Zivilrecht

Bereicherungsrecht

Bereicherungsausgleich im Mehrpersonenverhältnis

Dreipersonenverhältnisse, bei denen es schwierig zu bestimmen ist, von wem die Leistung an wen genau ging

Dreipersonenverhältnisse, bei denen es schwierig zu bestimmen ist, von wem die Leistung an wen genau ging

23. Mai 2025

13 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K und V schließen einen Kaufvertrag über eine Gitarre (§ 433 BGB). V muss diese noch von D kaufen. Er vereinbart mit D, dass D die Gitarre an K liefert und K diese von D direkt verlangen kann (Vertrag zugunsten Dritter, § 328 Abs. 1 BGB). D liefert die Gitarre an K.

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Einordnung des Falls

Dreipersonenverhältnisse, bei denen es schwierig zu bestimmen ist, von wem die Leistung an wen genau ging

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Durch die Lieferung von D an K ist für eine juristische Sekunde V Eigentümer (§ 929 S.1 BGB) an der Gitarre geworden.

Genau, so ist das!

Die konkludenten Einigungserklärungen der Parteien sind nach §§ 133, 157 BGB auszulegen. Ursprünglich war D Eigentümer. Eine Übereignung von D an K würde der Interessenlage der Parteien widersprechen. D kennt die genaue Vereinbarung zwischen K und V (Kauf, Miete, Eigentumsvorbehalt, etc.) nicht. Es ist im Interesse des D, durch die Lieferung auf Geheiß des V an K zu übereigenen, um seine Pflicht gegenüber V zu erfüllen. Die Weisung zur Lieferung an K stellt dabei das dingliche Angebot (§ 929 S. 1 BGB) des V dar, das D durch die Lieferung an K konkludent annimmt. V hat zu keinem Zeitpunkt Besitz erlangt (a.A.: V wird mittelbarer Besitzer mit K als Besitzmittler). Dies ist für die Eigentumsübertragung allerdings nicht entscheidend. Als Übergabe (§ 929 S. 1 BGB) genügt nach h.M. die ausgeübte Besitzverschaffungsmacht des V.
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2. Durch die Lieferung des D auf Geheiß des V hat K Besitz und Eigentum an der Gitarre "erlangt" (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

"Etwas" im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist jedwede Verbesserung der Vermögenslage. Man kann vier Kategorien unterscheiden: (1) Rechte (z.B. Eigentum), (2) vorteilhafte Rechtsstellungen (z.B. Besitz), (3) Befreiung von Verbindlichkeiten, (4) erlange Nutzungen. V übereignet nach seinem Erwerb direkt weiter an K. Die Lieferung (durch D auf Geheiß des V) stellt ein dingliches Angebot des V dar (§ 929 S. 1 BGB), welches K durch die Entgegennahme der Gitarre konkludent annimmt. K hat durch die Übergabe des D auch Besitz (§ 854 S.1 BGB) erlangt. Da V für eine juristische Sekunde selbst Eigentümer war, war er auch Berechtigter.

3. K hat Eigentum und Besitz an der Gitarre durch Leistung des D erlangt (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Nein!

Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Die Zweckbestimmung der Leistung ist eine geschäftsähnliche Handlung. Das Vorliegen einer Leistung ist aus der objektiven Empfängersicht (§§ 133, 157 BGB) zu beurteilen. Aus dem Vertrag zugunsten Dritter (§328 Abs. 1 BGB) können sowohl V als auch K Leistung an K verlangen (§ 335 BGB). D ist gegenüber beiden verpflichtet. Aus Empfängersicht könnten sowohl V als auch K eine Leistung erkennen. Wertungstechnisch ist für die h.M. entscheidend, dass D in einem „normalen“ Anweisungsverhältnis (d.h. ohne dass K einen eigenen Anspruch gegen D hat) die Sache nicht von K kondizieren könnte. Die Rechtsstellung des K solle sich durch die Rechtsverstärkung infolge des Vertrags zugunsten Dritter nicht verschlechtern. K solle auch hier nicht der Kondiktion ausgesetzt sein. Die h.M. erkennt deshalb auf Strecken-Leistungen D-V und V-K.

