Rücknahme eines belastenden VAs: § 48 Abs. 1 VwVfG: Nichtigkeit der Ermächtigungsgrundlage
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Ein neues Gesetz ermächtigt die Gemeinde G, einzelnen Hauseigentümern die Struktur der Außenfassade vorzugeben. G verfügt gegenüber E, dass er an seiner Außenfassade Kreuze anbringen muss. Noch bevor der Verwaltungsakt bestandskräftig ist, wird das Gesetz vom BVerfG für nichtig erklärt.
Einordnung des Falls
Rücknahme eines belastenden VAs: § 48 Abs. 1 VwVfG: Nichtigkeit der Ermächtigungsgrundlage
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Verwaltungsakte können nur von Gerichten aufgehoben werden.
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Nein!
2. Maßgeblich für die Frage, ob ein Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig ist, ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Erlasses.
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Genau, so ist das!
3. Weil die Ermächtigungsgrundlage nichtig ist, ist der an E gerichtete Verwaltungsakt rechtswidrig. G kann ihn nach § 48 VwVfG zurücknehmen.
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Ja, in der Tat!
4. Dass E an seiner Außenfassade Kreuze anbringen soll, ist ein belastender Verwaltungsakt. Eine Rücknahme richtet sich deswegen nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG.
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Ja!
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TeamRahad 🧞
11.8.2021, 08:19:12
Die letzte Aussage ist mE falsch. Weil der VA belastend ist, richtet sich die Rücknahme doch nach 48 I *2* (iVm II-IV) 🤔
Victor
12.8.2021, 08:45:06
Gerade nicht. Der S. 2 bezieht sich doch auf begünstigende VA und hier ist S. 1 einschlägig

TeamRahad 🧞
12.8.2021, 08:54:23
🤦 danke Victor!! Da war ich offensichtlich zu blöd zum Lesen 🙈🙈
Geasoph
1.9.2021, 17:17:51
Wäre der VA bereits bestandskräftig, bliebe er, wenn er auf einem vom BVerfG für nichtig erklärten Gesetz beruht, von der Nichtserklärung nach 79 II 1 BVerfGG unberührt, oder?
AliDaei24
21.10.2021, 16:21:53
mE kommt es auf die Bestandskraft hier gerade nicht an. Darauf käme es etwa an, wenn es darum geht, ob der Adressat einen Anspruch auf Rücknahme (nicht Widerruf) hat.
Wendelin Neubert
7.12.2021, 19:29:51
Hallo Geasoph, AliDaei24 hat recht, es kommt nicht auf die Bestandskraft an. Denn nach dem Wortlaut des § 48 Abs. 1 S. 1 (L)VwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt zurückgenommen werden auch nachdem er unanfechtbar (= bestandskräftig) geworden ist. Aber nur zur sauberen Terminologie: Die auf ein Gesetz bezogene Nichtigkeitserklärung des BVerfG beseitigt einen Verwaltungsakt nicht, der auf dem nichtigen Gesetz beruhte, - egal ob bestandskräftig oder nicht - , sondern führt ex tunc zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts und ermöglicht der Behörde die Rücknahme des Verwaltungsakts. Hoffe das hilft. Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team