgebung. Fehlt es an einer geschriebenen oder ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenz des Bundes, sind demnach die Länder zuständig (Art. 70 Abs. 1 Hs. 1 GG). Der Grundsatz der Länderzuständigkeit (Art. 30 GG; Art. 70 Abs. 1 Hs. 1 GG) ist Ausgangspunkt jeder Prüfung der Gesetzgebungskompetenzen. Wenn Du diesen Grundsatz nicht zum Einstieg erläuterst, wird Dir unterstellt, dass Du die Aufteilung der Staatsgewalt zwischen Bund und Ländern nicht verstehst.

3. Die Regelungen des LKSchG unterfallen der „Kulturhoheit der Länder“, weshalb eine Prüfung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes entbehrlich ist.

Nein, das ist nicht der Fall!

In der Prüfung darfst Du Gesetzgebungskompetenzen der Länder grundsätzlich nicht positiv belegen. Sie ergeben sich vielmehr negativ daraus, dass ein Kompetenztitel des Bundes fehlt (Subtraktionsmethode). Die Gesetzgebungskompetenzen der Länder ergeben sich dann aus dem Grundsatz der Länderzuständigkeit (Art. 70 Abs. 1 Hs. 1 GG). Die Kulturhoheit der Länder ist im GG nicht (positiv) normiert, sondern folgt (negativ) daraus, dass es im GG kaum Kompetenztitel des Bundes für den Kultusbereich gibt.

4. Ein Kompetenztitel des Bundes aus Art. 73 Abs. 1 GG für das LKSchG ist absolut fernliegend.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für den „Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland“ (Art. 73 Abs. 1 Nr. 5a GG). Der allgemeinere Kompetenztitel zum „Waren- und Zahlungsverkehrs mit dem Auslande“ (Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG) muss dahinter zurücktreten.

5. Das LKSchG trifft Regelungen über den „Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland“ (Art. 73 Abs. 1 Nr. 5a GG).

Ja!

Kulturgüter sind Kunstwerke und andere Kulturgegenstände im privaten und öffentlichen Besitz, die national wertvoll sind (vgl. auch § 2 Nr. 10 KGSG). Dieses Kulturgut ist deutsch wenn es (1) deutscher Urheberschaft ist und in Deutschland liegt. Darüber hinaus soll auch (2) Kulturgut ausländischer Herkunft erfasst sein, wenn es sich nicht nur vorübergehend im Geltungsbereich des GG befindet (str.). Mit Schutz gegen Abwanderung sind Maßnahmen gegen das dauerhafte Entfernen aus dem Geltungsbereich des Grundgesetzes gemeint. Das LKSchG erfasst sämtliche Kulturgüter in öffentlichen Berliner Sammlung. Damit sind auch solche gemeint, die aus dem Ausland geraubt und mittlerweile nicht nur vorübergehend in Berlin, also im Geltungsbereich des GG, belegen sind. Das LKSchG würde die Ausfuhr dieses Kulturguts von einer zusätzlichen Genehmigung abhängig machen und damit eine Maßnahme zur Verhinderung des dauerhaften Entfernens darstellen.

6. Die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 71 Hs. 1 GG sperrt die Gesetzgebungskompetenz der Länder.

Genau, so ist das!

Hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz, entfaltet Art. 71 GG grundsätzlich eine Sperrwirkung für die Gesetzgebung der Länder: Sie dürfen keine Gesetze in diesen Sachbereichen erlassen und bereits erlassene Gesetze werden vom BVerfG wegen des Verstoßes gegen Art. 71 Hs. 1 GG regelmäßig für nichtig erklärt. Die Sperrwirkung des Art. 71 Hs. 1 GG tritt automatisch und unabhängig davon ein, ob und inwieweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht Gebrauch gemacht (Systematik, Umkehrschluss aus Art. 72 Abs. 1 GG) hat. Das unterscheidet die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz von der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz (Art. 72 Abs. 1 GG).

7. Der Bund hat die Länder im KGSG zur Gesetzgebung ermächtigt (Art. 71 Hs. 2 GG).

Nein, das trifft nicht zu!

Als Ausnahme zur Sperrwirkung (Art. 71 Hs. 1 GG) können die Länder dennoch gesetzgebungsbefugt sein, wenn sie durch ein Bundesgesetz zur Gesetzgebung ausdrücklich ermächtigt werden (Art. 71 Hs. 2 GG). Die Gesetzgebungskompetenz der Länder leitet sich dann von diesem Bundesgesetz in Verbindung mit Art. 71 Hs. 2 GG ab. Wenn der Sachverhalt diesbezüglich keine Informationen enthält, solltest Du in der Prüfung kurz feststellen, dass keine solche Ermächtigung vorliegt. Damit kannst Du zeigen, dass Du Art. 71 GG ordentlich gelesen hast. Der Bund hat die Länder nicht im Sinne des Art. 71 Hs. 2 GG zur Gesetzgebung ermächtigt.

8. Das Land Berlin hat die Gesetzgebungskompetenz für das LKSchG.

Nein!

Das LKSchG fällt unter den ausschließlichen Kompetenztitel für den „Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland“ (Art. 73 Abs. 1 Nr. 5a GG). Die Länder sind somit grundsätzlich von der Gesetzgebung ausgeschlossen (Art. 71 Hs. 1 GG). Die Länder wurden auch nicht zur Gesetzgebung ausdrücklich ermächtigt (Art. 71 Hs. 2 GG). Somit ist eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes gegeben. Die formelle Verfassungswidrigkeit von Landesgesetzen auf dem Gebiet der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz resultiert unmittelbar aus Art. 71 Hs. 1 GG. Diese Norm ist lex specialis gegenüber Art. 31 GG.
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