Art. 38 Abs. 3 GG - "Maske im Wahllokal" [F]

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Das Coronavirus grassiert im Herbst 2021 in Deutschland. Es stehen aber auch Bundestagswahlen an. Um die Bundestagswahl überhaupt durchführen zu können, beschließt der Bundestag das „Sichere-Wahl-Gesetz“ (SWG). In § 3 SWG wird unter anderem eine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in Wahllokalen angeordnet.

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Einordnung des Falls

Art. 38 Abs. 3 GG - "Maske im Wahllokal" [F]

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. § 3 SWG ist formell verfassungswidrig, soweit dem Bund die Gesetzgebungskompetenz (Art. 70-74 GG) fehlt.

Ja!

Die Gesetzgebungskompetenz ist neben dem Gesetzgebungsverfahren eine zwingende Voraussetzung für die formelle Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes. War der Gesetzgeber nicht gesetzgebungsbefugt, ist das Gesetz insoweit formell verfassungswidrig.
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2. Grundsätzlich haben die Länder die Gesetzgebungskompetenz inne (Art. 30 GG; Art. 70 Abs. 1 Hs. 1 GG).

Genau, so ist das!

Art. 30 GG; Art. 70 Abs. 1 Hs. 1 GG regelt den Grundsatz der Länderzuständigkeit für die Gesetzgebung. Fehlt es an einer geschriebenen oder ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenz des Bundes, sind demnach die Länder zuständig (Art. 70 Abs. 1 Hs. 1 GG). Der Grundsatz der Länderzuständigkeit (Art. 30 GG; Art. 70 Abs. 1 Hs. 1 GG) ist Ausgangspunkt jeder Prüfung der Gesetzgebungskompetenzen. Wenn Du diesen Grundsatz nicht zum Einstieg erläuterst, wird Dir unterstellt, dass Du die Aufteilung der Staatsgewalt zwischen Bund und Ländern nicht verstehst.

3. Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz (Art. 71 GG) für § 3 SWG, weil ein Kompetenztitel im Sinne des Art. 73 Abs. 1 GG einschlägig ist.

Nein, das trifft nicht zu!

Keine der in Art. 73 Abs. 1 GG aufgelisteten Materien hat einen Bezug zur Bundestagswahl.

4. Können ausschließliche Kompetenztitel auch außerhalb des Art. 73 Abs. 1 GG stehen?

Ja!

Art. 73 Abs. 1 GG ist keine abschließende Aufzählung der Kompetenztitel der ausschließlichen Gesetzgebung. Im GG finden sich an verschiedenen Stellen weitere ausschließliche Kompetenztitel. Derartige Kompetenztitel erkennst Du insbesondere an der Verwendung des Begriffs „Bundesgesetz“ im GG (vgl. nur Art. 21 Abs. 5 GG; Art. 38 Abs. 3 GG). Diese Kompetenztitel werden oft übersehen, sind aber immer wieder Gegenstand von Prüfungen. Du darfst bei der Suche nach ausschließlichen Kompetenztiteln also keinesfalls bei Art. 73 Abs. 1 GG stehen bleiben!

5. Mit Art. 38 Abs. 3 GG ist ein ausschließlicher Kompetenztitel einschlägig.

Genau, so ist das!

Art. 38 Abs. 3 GG lautet: „Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.“ Darin ist ein ausschließlicher Kompetenztitel für die gesetzliche Ausgestaltung des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag zu sehen. § 3 SWG sieht eine Maskenpflicht im Wahllokal vor. Damit wird eine Regelung darüber getroffen, wie aktiv Wahlberechtigte ihre Stimme abgeben können. Ausschließliche Kompetenztitel außerhalb von Art. 73 Abs. 1 GG erkennst Du insbesondere an der Verwendung des Begriffs „Bundesgesetz“ im GG.

6. Allerdings kommt auch Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG als konkurrierender Kompetenztitel in Betracht.

Ja, in der Tat!

Von Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 Var. 1 GG sind insbesondere „Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen“ erfasst. Gemeingefährlich sind verbreitet auftretende Krankheiten, die zu schweren Gesundheitsschäden oder gar zum Tod führen können. Übertragbar sind nicht nur unmittelbar ansteckende Krankheiten, sondern alle Infektionskrankheiten. Im Herbst 2021 waren Infektionen mit Covid-19 weit verbreitet und haben vielen Menschen das Leben gekostet. Zudem handelt es sich um eine Infektionskrankheit. Die Maskenpflicht im Wahllokal dient auch der Verhinderung weiterer Infektionen.

7. Der Schwerpunkt von § 3 SWG liegt auf dem Infektionsschutz (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 Var. 1 GG).

Nein!

Sind mehrere Kompetenztitel potentiell einschlägig, ist entscheidend, bei welchem Kompetenztitel der Schwerpunkt der Regelung liegt. Die Maskenpflicht soll weitere Infektionen verhindern. Allerdings handelt es sich bei § 3 SWG nicht um eine allgemeine Maskenpflicht. Sie ist in örtlicher Hinsicht auf das Wahllokal beschränkt. Daran wird deutlich, dass der primäre Zweck ist, die ordnungsgemäße Durchführung der Bundestagwahl zu gewährleisten. Ob so eine Regelung auch verhältnismäßig wäre, ist eine Frage der materiellen Verfassungsmäßigkeit.

8. Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für das SWG.

Genau, so ist das!

Das SWG fällt unter den ausschließlichen Kompetenztitel für die Regelung des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag (Art. 38 Abs. 3 GG). Die Länder sind somit grundsätzlich von der Gesetzgebung ausgeschlossen (Art. 71 Hs. 1 GG). Die Länder wurden auch nicht zur Gesetzgebung ausdrücklich ermächtigt (Art. 71 Hs. 2 GG). Somit ist eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes gegeben.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DIAA

Diaa

4.10.2023, 17:22:47

Kommen immer mehrere Kompetenztittel aus verschiedenen Artikeln oder kann es auch mal sein, dass sie sich aus dem gleichen Artikel ergeben z.B. aus Art. 73 nur.

Paul König

Paul König

5.10.2023, 09:21:33

Hey @[Diaa](211889), das ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Hier lässt sich keine allgemeine Aussage treffen Wichtig ist, dass Du Dich am Ende auf einen Kompetenztitel festlegst und das nicht offen lässt (siehe die Aufgaben im Einführungskapitel zu den Kompetenzen). Beste Grüße - Paul (für das Jurafuchs-Team) @[Lukas_Mengestu](136780) @[

Nora Mommsen

](178057)


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