Zivilrecht

Bereicherungsrecht

Bereicherungsausgleich im Mehrpersonenverhältnis

Echter Vertrag zugunsten Dritter - Mangel im Deckungsverhältnis

Echter Vertrag zugunsten Dritter - Mangel im Deckungsverhältnis

3. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

F hat bei der Versicherung V eine Lebensversicherung zugunsten ihres Ehemanns M abgeschlossen. F täuscht ihren Tod vor. V zahlt die Versicherungssumme in Höhe von €700.000 an M. Später stellt sich der wahre Sachverhalt heraus.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Mit der Lebensversicherung handelt es sich um einen echten Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB).

Ja!

Bei einem Lebensversicherungsvertrag verspricht die Versicherung, im Falle des Todes des Versicherungsnehmers, an den Begünstigten zu zahlen. Der Dritte erwirbt ein unmittelbares Forderungsrecht gegen die Versicherung (vgl. § 159 VVG). Zu den Begrifflichkeiten: Die Versicherung ist der Versprechende. Der Versicherungsnehmer ist der Versprechensempfänger. Zwischen dem Versprechensempfänger und dem Versprechenden besteht das Deckungsverhältnis. Zwischen dem Versprechensempfänger und dem Dritte (Begünstigten) besteht das Valutaverhältnis.
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2. F hat das Geld im Wege der Leistungskondiktion herauszugeben (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Leistungskondiktion setzt voraus, dass der Anspruchsgegner (1) etwas (2) durch Leistung und (3) ohne Rechtsgrund erlangt hat. F hat selbst nichts erlangt, kann also auch nichts herausgeben.

3. Es liegt eine Leistung im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB der V an M vor.

Ja, in der Tat!

Leistung ist die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Ob eine solche vorliegt, beurteilt sich aus der Sicht eines objektiven Empfängers. Aus der Sicht des Zuwendungsempfängers (M) liegt eine Leistung der Versicherung (Versprechender) vor. Denn der Empfänger steht in engerer Beziehung zu dem mit der Leistung verfolgten Zweck (Versorgung nach dem Tod der F). V hat bewusst Ms Vermögen gemehrt. Es liegt somit eine Leistung der V an M vor.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

STE

StellaChiara

7.6.2023, 13:23:37

Hallöchen :) ich habe eine kurze Frage: Stellt dieser Fall die Ausnahme zum Grundsatz über die Rückabwicklung innerhalb der Leistungsbeziehungen beim Vertrag zugunsten Dritter dar (Direktkondiktion, wenn der wirtschaftliche Schwerpunkt darin liegt, dass der Dritte unmittelbar die Leistung erlangt)? VG

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

9.6.2023, 13:12:18

Hallo StellaChiara, besteht beim Vertrag zugunsten Dritter ein Mangel des

Deckungsverhältnis

ses (Versprechensempfänger (F) - Versprechender (V)) musst Du zwei Konstellationen unterscheiden: (1) die Zuwendung des Versprechenden an den Dritten stellt bloß eine abgekürzte Leistung dar und soll an sich an den Versprechensempfänger gehen. Dann haben wir eine normale Anweisungslage und es liegt eine Rückabwicklung über Eck vor. (2) Die Zuwendung an den Dritten soll zu einem bestimmten Zweck erfolgen. Dieser soll gänzlich unabhängig von dem

Valutaverhältnis

(Dritter-Versprechensempfänger) sein und die Leistung allein von dem Bestand des

Deckungsverhältnis

abhängen. Nach der Zweckrichtung des

Deckungsverhältnis

ses steht der Dritte der Leistung näher, als der Versprechensempfänger selbst, weswegen man in diesem Fall bei wertender Betrachtung eine Leistung des Versprechenden an den Dritten annimmt. Es handelt sich dabei in der Regel um Fälle, in denen der Dritte ein eigenes Forderungsrecht erhalten soll. Das Paradebeispiel ist die hier angesprochene Lebensversicherung. Die Rückabwicklung erfolgt hier deshalb direkt zwischen der Versicherung und dem Dritten M. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Skywalker

Skywalker

6.7.2023, 22:02:01

Ein weiterer Lösungsansatz ist die Anwendung von

822

analog. In den Fälle der Mangelhaften

Deckungsverhältnis

sen bei Verträgen zugunsten Dritter ist demnach eine direkte

Nichtleistungskondiktion

gegenüber dem Dritten immer dann Möglich, wenn die die Zuwendung im Valutaverhätnis unentgeltlich vollzogen wird.

