Zivilrecht
Bereicherungsrecht
Bereicherungsausgleich im Mehrpersonenverhältnis
Echter Vertrag zugunsten Dritter - Mangel im Deckungsverhältnis
Echter Vertrag zugunsten Dritter - Mangel im Deckungsverhältnis
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
F hat bei der Versicherung V eine Lebensversicherung zugunsten ihres Ehemanns M abgeschlossen. F täuscht ihren Tod vor. V zahlt die Versicherungssumme in Höhe von €700.000 an M. Später stellt sich der wahre Sachverhalt heraus.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Echter Vertrag zugunsten Dritter - Mangel im Deckungsverhältnis
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Mit der Lebensversicherung handelt es sich um einen echten Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. F hat das Geld im Wege der Leistungskondiktion herauszugeben (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Es liegt eine Leistung im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB der V an M vor.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
StellaChiara
7.6.2023, 13:23:37
Hallöchen :) ich habe eine kurze Frage: Stellt dieser Fall die Ausnahme zum Grundsatz über die Rückabwicklung innerhalb der Leistungsbeziehungen beim Vertrag zugunsten Dritter dar (Direktkondiktion, wenn der wirtschaftliche Schwerpunkt darin liegt, dass der Dritte unmittelbar die Leistung erlangt)? VG
Lukas_Mengestu
9.6.2023, 13:12:18
Hallo StellaChiara, besteht beim Vertrag zugunsten Dritter ein Mangel des
Deckungsverhältnisses (Versprechensempfänger (F) - Versprechender (V)) musst Du zwei Konstellationen unterscheiden: (1) die Zuwendung des Versprechenden an den Dritten stellt bloß eine abgekürzte Leistung dar und soll an sich an den Versprechensempfänger gehen. Dann haben wir eine normale Anweisungslage und es liegt eine Rückabwicklung über Eck vor. (2) Die Zuwendung an den Dritten soll zu einem bestimmten Zweck erfolgen. Dieser soll gänzlich unabhängig von dem
Valutaverhältnis(Dritter-Versprechensempfänger) sein und die Leistung allein von dem Bestand des
Deckungsverhältnisabhängen. Nach der Zweckrichtung des
Deckungsverhältnisses steht der Dritte der Leistung näher, als der Versprechensempfänger selbst, weswegen man in diesem Fall bei wertender Betrachtung eine Leistung des Versprechenden an den Dritten annimmt. Es handelt sich dabei in der Regel um Fälle, in denen der Dritte ein eigenes Forderungsrecht erhalten soll. Das Paradebeispiel ist die hier angesprochene Lebensversicherung. Die Rückabwicklung erfolgt hier deshalb direkt zwischen der Versicherung und dem Dritten M. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Skywalker
6.7.2023, 22:02:01
Ein weiterer Lösungsansatz ist die Anwendung von
822analog. In den Fälle der Mangelhaften
Deckungsverhältnissen bei Verträgen zugunsten Dritter ist demnach eine direkte
Nichtleistungskondiktiongegenüber dem Dritten immer dann Möglich, wenn die die Zuwendung im Valutaverhätnis unentgeltlich vollzogen wird.
CR7
9.1.2024, 13:46:23
@Skywalker aber
§ 822 BGBsetzt ja voraus, dass der Bereicherungsanspruch des Bereicherungsgläubigers gegen den Erstempfänger ausgeschlossen ist, sehe da keine Regelungslücke.
Vanilla Latte
23.7.2024, 15:55:47
In der Uni gab es den Fall auch. Dort hieß es aber dass es keine Leistung des Versprechenden an den Dritten ist, weil der Dritte mit dem ForderungsR aus VzD besser stehen soll. So wäre er aber der Kondiktion des Versprechenden ausgesetzt und würde schlechter stehen. Daher nimmt angeblich die RSP an, dass es bei einer Leistung des Versprechensempfängers bleibt. Die Versicherung müsste also gg F vorgehen. (Ich finde eure Lösung auch sinnvoller, bin nur verwirrt. :) )
David S.