4. K hat Eigentum und Besitz durch Leistung des V erlangt (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Die Zweckbestimmung der Leistung ist eine geschäftsähnliche Handlung. Das Vorliegen einer Leistung ist aus der objektiven Empfängersicht (§§ 133, 157 BGB) zu beurteilen. Aus dem Vertrag zugunsten Dritter (§328 Abs. 1 BGB) können sowohl V als auch K Leistung an K verlangen (§ 335 BGB). D ist gegenüber beiden verpflichtet. Aus Empfängersicht könnten sowohl V als auch K eine Leistung erkennen. Wertungstechnisch ist für die h.M. entscheidend, dass D in einem „normalen“ Anweisungsverhältnis (d.h. ohne dass K einen eigenen Anspruch gegen D hat) die Sache nicht von K kondizieren könnte. Die Rechtsstellung des K solle sich durch die Rechtsverstärkung infolge des Vertrags zugunsten Dritter nicht verschlechtern. K solle auch hier nicht der Kondiktion ausgesetzt sein. Die h.M. erkennt deshalb auf Strecken-Leistungen D-V und V-K. V erfüllt seine Verpflichtung aus dem Kaufvertrag, indem er durch seine „verstärkte Weisung“ K Besitz und Eigentum an der Gitarre verschafft.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DO

Domenic

10.11.2021, 11:06:13

In der Erklärung der Aufgabe steht, dass aus dem

Vertrag zugunsten Dritter

sowohl V als auch K Leistung an „K“ verlangen können. Meint ihr damit vielleicht vielmehr den D?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

10.11.2021, 11:22:26

Hallo Domenic, vielen Dank für die Nachfrage. Auch wenn dies auf den ersten Anschein etwas verwirrend wirkt, stimmt der Antworttext hier. D ist hier ja zur Lieferung der Gitarre verpflichtet. V und K haben beide ein Interesse daran, dass diese an K geliefert wird. Da hier ein

Vertrag zugunsten Dritter

vorliegt, hat das Forderungsrecht nicht nur V als Vertragspartner des D, sondern auch K als Begünstigter. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

LS2024

LS2024

24.7.2024, 13:46:42

Die Ausführungen zum

Geheißerwerb

erscheinen mir sehr fragwürdig. Wieso sollte der Versprechende dem Versprechensempfänger Eigentum verschaffen wollen? Er ist dazu nicht verpflichtet. Vielmehr ist er zur Leistung an einen Dritten verpflichtet. Wenn er aber dem Versprechensempfänger das Eigentum schon übertragen hat, dann kann er nicht mehr an den Dritten Eigentum übertrag und damit nicht mehr an den Dritten leisten. Wäre es tatsächlich so wie hier in der Lösung beschrieben bestünde also weiterhin ein Anspruch des Dritten gegen den Versprechenden auf Übergabe und

Übereignung

der Gitarre aus § 433 I BGB iVm §

328 BGB

. Ich bezweifle dass der Versprechende sich darauf einlassen würde.

Dogu

Dogu

7.8.2024, 18:23:13

Deine letzte Aussage stimmt so aber definitiv auch nicht: Dann wäre es ja die Leistung eines Dritten (Versprechensempfänger) an den Gläubiger nach § 267 I 1 BGB. In dem Fall würde der Anspruch gegen den Versprechenden aber auch erlöschen.

BEN

benjaminmeister

12.1.2025, 17:53:44

Ich finde die Ausführungen zur ersten Frage/dem

Geheißerwerb

ebenfalls nicht richtig. Was interessiert es den Versprechenden, was die Vereinbarungen zwischen dem Versprechensempfänger und dem Zuwendungsempfänger sind? Was der Versprechende zu leisten hat, ergibt sich ja beim echten

Vertrag zugunsten Dritter

schon aus seinem

Deckungsverhältnis

zum Versprechensempfänger (dauerhafte

Übereignung

oder nur Miete). Wenn ein

echter Vertrag zugunsten Dritter

vorliegt, wird der Versprechende durch die Leistung an den Zuwendungsempfänger auch sehr wohl von seiner

Leistungspflicht

frei. Selbst wenn man das nicht so sieht, würde hier wenigstens eine Empfangsermächtigung §§ 362 Abs. 2, 185 vorliegen, wodurch der Versprechende ebenfalls von seiner