CR7

CR7

9.1.2024, 13:46:23

@Skywalker aber

§ 822 BGB

setzt ja voraus, dass der Bereicherungsanspruch des Bereicherungsgläubigers gegen den Erstempfänger ausgeschlossen ist, sehe da keine Regelungslücke.

VALA

Vanilla Latte

23.7.2024, 15:55:47

In der Uni gab es den Fall auch. Dort hieß es aber dass es keine Leistung des Versprechenden an den Dritten ist, weil der Dritte mit dem ForderungsR aus VzD besser stehen soll. So wäre er aber der Kondiktion des Versprechenden ausgesetzt und würde schlechter stehen. Daher nimmt angeblich die RSP an, dass es bei einer Leistung des Versprechensempfängers bleibt. Die Versicherung müsste also gg F vorgehen. (Ich finde eure Lösung auch sinnvoller, bin nur verwirrt. :) )

David S.

David S.

7.10.2024, 16:33:13

Gerne noch auf diesen Kommentar eingehen :)

Major Tom(as)

Major Tom(as)

26.11.2024, 17:11:21

Ich habe mal versucht, mich für die Zwischenzeit schlau zu machen, bis eine "offizielle" Antwort kommt. Wenn ich es richtig verstehe, dann ist das, was @[Vanilla Latte](217055) als "Uni-Lösung" beschreibt, nach h.M. "im Normalfall" die "richtige" Lösung bei Verträgen zugunsten Dritter (Arg.: Die Stellung des Dritten im Vertrag zugunsten Dritter soll ja gerade im Vergleich zum "normalen" Anweisungsfall verbessert sein - er ist selbst zu nichts verpflichtet. Damit kann man ihn erst recht (argumentum a fortiori) nicht einer Kondiktion aussetzen, schließlich würde man ihn hier dann schlechter stellen als im "normalen" Anweisungsfall.) Wenn allerdings das Leistungsrecht nach dem Vertrag ganz vom Bestand des

Deckungsverhältnis

ses abhängen soll wie hier, ist es lt. dem BGH geboten, der „Zuwendung des Versprechenden an den Dritten eine auf den Dritten bezogene Zweckrichtung zu geben, die die Zuwendung als eine allein vom Bestand des

Deckungsverhältnis

ses abhängige Leistung an den Dritten im bereicherungsrechtlichen Sinne erscheinen lässt“ (BGH NJW 1972, 864). Dazu Stellung nehmend schreibt der MüKo, § 812, Rn. 195: Das überzeugt indessen nur für den Fall, dass das

Deckungsverhältnis

als solches (zB Versicherungsvertrag) wirksam, und nur die konkrete Zahlung nicht geschuldet ist (zB Versicherungsfall nicht eingetreten), weil sich dann dem

Deckungsverhältnis

ggf. im Wege der Auslegung eine vereinbarte Rückabwicklungsordnung entnehmen lässt, die sich nach dem Rechtsgedanken von § 334 BGB auch C entgegenhalten lassen muss. Ansonsten kann sich sowohl bei einem Mangel des

Deckungsverhältnis

ses als auch bei einem Doppelmangel der Versprechende ausschließlich an den Versprechensempfänger wenden. Vielleicht hilft das euch auch ein bisschen weiter - ich habe jedenfalls das Gefühl, es jetzt besser zu verstehen :)

FW

FW

14.11.2024, 19:03:46

Hi, Ich würde hier eher eine Leistung der V an F sehen. Somit käme nur eine Kondiktion nach § 812 I 1 Alt. 2 in Betracht. Zwar ist richtig, dass V Leistungsbewusstsein hat. Jedoch bezieht sich dieses m.E. primär nur auf die Verbindlichkeit gegenüber F. Denn das gesamte Konstrukt des Vertrags zugunsten Dritter dient ja folgendem Zweck: Der Dritte soll nur einen fälligen Anspruch erhalten, sofern der Versprechensempfänger verstirbt. Nur dann soll der Versprechende - nach dem Willen des Versprechensempfängers - an den Dritten leisten, mithin V hier an M auszahlen. Bevor er jedoch an M auszahlt, muss er aber denklogisch seine Verbindlichkeit gegenüber F erfüllen. Oder anders formuliert ist es doch eher so: Die V erfüllt ihre Verbindlichkeit gegenüber F dadurch, dass sie die Lebensversicherung an den M auszahlt. Das der M auch ein eigenes Forderungsrecht hat, soll ja nur dem Zweck dienen, dass er den Anspruch notfalls allein geltend machen kann.

Major Tom(as)

Major Tom(as)

26.11.2024, 16:54:20

Ich liebe den kichernden Sarg, das ist total niedlich gemacht! Lob an die Illustration!


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