Zivilrechtliche Nebengebiete
Handelsrecht
Allgemeine Regeln für Handelsgeschäfte (§§ 343-372 HGB)
Grundfall gutgläubiger Eigentumserwerb nach § 366 Abs. 1 HGB
Grundfall gutgläubiger Eigentumserwerb nach § 366 Abs. 1 HGB
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V betreibt ein Handelsgewerbe, in dem sie gebrauchte italienische Motorroller in Kommission verkauft und repariert. Die im Eigentum der E stehende Vespa wurde von V repariert und steht abholbereit im Vorraum. Sammler K ist von der Vespa so begeistert, dass er sie von V erwirbt. Er geht davon aus, dass V sie in Kommission veräußern sollte.
Diesen Fall lösen 84,6 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Grundfall gutgläubiger Eigentumserwerb nach § 366 Abs. 1 HGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. E hat ihr Eigentum an der Vespa durch Veräußerung der V an K nach § 929 S.1 BGB verloren.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. E hat ihr Eigentum an der Vespa durch gutgläubigen Erwerb des K von V nach §§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGB verloren.
Nein, das trifft nicht zu!
3. §§ 932 Abs. 1 BGB ermöglicht den Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten bei gutem Glauben an das Eigentum des Veräußerers. § 366 Abs. 1 HGB ermöglicht das schon bei gutem Glauben an die Verfügungsbefugnis.
Ja!
4. Ist V Kaufmann (§ 1 Abs. 1 HGB)?
Genau, so ist das!
5. V hat im Betrieb ihres Handelsgewerbes eine bewegliche Sache veräußert (§ 366 Abs. 1 HGB).
Ja, in der Tat!
6. K war gutgläubig hinsichtlich der Verfügungsbefugnis der V (§ 932 BGB, § 366 Abs. 1 HGB).
Ja!
7. E kann von K Herausgabe der Vespa verlangen (§ 985 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Rechtsanwalt B. Trüger
10.7.2024, 13:43:47
Zunächst wird verneint, dass K Eigentum gemäß §§ 929,
932erworben hat. Aus der Erklärung bin ich leider nicht wirklich schlau geworden. Lag es daran, dass §
366 HGBnicht mitzitiert wurde? Ich hätte zunächst ganz normal den gutgläubigen Erwerb nach §§ 929,
932geprüft und im Rahmen der Gutgläubigkeit den §
366 HGBthematisiert. Oder gehört er zwingend in die Anspruchsgrundlage?
robse27
12.7.2024, 12:52:39
Hey, ich hatte genau das gleiche „Problem“. Habe gerade mal bei Bitter/Linardatos Fall 23 nachgeschaut, dort wird es (grob) so gemacht: - § 929 S.1 BGB (-), weil Berechtigung (-) - ggf. aber ggE gem. §§ 929 S.1,
932I 1 BGB (Überwindung der fehlenden Berechtigung): Dort wird dann im Punkt „Gutgläubigkeit“ (§
932II BGB) gesagt grds. (-), aber möglicherweise §
366 HGB[… dann Prüfung des §
366 HGB]. Dann steht ganz am Ende wörtlich „A hat deshalb das Eigentum am Fahrrad nach §§ 929,
932 BGB, 366 I HGB gutgläubig von V erworben und X sein Eigentum damit verloren.“ § 366 I HGB taucht also dort erst am Ende der Feststellung auf und vorher noch nicht (dort nur als Oberpunkt „§§ 929 S.,
932I 1“, wo dann geguckt und festgestellt wird, dass das nur mit §
366 HGBgeht). TLDR: Ja genau, § 366 I muss dann (aber erst am Ende) mitzitiert werden (zumindest nach Bitter/Linardatos). LG :)
Sebastian Schmitt
8.9.2024, 12:20:06
Hallo @[Rechtsanwalt B. Trüger](208842), @[robse27](211434) hat es schon sehr schön aufgeschlüsselt. Wir legen hier aus didaktischen Gründen Wert auf die Feststellung, dass der "normale" gutgläubige Erwerb (rein nach §§ 929 S 1,
932 BGB) zunächst scheitert. Anschließend kommt dann § 366 I HGB ins Spiel, der uns gerade darüber hinweg hilft, dass der Erwerber nicht gutgläubig hinsichtlich der Eigentümerstellung des Veräußerers ist, aber sehr wohl hinsichtlich dessen
Verfügungsbefugnis. Ob man §
366 HGBin der Prüfung schon direkt iRd AGL mitzitiert oder erst später ins Spiel bringt, dürfte nicht so entscheidend sein, solange die Norm überhaupt gesehen und zitiert wird. Seinem Wortlaut nach gehört §
366 HGBmE (!) als Verweisungsnorm aber tendenziell schon zur Anspruchsgrundlage (zB "§§ 929 S 1,
932 BGBiVm § 366 I HGB"). Für beide Varianten findet man aber Beispiele und Musterlösungen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Burumar🐸
10.7.2024, 18:56:11
Laut SV wird ein Handelsgewerbe betrieben. Auf die Vermutung des 1 II HGB kommt es dann doch gar nicht mehr an.