7.10.2024, 16:33:13
Gerne noch auf diesen Kommentar eingehen :)
Major Tom(as)
26.11.2024, 17:11:21
Ich habe mal versucht, mich für die Zwischenzeit schlau zu machen, bis eine "offizielle" Antwort kommt. Wenn ich es richtig verstehe, dann ist das, was @[Vanilla Latte](217055) als "Uni-Lösung" beschreibt, nach h.M. "im Normalfall" die "richtige" Lösung bei Verträgen zugunsten Dritter (Arg.: Die Stellung des Dritten im Vertrag zugunsten Dritter soll ja gerade im Vergleich zum "normalen" Anweisungsfall verbessert sein - er ist selbst zu nichts verpflichtet. Damit kann man ihn erst recht (argumentum a fortiori) nicht einer Kondiktion aussetzen, schließlich würde man ihn hier dann schlechter stellen als im "normalen" Anweisungsfall.) Wenn allerdings das Leistungsrecht nach dem Vertrag ganz vom Bestand des
Deckungsverhältnisses abhängen soll wie hier, ist es lt. dem BGH geboten, der „Zuwendung des Versprechenden an den Dritten eine auf den Dritten bezogene Zweckrichtung zu geben, die die Zuwendung als eine allein vom Bestand des
Deckungsverhältnisses abhängige Leistung an den Dritten im bereicherungsrechtlichen Sinne erscheinen lässt“ (BGH NJW 1972, 864). Dazu Stellung nehmend schreibt der MüKo, § 812, Rn. 195: Das überzeugt indessen nur für den Fall, dass das
Deckungsverhältnisals solches (zB Versicherungsvertrag) wirksam, und nur die konkrete Zahlung nicht geschuldet ist (zB Versicherungsfall nicht eingetreten), weil sich dann dem
Deckungsverhältnisggf. im Wege der Auslegung eine vereinbarte Rückabwicklungsordnung entnehmen lässt, die sich nach dem Rechtsgedanken von § 334 BGB auch C entgegenhalten lassen muss. Ansonsten kann sich sowohl bei einem Mangel des
Deckungsverhältnisses als auch bei einem Doppelmangel der Versprechende ausschließlich an den Versprechensempfänger wenden. Vielleicht hilft das euch auch ein bisschen weiter - ich habe jedenfalls das Gefühl, es jetzt besser zu verstehen :)
FW
14.11.2024, 19:03:46
Hi, Ich würde hier eher eine Leistung der V an F sehen. Somit käme nur eine Kondiktion nach § 812 I 1 Alt. 2 in Betracht. Zwar ist richtig, dass V Leistungsbewusstsein hat. Jedoch bezieht sich dieses m.E. primär nur auf die Verbindlichkeit gegenüber F. Denn das gesamte Konstrukt des Vertrags zugunsten Dritter dient ja folgendem Zweck: Der Dritte soll nur einen fälligen Anspruch erhalten, sofern der Versprechensempfänger verstirbt. Nur dann soll der Versprechende - nach dem Willen des Versprechensempfängers - an den Dritten leisten, mithin V hier an M auszahlen. Bevor er jedoch an M auszahlt, muss er aber denklogisch seine Verbindlichkeit gegenüber F erfüllen. Oder anders formuliert ist es doch eher so: Die V erfüllt ihre Verbindlichkeit gegenüber F dadurch, dass sie die Lebensversicherung an den M auszahlt. Das der M auch ein eigenes Forderungsrecht hat, soll ja nur dem Zweck dienen, dass er den Anspruch notfalls allein geltend machen kann.
Major Tom(as)
26.11.2024, 16:54:20
Ich liebe den kichernden Sarg, das ist total niedlich gemacht! Lob an die Illustration!