Öffentliches Recht

Grundrechte

Allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG)

Recht auf Selbstbestimmung: Recht des Straftäters auf Resozialisierung

Recht auf Selbstbestimmung: Recht des Straftäters auf Resozialisierung

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Strafgefangener S muss eine Freiheitsstrafe verbüßen. Ihm wird eine tägliche Pflichtarbeit als Reinigungskraft im Gefängnis zugewiesen. Diese Arbeit wird nicht vergütet.

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Einordnung des Falls

Recht auf Selbstbestimmung: Recht des Straftäters auf Resozialisierung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S unterliegt als Strafgefangener einem besonderen Gewaltverhältnis. Er kann sich nicht auf die Grundrechte berufen.

Nein, das trifft nicht zu!

Die früher vertretene Auffassung, wonach bestimmte Personengruppen aufgrund einer bestimmten Beziehung zum Staat sich nicht auf die Grundrechte berufen können (sog. besonderes Gewaltverhältnis), ist seit der Strafgefangenen-Entscheidung des BVerfG überholt. S ist Grundrechtsträger und kann sich vollumfänglich auf die Grundrechte berufen. Neben Strafgefangenen unterliegen Schüler, Beamte, Soldate und andere einem besonderen Gewaltverhältnis. Sie können sich aber allesamt vollumfänglich auf die Grundrechte berufen. Du kannst die Thematik in der Klausur bei einer der genannten Personengruppen ansprechen, aber bitte nur einen Satz darauf verwenden!
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2. S hat einen grundrechtlichen Anspruch darauf, dass im Rahmen seiner Pflichtarbeit als Strafgefangener auch auf eine Resozialisierung des S hingewirkt wird.

Ja!

Die Menschenwürde sowie das Sozialstaatsprinzip gebieten es, dass einem Strafgefangenen Fähigkeit und Wille zu verantwortlicher Lebensführung vermittelt werden. Er soll in der freien Gesellschaft rechtsbruchfrei bestehen können. Die Verfassung gebietet es deshalb, den Strafvollzug auf das Ziel der Resozialisierung der Gefangenen hin auszurichten. Der einzelne Gefangene hat hierauf aus Art.2 Abs.1 i.V.m. Art.1 Abs.1 GG einen grundrechtlichen Anspruch (Recht auf Resozialisierung). Die Pflichtarbeit ist Teil des Strafvollzugs. Damit ist auch sie gemäß Art.2 Abs.1 i.V.m. Art.1 Abs.1 GG auf das Ziel der Resozialisierung des S auszurichten.

3. Das Recht auf Resozialisierung gebietet es, dass die Arbeit des S angemessene Anerkennung findet.

Genau, so ist das!

Pflichtarbeit im Gefängnis stellt nur dann ein wirksames Resozialisierungsmittel dar, wenn sie auch zur Verfolgung des Ziels der Resozialisierung geeignet ist. Dazu muss durch die Pflichtarbeit dem Gefangenen der Wert seiner Arbeit für eine verantwortliche Lebensführung vermittelt werden. Dem S wird der Wert seiner Arbeit für eine verantwortliche Lebensführung vermittelt, wenn ihm dieser Wert in Form eines greifbaren Vorteils vor Augen geführt wird. Hierzu muss die Arbeit angemessene Anerkennung finden.

4. Das Recht auf Resozialisierung gebietet es, dass S für seine Arbeit finanziell vergütet wird.

Nein, das trifft nicht zu!

Das Recht auf Resozialisierung fordert nur angemessene Anerkennung der Arbeit des Gefangenen. Angemessene Anerkennung muss nicht zwingend finanzieller Art sein. Der Gesetzgeber kann im Rahmen seines Einschätzungsspielraums auch andere Anerkennungskonzepte wie beispielsweise die Verkürzung der Haftstrafe vorsehen. S Arbeit muss somit nur angemessene Anerkennung erfahren. Diese kann aber auch auf andere Weise als in Form finanzieller Vergütung erfolgen. In seinem jüngsten Urteil zur Vergütung Strafgefangener hat das BVerfG entschieden, dass eine Vergütung von 2 € nicht ausreichend ist. Vielmehr könne es einen negativen Einfluss auf die Resozialisierung haben, wenn sich die Strafgefangenen durch eine zu geringe Vergütung nicht ausreichend wertgeschätzt fühlen. Das BVerfG begründete seine Entscheidung insbesondere mit dem besonderen Gewicht, das das Gebot der Resozialisierung bei Freiheitsstrafen erlangt. Hier werde die individuelle Lebensführung weitgehend durch den Staat bestimmt. Daher solle den Gefangenen die Fähigkeit und der Wille vermittelt werden, ihr Leben künftig wieder eigenverantwortlich zu führen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

RAP

Raphaeljura

6.5.2023, 01:52:32

Gängige Praxis ist wohl oft finanzielle Vergütung und diese in sehr geringer Höhe. Wäre eine alleinige geringe finanzielle Vergütung ohne Haftverkürzung angemessen?

CH

ChrissiCJ

6.7.2023, 14:25:15

Ergänzt doch dazu bitte die neuste Entscheidung dazu. Urt. v. 20.06.2023, Az. 2 BvR 166/16; 2 BvR 1683/17

Nora Mommsen

Nora Mommsen

10.7.2023, 08:22:14

Hallo ChrissiCJ, danke für die Anregung! Das haben wir direkt ergänzt. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

DIAA

Diaa

11.10.2023, 16:26:26

Wieso sollte die letzte Frage mit "nein" beantwortet werden, wenn eine finanzielle Vergütung doch auch von

APR

im Wege der Resozialisierung umfasst wird?

Hanna

Hanna

13.1.2024, 15:18:47

Ich habe das jetzt so verstanden, dass es nur auf die Anerkennung der Leistung ankommt. Die kann, muss aber nicht, finanziell erfolgen. In der Erklärung findet sich als Beispiel ja auch die Verkürzung der Haftstrafe. In der Realität läuft es wohl meistens auf eine finanzielle Anerkennung hinaus, weil sie messbar und am unkompliziertesten ist

QUIG

QuiGonTim

25.6.2024, 16:06:23

Im Text steht an einer Stelle, dass sich das Recht auf Resozialisierung aus der Menschenwürdegarantie in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ergebe. Im weiteren Verlauf wird es dann als Bestandteil des

APR

bezeichnet. Wie würde man es in der Klausr am sinnvollsten Herleiten?


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