+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
Tags
Lernplan ZR Handels- und Gesellschaftsrecht (100%)
Lernplan Examen - alle (100%)
Lernplan ZR Großer Schein (100%)

V betreibt ein Handelsgewerbe, in dem sie gebrauchte italienische Motorroller in Kommission verkauft und repariert. Die im Eigentum der E stehende Vespa wurde von V repariert und steht abholbereit im Vorraum. Sammler K ist von der Vespa so begeistert, dass er sie von V erwirbt. Er geht davon aus, dass V sie in Kommission veräußern sollte. ‌

Einordnung des Falls

Grundfall gutgläubiger Eigentumserwerb nach § 366 Abs. 1 HGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. E hat ihr Eigentum an der Vespa durch Veräußerung der V an K nach § 929 S.1 BGB verloren.

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Eigentumsübertragung nach § 929 S. 1 BGB setzt Einigung, Übergabe, Einigsein bei Übergabe und Verfügungsbefugnis voraus. V sollte die Vespa lediglich für E reparieren (§ 631 Abs. 1 BGB). Hierfür wurde V weder Eigentümerin der Vespa, noch zur Verfügung über sie ermächtigt (§ 185 Abs. 1 BGB). Für eine Eigentumsübertragung nach § 929 S. 1 BGB fehlt es V somit an der Verfügungsbefugnis.

2. E hat ihr Eigentum an der Vespa durch gutgläubigen Erwerb des K von V nach §§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGB verloren.

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Nein, das trifft nicht zu!

Der gutgläubiger Erwerb nach §§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGB setzt voraus, dass -mit Ausnahme der Verfügungsbefugnis- die Voraussetzungen des Erwerbs nach § 929 S. 1 BGB vorliegen. Zudem muss es sich um ein Verkehrsgeschäft handeln, der Erwerber muss gutgläubig hinsichtlich des Eigentums des Veräußerers sein (§ 932 BGB) und die Sache darf nicht abhandengekommen sein (§ 935 BGB). K ging nicht davon aus, dass V Eigentümerin der Vespa war. Vielmehr dachte sie, dass V die Vespa in Kommission verkaufen sollte. Bei einem Kommissionsgeschäft erwirbt oder veräußert der Kommissionär im eigenen Namen Waren für Rechnung eines Dritten (§ 383 Abs. 1 HGB). Ein Kommissionär wird regelmäßig zur Verfügung ermächtigt (§ 185 Abs. 1 BGB), jedoch nicht Eigentümer der Waren.Anders als der Vertreter (§ 164 BGB) veräußert der Kommissionär in eigenem, nicht in fremden Namen. Der Eigentümer muss also nicht offengelegt werden.

3. §§ 932 Abs. 1 BGB ermöglicht den Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten bei gutem Glauben an das Eigentum des Veräußerers. § 366 Abs. 1 HGB ermöglicht das schon bei gutem Glauben an die Verfügungsbefugnis.

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Ja!

§ 366 Abs. 1 HGB erweitert die Gutglaubensschutzvorschriften auf den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis eines Kaufmanns (§ 185 BGB). Voraussetzungen: (1) Der Veräußerer ist Kaufmann, (2) es wird eine bewegliche Sache (3) im Betrieb seines Handelsgewerbes veräußert und (4)der Erwerber ist in gutem Glauben an die Verfügungsbefugnis des Kaufmanns und (5)kein Abhandenkommen der Sache (§ 935 BGB)

4. Ist V Kaufmann (§ 1 Abs. 1 HGB)?

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Genau, so ist das!

Kaufmann ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt (§ 1 Abs. 1 HGB). V betreibt mit ihrem Geschäft ein Gewerbe (§ 1 Abs. 1 HGB), für das mangels gegenteiliger Anhaltspunkte die Vermutung des § 1 Abs. 2 HGB greift. Sie ist Kaufmann kraft Betrieb eines Handelsgewerbes (§ 1 Abs. 1 HGB).

5. V hat im Betrieb ihres Handelsgewerbes eine bewegliche Sache veräußert (§ 366 Abs. 1 HGB).

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Ja, in der Tat!

Die Vespa ist eine bewegliche Sache (§ 90 BGB). V hat sie im Rahmen ihres Geschäfts an K veräußert. ‌

6. K war gutgläubig hinsichtlich der Verfügungsbefugnis der V (§ 932 BGB, § 366 Abs. 1 HGB).

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Ja!

Guter Glaube liegt vor, wenn dem Erwerber nicht bekannt oder grob fahrlässig unbekannt ist, dass der Veräußerer nicht zur Verfügung befugt ist (§ 932 Abs. 2 BGB, § 366 Abs. 1 HGB). Verfügungsbefugnis ist die Berechtigung, über eine fremde Sache im eigenen Namen zu verfügen. K ging davon aus, dass V die Vespa in Kommission verkaufen sollte. Bei einer Kommission erwirbt oder veräußert der Kommissionär im eigenen Namen Waren für Rechnung eines Dritten (§ 383 Abs. 1 HGB). Ein Kommissionär wird dafür regelmäßig zur Verfügung ermächtigt (§ 185 BGB).

7. Kann E von K Herausgabe der Vespa verlangen (§ 985 BGB).

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Nein, das ist nicht der Fall!

Dem Eigentümer steht gegen den unberechtigten Besitzer ein Herausgabeanspruch nach § 985 BGB zu.E hat ihr Eigentum an der Vespa durch gutgläubigen Erwerb des K von V nach §§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGB, § 366 Abs. 1 HGB verloren. Damit fehlt es an den tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Herausgabeanspruch nach § 985 BGB.

Jurafuchs kostenlos testen

© Jurafuchs 2024