Art der Kundgabe: Reichweite der Meinungsäußerungsfreiheit: nur mit friedlichen Mitteln 3: Lüth
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Erich Lüth (L) ruft öffentlich zum Boykott des neuen Films von Veit Harlan (H) „Unsterbliche Geliebte“ auf. Den Boykottaufruf begründete L mit Hs nationalsozialistischer Vergangenheit. Adressat des Boykottaufrufs sind Filmtheater und Zuschauer.
Einordnung des Falls
Art der Kundgabe: Reichweite der Meinungsäußerungsfreiheit: nur mit friedlichen Mitteln 3: Lüth
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der öffentliche Boykottaufruf seitens L stellt eine Meinungskundgabe (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) dar.
Ja, in der Tat!
2. Boykottaufrufe stellen generell eine unfriedliche Meinungskundgabe dar.
Nein!
3. Ein Boykottaufruf ist unfriedlich, wenn wirtschaftlicher Druck ausgeübt wird.
Genau, so ist das!
4. Vorliegend handelt es sich bei dem Boykottaufruf um eine friedliche Meinungsäußerung.
Ja, in der Tat!
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Diaa
11.10.2023, 20:17:14
Wann wäre dann ein "wirtschaftlicher Druck" anzunehmen?
Bilbo
29.12.2023, 11:58:05
Das würde mich auch interessieren. Wenn dem Aufruf Folge geleistet wird, so zieht der (erfolgreiche) Boykott ja grundsätzlich eine wirtschaftliche Schlechterstellung, bzw. eine gewisse Belastung nach sich. Wie grenzt man da ab?
![Simon](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__mpwftaezmgoblr0ksqhyx9i41.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Simon
4.2.2024, 21:29:11
Sehr instruktiv hierzu ist in der Tat BVerfGE 25, 256 - Blinkfüer. Dort riefen der Axel-Springer sowie der Welt-Verlag Zeitungshändler zum Boykott der Zeitschrift "Blinkfüer" auf und drohten mit Liefersperren für den Fall der Zuwiderhandlung. Aufgrund der Ausnutzung ihrer marktbeherrschenden Stellung, nahm das BVerfG eine von Art. 5 GG nicht mehr gedeckte Meinungsäußerung an. Im Gegensatz zum Lüth-Urteil (Abgrenzung bei BVerfGE 25, 256, 267) wurde den Adressaten des Aufrufs keine Möglichkeit gelassen, sich für oder gegen den Boykott zu entscheiden. Damit lag nicht mehr nur ein "geistiger Meinungskampf" vor, sondern anderen Personen wurde die eigene Meinung aufgezwungen. Dass der Boykottierte selbst wirtschaftlichen Druck verspürt ist mE insofern unbeachtlich, als dies im Lüth-Urteil auf der freien Entscheidung der Konsumenten beruhte (niemand ist ja verpflichtet, sich einen bestimmten Kinofilm anzusehen) und auf diese ihrerseits kein Druck ausgeübt wurde (es drohten keine wirtschaftlichen Nachteile, sollten sie sich nicht an den Boykott halten).