Zivilrecht
Bereicherungsrecht
Bereicherungsausgleich im Mehrpersonenverhältnis
Echter Vertrag zugunsten Dritter - Mangel im Deckungsverhältnis
Echter Vertrag zugunsten Dritter - Mangel im Deckungsverhältnis
20. Mai 2025
16 Kommentare
4,6 ★ (9.531 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
F hat bei der Versicherung V eine Lebensversicherung zugunsten ihres Ehemanns M abgeschlossen. F täuscht ihren Tod vor. V zahlt die Versicherungssumme in Höhe von €700.000 an M. Später stellt sich der wahre Sachverhalt heraus.
Diesen Fall lösen 0,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Echter Vertrag zugunsten Dritter - Mangel im Deckungsverhältnis
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Mit der Lebensversicherung handelt es sich um einen echten Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. F hat das Geld im Wege der Leistungskondiktion herauszugeben (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Es liegt eine Leistung im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB der V an M vor.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
StellaChiara
7.6.2023, 13:23:37
Hallöchen :) ich habe eine kurze Frage: Stellt dieser Fall die Ausnahme zum Grundsatz über die Rückabwicklung innerhalb der Leistungsbeziehungen beim
Vertrag zugunsten Dritterdar (
Direktkondiktion, wenn der wirtschaftliche Schwerpunkt darin liegt, dass der Dritte unmittelbar die Leistung erlangt)? VG

Lukas_Mengestu
9.6.2023, 13:12:18
Hallo StellaChiara, besteht beim
Vertrag zugunsten Dritterein Mangel des
Deckungsverhältnisses (Versprechensempfänger (F) - Versprechender (V)) musst Du zwei Konstellationen unterscheiden: (1) die Zuwendung des Versprechenden an den Dritten stellt bloß eine abgekürzte Leistung dar und soll an sich an den Versprechensempfänger gehen. Dann haben wir eine normale Anweisungslage und es liegt eine Rückabwicklung über Eck vor. (2) Die Zuwendung an den Dritten soll zu einem bestimmten Zweck erfolgen. Dieser soll gänzlich unabhängig von dem
Valutaverhältnis(
Dritter-Versprechensempfänger) sein und die Leistung allein von dem Bestand des
Deckungsverhältnisabhängen. Nach der Zweckrichtung des
Deckungsverhältnisses steht der Dritte der Leistung näher, als der Versprechensempfänger selbst, weswegen man in diesem Fall bei wertender Betrachtung eine Leistung des Versprechenden an den Dritten annimmt. Es handelt sich dabei in der Regel um Fälle, in denen der Dritte ein eigenes Forderungsrecht erhalten soll. Das Paradebeispiel ist die hier angesprochene Lebensversicherung. Die Rückabwicklung erfolgt hier deshalb direkt zwischen der Versicherung und dem Dritten M. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Skywalker
6.7.2023, 22:02:01
Ein weiterer Lösungsansatz ist die Anwendung von
822 analog. In den Fälle der Mangelhaften
Deckungsverhältnissen bei Verträgen
zugunsten Dritterist demnach eine direkte Nicht
leistungskondiktiongegenüber dem Dritten immer dann Möglich, wenn die die Zuwendung im Valutaverhätnis unentgeltlich vollzogen wird.

CR7
9.1.2024, 13:46:23
@Skywalker aber
§ 822 BGBsetzt ja voraus, dass der Bereicherungsanspruch des Bereicherungsgläubigers gegen den Erstempfänger ausgeschlossen ist, sehe da keine Regelungslücke.
Vanilla Latte
23.7.2024, 15:55:47
In der Uni gab es den Fall auch. Dort hieß es aber dass es keine Leistung des Versprechenden an den Dritten ist, weil der Dritte mit dem ForderungsR aus VzD besser stehen soll. So wäre er aber der Kondiktion des Versprechenden ausgesetzt und würde schlechter stehen. Daher nimmt angeblich die RSP an, dass es bei einer Leistung des Versprechensempfängers bleibt. Die Versicherung müsste also gg F vorgehen. (Ich finde eure Lösung auch sinnvoller, bin nur verwirrt. :) )
David S.
7.10.2024, 16:33:13
Gerne noch auf diesen Kommentar eingehen :)

Major Tom(as)
26.11.2024, 17:11:21
Ich habe mal versucht, mich für die Zwischenzeit schlau zu machen, bis eine "offizielle" Antwort kommt. Wenn ich es richtig verstehe, dann ist das, was @[Vanilla Latte](217055) als "Uni-Lösung" beschreibt, nach h.M. "im Normalfall" die "richtige" Lösung bei Verträgen
zugunsten Dritter(Arg.: Die Stellung des Dritten im
Vertrag zugunsten Drittersoll ja gerade im Vergleich zum "normalen" Anweisungsfall verbessert sein - er ist selbst zu nichts verpflichtet. Damit kann man ihn erst recht (argumentum a fortiori) nicht einer Kondiktion aussetzen, schließlich würde man ihn hier dann schlechter stellen als im "normalen" Anweisungsfall.) Wenn allerdings das Leistungsrecht nach dem Vertrag ganz vom Bestand des
Deckungsverhältnisses abhängen soll wie hier, ist es lt. dem BGH geboten, der „Zuwendung des Versprechenden an den Dritten eine auf den Dritten bezogene Zweckrichtung zu geben, die die Zuwendung als eine allein vom Bestand des
Deckungsverhältnisses abhängige Leistung an den Dritten im
bereicherungsrechtlichen Sinne erscheinen lässt“ (BGH NJW 1972, 864). Dazu Stellung nehmend schreibt der MüKo, § 812, Rn. 195: Das überzeugt indessen nur für den Fall, dass das
Deckungsverhältnisals solches (zB Ver
sicherungsvertrag) wirksam, und nur die konkrete Zahlung nicht ge
schuldet ist (zB Versicherungsfall nicht eingetreten), weil sich dann dem
Deckungsverhältnisggf. im Wege der Auslegung eine vereinbarte Rückabwicklungsordnung entnehmen lässt, die sich nach dem Rechtsgedanken von § 334 BGB auch C entgegenhalten lassen muss. Ansonsten kann sich sowohl bei einem Mangel des
Deckungsverhältnisses als auch bei einem
Doppelmangelder Versprechende ausschließlich an den Versprechensempfänger wenden. Vielleicht hilft das euch auch ein bisschen weiter - ich habe jedenfalls das Gefühl, es jetzt besser zu verstehen :)

