Form der Bürgschaftserklärung, 350 HGB (OHG-Gesellschafter)

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Snuggles und Dennis sind Gesellschafter der Flugtaxi-OHG. S ruft bei G an und möchte bei ihr die notwendigen Bauteile bestellen. G hält Flugtaxis für Quatsch und ein Scheitern der OHG für eine Frage der Zeit. Sie verlangt daher von Snuggles, dass er noch am Telefon für alle aus dem Vertrag entstehenden Ansprüche gegen die OHG bürgt.

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Einordnung des Falls

Form der Bürgschaftserklärung, 350 HGB (OHG-Gesellschafter)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wenn für den Bürgen die Bürgschaft ein Handelsgeschäft (§§ 343, 344 HGB) ist, greifen die besonderen Vorschriften der §§ 349, 350 HGB. Der Bürge ist dann weniger schutzbedürftig.

Genau, so ist das!

Auf eine Bürgschaft, die für den Bürgen ein Handelsgeschäft darstellt (§ 343 HGB), findet die Formvorschrift des § 766 S. 1 und 2 BGB keine Anwendung (§ 350 HGB). Auch die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB) steht dem Bürgen dann nicht zu (§ 349 HGB). Diese Regelungen tragen der besonderen Geschäftserfahrung von Kaufleuten und dem Bedürfnis des Handelsverkehrs nach einfacher und schneller Abwicklung Rechnung. Handelsgeschäfte sind alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehören (§ 343 Abs. 1 HGB).
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2. Für S ist die Bürgschaft ein Handelsgeschäft (§ 343 Abs. 1 HGB).

Ja, in der Tat!

Handelsgeschäfte sind alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehören (§ 343 Abs. 1 HGB). Kaufmann ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt (§ 1 Abs. 1 HGB) (Ist-Kaufmann). Nach der Rechtsprechung sind auch die persönlich haftenden Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft selbst Kaufleute. Da Personenhandelsgesellschaften nicht zur juristischen Person verselbstständigt seien, werde das Handelsgewerbe der Gesellschaft insbesondere von den dahinterstehenden Gesellschaftern betrieben. Und wer ein Handelsgewerbe betreibt, ist Kaufmann (§ 1 Abs. 1 HGB). So auch Snuggles und Dennis. Die Betriebszugehörigkeit wird vermutet (§ 344 Abs. 1 HGB).

3. S kann die Bürgschaftserklärung für die aus dem Kaufvertrag mit G entstehenden Forderungen für die Flugtaxi-OHG mündlich abgeben (§ 766 BGB, § 350 HGB).

Ja!

Auf eine Bürgschaft, die für den Bürgen ein Handelsgeschäft darstellt (§ 343 HGB), findet die Formvorschrift des § 766 S. 1 und 2 BGB keine Anwendung (§ 350 HGB). Die Befreiung von dem Formerfordernis für Kaufleute wird durch die besondere Geschäftserfahrung der Kaufleute begründet, weshalb sie nicht gewarnt werden müssen. Weiterer Grund ist das Bedürfnis des Handelsverkehrs nach einfacher und schneller Abwicklung. Für S stellt die Bürgschaftserklärung ein Handelsgeschäft dar (§§ 343, 344 HGB). Er kann die Bürgschaftserklärung daher formfrei abgeben (§ 350 HGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Nico

Nico

24.2.2022, 19:01:07

Inwieweit würde die Absicherung per Bürgschaft denn hier Sinn ergeben, wenn Snuggles als Gesellschafter der OHG doch sowieso schon ohne Bürgschaft persönlich haftet gem. § 128 I HGB?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.2.2022, 11:10:38

Hallo NiC.-, in der Tat hätte G hier letztlich keinen Vorteil von der Bürgschaft. Denn der persönlich-haftende OHG-Gesellschafter haftet bereits nach § 128 Abs. 1 HGB nicht-subsidiär für Gesellschaftsschulden und kann unmittelbar von dem Gläubiger in Anspruch genommen werden. Aber auch sonst ist die praktische Bedeutung des § 349 HGB eher gering, da Bürgschaften ohnehin als selbstschuldnerische Bürgschaft (§ 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB) vereinbart werden und damit der Einwand der Vorausklage entfällt (vgl. Maultzsch, in: MüKo-HGB, 5.A. 2021, § 349 RdNr. 2). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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