U-Haft – Materielle Voraussetzungen
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der Franzose F erschießt auf offener Straße grundlos den O. Dabei wird er zufällig von Kameraleuten dreier Fernsehsender gefilmt. F flieht nach der Tat und wird kurz vor der französischen Grenze von der Polizei vorläufig festgenommen. Nach Sichtung der Aufnahmen erlässt der Richter auf Antrag der Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl.
Einordnung des Falls
U-Haft – Materielle Voraussetzungen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ein dringender Tatverdacht besteht.
Ja!
2. Auch ein Haftgrund liegt vor.
Genau, so ist das!
3. Die Untersuchungshaft ist unverhältnismäßig.
Nein, das trifft nicht zu!
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AG-Leiter
21.8.2022, 13:22:55
Als Haftgrund besteht hier insbesondere Par. 112 Abs. 3 StPO.
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Nora Mommsen
21.8.2022, 17:29:30
Hallo AG-Leiter, das stimmt. Allerdings ist dieser subsidiär zu den Haftgründen aus § 112 Abs. 2 StPO und § 112a StPO. Sofern also einer der anderen Haftgründe vorliegt, darf auf § 112 Abs. 3 StPO nicht mehr zurückgegriffen werden. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
AG-Leiter
23.8.2022, 10:45:46
Hallo Nora, danke für Deine Antwort! Woraus soll sich diese Subsidiarität ergeben? Der Haftgrund des 112 Abs. 3 steht im Gesetz selbstständig neben 112 Abs. 2 StPO, so dass der Haftbefehl sowohl nach Wortlaut und auch Systematik sowohl auf Haftgründe des 112 Abs. 2 StPO als auch auf 112 Abs. 3 StPO gestützt werden kann. Vgl etwa KK-Graf, Rn 43 (anders soweit ersichtlich lediglich OLG Düsseldorf, NJW 1965, 2118 - dort wird allerdings eine Spezialität und gerade keine Subsidiarität des 112 Abs. 3 (damals Abs. 4) angenommen). Viele Grüße
Karolina
11.9.2022, 12:04:58
Ich finde die Formulierung, F sei Franzose und deshalb sei Fluchtgefahr anzunehmen, so eher fragwürdig. Allein aus der Nationalität Fluchtgefahr zu bejahen, ist meines Wissens unzulässig…
![Nora Mommsen](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__1g4ube287wphue6xpdn8yy675.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Nora Mommsen
13.9.2022, 15:30:39
Hallo Karolina, dies ist absolut richtig. Die Fluchtgefahr kann sich nicht allein aus der Nationalität ergeben, hier entstand dies aus dem Zusammenspiel damit, dass er schon an der deutsch-französischen Grenze war, als er aufgehalten wurde. Insbesondere bei EU-Bürgern können ausländische Nationalitäten und Kontakte nicht dieselbe Rolle spielen wie bei anderen Staaten, denn aufgrund des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13.6.2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten muss der Beschuldigte jederzeit mit seiner Auslieferung rechnen. Wir haben einen entsprechenden Hinweis in der Aufgabe ergänzt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
![dario.b](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__opjglrivgkgvwfsdtnrug.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
dario.b
21.6.2024, 19:32:55
In der Vertiefung steht, dass allein die gewisse Wahrscheinlichkeit einer Flucht in das EU-Ausland nicht ausreicht, vor dem Hintergrund, dass im Zweifel ein EU-Haftbefehl erwirkt werden kann. Dies dürfte doch jedenfalls derzeit vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH (Rs.: C-508/18, C-82/19, C-509/18) zu dem Erlass von europäischen Haftbefehlen durch deutsche Staatsanwälte eingeschränkt sein, oder?