FW
14.11.2024, 19:03:46
Hi, Ich würde hier eher eine Leistung der V an F sehen. Somit käme nur eine Kondiktion nach § 812 I 1 Alt. 2 in Betracht. Zwar ist richtig, dass V Leistungsbewusstsein hat. Jedoch bezieht sich dieses m.E. primär nur auf die Verbindlichkeit gegenüber F. Denn das gesamte Konstrukt des Vertrags
zugunsten Dritterdient ja folgendem Zweck: Der Dritte soll nur einen fälligen Anspruch erhalten, sofern der Versprechensempfänger verstirbt. Nur dann soll der Versprechende - nach dem Willen des Versprechensempfängers - an den Dritten leisten, mithin V hier an M auszahlen. Bevor er jedoch an M auszahlt, muss er aber denklogisch seine Verbindlichkeit gegenüber F erfüllen. Oder anders formuliert ist es doch eher so: Die V erfüllt ihre Verbindlichkeit gegenüber F dadurch, dass sie die Lebensversicherung an den M auszahlt. Das der M auch ein eigenes Forderungsrecht hat, soll ja nur dem Zweck dienen, dass er den Anspruch notfalls allein geltend machen kann.
Matschegenga
7.2.2025, 11:16:33
V mehrt aus der hier maßgeblichen Sicht des Empfängers M bewusst dessen Vermögen, mit dem Zweck, dessen eigene Forderung aus §§ 159 VVG,
328 BGB- auf sein Leistungsverlangen hin - zum Erlöschen zu bringen. Der Zweck, auch einen Anspruch des Versprechenden zum Erlöschen zu bringen, tritt ja beim VZD gem. § 335 BGB IN DER REGEL hinzu. In diesen Fällen dürfte wohl in beiden Verhältnissen eine Leistung vorliegen, wenn ich den VZD richtig verstehe.

Major Tom(as)
26.11.2024, 16:54:20
Ich liebe den kichernden Sarg, das ist total niedlich gemacht! Lob an die Illustration!

Linne_Karlotta_
3.12.2024, 16:56:26
Hallo Major Tom(as), vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Das Lob geben wir gerne weiter :) Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team
Mandy
7.5.2025, 08:57:31
Hallo zusammen, ich finde die Argumentation, es handele sich um eine Leistung der Versicherung an den Begünstigten ehrlicherweise nicht ganz überzeugend, daher tendiere ich im vorliegenden Fall dazu - also in dem der Versicherungsnehmer (Versprechensempfänger) noch lebt, zu einer Rückabwicklung entlang der Leistungsbeziehungen. Mir hat sich nun aber folgende Frage aufgetan: und zwar, wenn der Versicherungsnehmer nun tatsächlich gestorben ist und die Versicherung an den Begünstigten die Versicherungssumme auszahlt, sich dann aber herausstellt, der Verstorbene war zum Zeitpunkt, indem er die Lebensversicherung abschloss bereits geschäftsunfähig, ist dann nicht eine
Direktkondiktiongem.
§ 822 BGBmöglich? meine Überlegung ist, dass der Versprechensempfänger (Verstorbene) ja grds.
etwas erlangthat (die Befreiung von seiner Verbindlichkeit aus dem Schenkungsvertrag mit dem Begünstigten), allerdings kann der Anspruch gegen ihn nicht mehr durchgesetzt werden, da er Tot ist. Gem. § 1922 BGB gehen grds. auch alle Verbindlichkeiten auf die Erben über. Allerdings entsteht der Vorteil des Verstorbenen hier erst mit Auszahlung der Versicherungssumme, die nach dem Tod erfolgt, sodass der
Leistungskondiktionsanspruch der Versicherung erst nach dem Tot entsteht und daher konnte dies als Verbindlichkeit des Verstorbenen nicht gem. § 1922 BGB auf die Erben übergehen. Der Begünstigte, hat die Versicherungssumme auch unentgeltlich erhalten. Nun verlangt
§ 822 BGBdas „infolge“ der unentgeltlichen Zuwendung die Kondiktion ausgeschlossen sein muss. Könnte man dann aber eine analoge Anwendung Annehmen, da ja grds. eine vergleichbare Interessenlage besteht (Der Kondiktionsanspruch ist ausgeschlossen in beiden Fällen) und es besteht eine vergleichbare Interessenlage, der Begünstigte erhält etwas unentgeltlich und die Versicherungs hätte sonst keine Ansprüche? ich würde mich über eine Antwort freuen.