Unechter Vertrag zugunsten Dritter

20. Mai 2025

12 Kommentare

4,9(26.433 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K kauft bei V für ihre Tochter T das neue Fairphone 4 für €600. Sie hat keine Zeit es selbst abzuholen. Deshalb vereinbart sie mit V, dass T es selbst abholen soll.

Diesen Fall lösen 0,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Unechter Vertrag zugunsten Dritter

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T könnte gegen V einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Fairphones haben, sofern es sich hierbei um einen echten Vertrag zugunsten Dritter handelt (§ 328 Abs. 1 BGB).

Ja!

Bei einem echten Vertrag zugunsten Dritter erhält der begünstigte Dritte aufgrund des zwischen Gläubiger (=Versprechensempfänger) und Schuldner (=Versprechender) geschlossenen Vertrages (=Deckungsgeschäft) ein eigenes Forderungsrecht gegenüber dem Schuldner. Voraussetzung des Anspruches ist, dass (1) ein wirksamer Vertrag zwischen Versprechensempfänger und Versprechendem besteht, (2) eine Leistung an einen Dritten vereinbart ist und (3) die Parteien dem Leistungsempfänger ein eigenes Forderungsrecht einräumen.Achtung: Der Vertrag zugunsten Dritter ist kein eigenständiger Vertrag. Anspruchsgrundlage ist also immer der Vertrag aus dem Deckungsgeschäft i.V.m. § 328 Abs. 1 BGB.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. K und V haben einen Kaufvertrag geschlossen.

Genau, so ist das!

Ein Vertrag kommt durch mindestens zwei inhaltlich übereinstimmende, mit Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen zustande (Angebot und Annahme, §§ 145ff.). Dies schließt eine Übereinstimmung hinsichtlich der wesentlichen Vertragsbestandteile (essentialia negotii) ein. Beim Kaufvertrag sind das die Parteien, der Kaufpreis und die Kaufsache.K und V einigen sich auf den Verkauf des Fairphones für €600.Die Beziehung zwischen Versprechensempfänger und Versprechendem nennt man Deckungsverhältnis.

3. V soll das Fairphone an T übergeben und übereignen.

Ja, in der Tat!

Ein Vertrag zugunsten Dritter setzt voraus, dass der der Vertrag eine Vereinbarung darüber enthält, dass der Versprechende die Leistung an einen Dritten erbringen soll.V und K haben vereinbart, dass V die Leistung (Übergabe und Übereignung) direkt gegenüber T erbringen soll.

4. Bei einem Vertrag zugunsten Dritter steht dem begünstigten Dritten immer ein eigenes Forderungsrecht zu.

Nein!

Man unterscheidet zwischen dem echten und dem unechten Vertrag zugunsten Dritter. Der echte Vertrag zugunsten Dritter ist dadurch gekennzeichnet, dass der Dritte durch den Vertrag ein eigenes Forderungsrecht erhält. Beim unechten Vertrag zugunsten Dritter hat der Gläubiger einen Anspruch darauf, dass der Schuldner an den Dritten leistet. Der Dritte hat aber kein eigenes Forderungsrecht.Der unechte Vertrag zugunsten Dritter ist nicht eigenständig geregelt. Es handelt sich insoweit aber nur um eine Ermächtigung des Schuldners seine Verpflichtung durch Leistung an einen Dritten zu erfüllen (§§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB).

5. T soll ein eigenes Forderungsrecht zustehen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Abgrenzung zwischen echtem und unechten Vertrag zugunsten Dritter erfolgt nach der Parteivereinbarung. Fehlt eine ausdrückliche Abrede, so ist der mutmaßliche Wille zu ermitteln. Dabei ist vorrangig auf die gesetzlichen Auslegungsregelungen zurückzugreifen (u.a. §§ 329, 330, 525 BGB) zurückzugreifen. Fehlt es an einer besonderen Bestimmung, ist auf die Umstände des Einzelfalls und maßgeblich den Zweck des Vertrags abzustellen (§ 328 Abs. 2 BGB.Eine ausdrückliche vertragliche Bestimmung über ein Forderungsrecht liegt nicht vor. Auch der Zweck des Vertrages gibt dafür keine Hinweise. Die Lieferung des Fairphones an T stellt sich daher als bloße Verkürzung des Leistungsweges dar. Es handelt sich damit um einen unechten Vertrag zugunsten Dritter.

6. T kann von V Übergabe und Übereignung des Fairphones verlangen nach § 433 Abs. 1 BGB i.V.m. § 328 Abs. 1 BGB.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein echter Vertrag zugunsten Dritter liegt vor, wenn (1) ein wirksamer Vertrag zwischen Versprechensempfänger und Versprechendem besteht, (2) eine Leistung an einen Dritten (=Leistungsempfänger) vereinbart ist und (3) die Parteien dem Dritten ein eigenes Forderungsrecht einräumen.Da K und V der T kein eigenständiges Forderungsrecht eingeräumt haben, liegt lediglich ein unechter Vertrag zugunsten Dritter vor. Dieser gibt V lediglich das Recht, durch Leistung an T zu erfüllen (§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB). Er vermittelt T aber keinen Anspruch auf die Leistung.
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

juramen

juramen

28.5.2023, 01:02:30

Wenn aber doch mit V vereinbart wird, dass T es selbst abholen soll... Sehe nicht nicht ganz, warum das kein eigenes Forderungsrecht der T begründen soll 🤔

Dogu

Dogu

15.6.2023, 13:25:02

T sollte aber nicht das Recht eingeräumt werden, den Anspruch vor Gericht einklagen zu können.