Leistungspflicht

frei wird. Wenn man dem folgt, stellt sich auch das eigentlich zu thematisierende Problem besser heraus, dass hier die Leistung des Versprechenden (Übertragung des Eigentums an den Zuwendungsempfänger) trotzdem zum Versprechensempfänger UND zeitgleich zum Zuwendungsempfänger als Leistung gesehen werden kann! Und erst hier muss man dann wertend eingreifen und sagen, dass nach allgemeinen Regeln in den Leistungsbeziehungen rückabgewickelt werden muss. Beim Mangel des

Deckungsverhältnis

hat der Versprechende also einen Anspruch gegen den Versprechensempfänger, selbst wenn er auch an den Zuwendungsempfänger geleistet hat.

MAT

Matschegenga

7.2.2025, 10:42:54

Ich schließe mich den Zweifeln des Erstpostenden an. Wenn der Versprechensempfänger unbedingt Durchgangseigentum erwerben will (etwa um sich Eigentum vorbehalten zu können), dann wird er doch dem Dritten kein eigenes Forderungsrecht iSd §

328 BGB

einräumen wollen. Denn wenn der Dritte vom Versprechensempfänger

Übereignung

fordert und dieser dem Verlangen nachkommt, dann liegt nach dem objektivierten

Empfängerhorizont

eine

dingliche Einigung

unmittelbar zwischen Versprechendem und Drittem vor. Von einem Durchgangserwerb des Versprechensempfängers kann dann nicht ausgegangen werden! Mit Übergabe kommt es zu einem Direkterwerb des Dritten vom Versprechenden. Insoweit widerspricht der VZD den Interessen des Versprechensempfängers. Sagt mir gerne wo ich falsch liege.

LS2024

LS2024

7.2.2025, 13:25:44

Da hast du für diesen Fall im Ergebnis Recht @[Dogu](137074). Aber dieses Ergebnis kennt ja der Versprechende im Moment der Übergabe noch nicht. Und auf diesen Moment kommt es für die Auslegung seiner Willenserklärung an. Laut Subsumtion weiß der Versprechende nicht, ob der Versprechensempfänger dem Dritten lediglich Besitz, einen Eigentumsvorbehalt, oder Eigentum verschaffen möchte. Dann kann er gerade nicht darauf vertrauen, dass

Erfüllung

über § 276 I 1 BGB eintritt. Wenn der Versprechensempfänger dem Dritten dann nämlich tatsächlich nur Besitz einräumt, dann hat der Dritte weiterhin den

Erfüllung

sanspruch aus dem Kaufvertrag (oder einen

Nacherfüllungsanspruch

, wenn man fehlendes Eigentum als

Rechtsmangel

einordnet). Insofern kann es also nicht im Interesse des Versprechenden sein, an den Versprechensempfänger zu übereignen. Wenn der Versprechende also Rechtsstreitigkeiten vorbeugen möchte, dann wird er kein Eigentum an den Versprechensempfänger übertragen (Vorbehaltlich anderweitiger Absicherungen, für die im Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte bestehen). Angesichts dieser Interessenlage halte ich eine

konkludent

e Einigung zur

Übereignung

für ausgeschlossen. Selbst wenn der Versprechende nun wüsste, dass der Versprechensempfänger dem Dritten

Übereignung

schuld

et, verstehe ich nicht, wieso es dem Interesse des Versprechenden entsprechen sollte, das Risiko vertragswidrigen Verhaltens des Versprechensempfängers zu tragen.

Juraddicted

Juraddicted

3.1.2025, 19:14:34

Stellen diese Konstellationen immer Verträge zu Gunsten

Dritter

dar? und wenn ja, sollte man das in der Klausur auch so erwähnen? Mir wird das hier erstmalig als solcher angezeigt. Vielen Dank :)

NI

Niro95

27.1.2025, 18:09:12

Nur wenn ein eigenes Forderungsrecht des K besteht, lies § 328 I BGB. Das war in den vorherigen Fällen nicht so :)

PACTA

pactasuntservanda04

25.4.2025, 23:09:16

Das heißt D muss sich mit seinem Bereicherungsanspruch immer an V halten?


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