FL

Flohm

16.10.2023, 11:01:58

Warum nicht ? Woran erkenne ich den Unterschied ?

Dogu

Dogu

16.10.2023, 12:24:37

Welchen Sinn sollte denn ein eigenes Forderungsrecht haben? Das macht doch aus Sicht der Eltern keinen Sinn. T ist ein minderjähriges Kind. Laut der Skizze wahrscheinlich 12.

DIAA

Diaa

2.9.2023, 21:33:58

Es wurde doch vereinbart...Im vorigen Fall steht es auch nicht anders als hier. Ich sehe hier eher einen echten VZD als gegeben.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

6.9.2023, 18:06:06

Hallo Diaa, vereinbart wurde hier lediglich, dass V an T leisten kann. Es wurde aber gerade nicht vereinbart, dass T ihrerseits die Leistung auch einfordern kann. Anders als zB beim Lebensver

sicherungsvertrag

ergibt sich aus dem Vertragszweck (Kauf eines Handys) auch nicht zwangsläufig, dass T ein Forderungsrecht eingeräumt werden soll. K wird im Hinblick auf die

Übereignung

lediglich als

Geheißperson

benutzt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

DIAA

Diaa

6.9.2023, 19:26:26

@[Lukas_Mengestu](136780) heißt das, dass das Forderungsrecht ausdrücklich vertraglich vereinbart sein sollte? Also sollte der Begriff "Forderungsrecht" in der Vereinbarung auftauchen?

QUIG

QuiGonTim

11.3.2024, 22:33:53

@[Diaa](211889) Nein, gerade darin liegt eben die Schwierigkeit. Ob der Dritte ein eigenes Forderungsrecht zustehen soll, ist durch Auslegung zu bestimmen. Dazu finden sich neben den allgemeinen Auslegungsregeln (insbesondere

§§ 133, 157 BGB

) spezifische Auslegungsvorschriften (z.B. 328 Abs. 2 BGB).

0815jurafuchs

0815jurafuchs

12.5.2024, 11:22:07

Liebes Jurafuchs-Team, ihr schreibt V solle an T übereignen. Ist T in diesem Fall nicht lediglich

Besitzdiener

, weil K und V sich bereits über den Eigentumsübergang als Teil der

Übereignung

geeinigt haben, so dass V lediglich noch an T übergeben soll?

NC

nondum conceptus

12.4.2025, 17:41:11

Ich denke beides ist vertretbar. Man könnte auf der einen Seite davon ausgehen, dass § 362 II, 185 I BGB vorliegt, sodass vereinbart wurde, dass der Verkäufer an das Kind leisten soll. Man könnte aber auch vertreten, dass zwischen Verkäufer ein Fall des §§ 929 S.1,

930 BGB

vorliegt und das Kind es lediglich abholen soll. Das Kind könnte auch nach der normale

Übereignung

einfach

Besitzdiener

sein. Dann läge kein Fall des § 362 II, 185 I BGB und auch kein echter VZD vor.

NC

nondum conceptus

12.4.2025, 17:41:19

korrigiert mich wenn ich falsch liegt

LMA

Lt. Maverick

2.5.2025, 14:29:26

Liegt ein Fall des §§ 362 II, 185 I BGB kann es schon kein

Vertrag zugunsten Dritter

sein, denn hat der Dritte ein eigenes Forderungsrecht muss er für die

Erfüllung

swirkung nicht ermächtigt sein, denn dieser ist ohnehin wegen des Forderungsrechts empfangszuständig. §§ 362 II, 185 I BGB ist im Verhältnis Gläubiger -

Dritter

also nur in Fällen des unechten Vertrages

zugunsten Dritter

zu berücksichtigen. Dann prüft man nämlich, ob trotz Leistung an einen Dritten wegen §§ 362 II, 185 I BGB

Erfüllung

beim Gläubiger eingetreten ist. Die These mit der

Besitzdienerschaft

macht nur einen Unterschied für die

Erfüllung

swirkung. Ist der Dritte lediglich

Besitzdiener

(Hilfsperson) nach § 855 BGB tritt die

Erfüllung

swirkung nach § 362 I BGB ein. Ist der Dritte gerade keine Hilfsperson, aber nach § 185 I BGB ermächtigt, so tritt die

Erfüllung

nach § 362 II BGB ein. §§ 929 S. 1,

930 BGB

macht hier keinen Sinn. Das würde voraussetzen, dass der Verkäufer un

mittelbarer Besitz

er des Handys verbleibt und zwischen ihm und dem Erwerber ein

Besitzmittlungsverhältnis

vereinbart wird. Hier erlangt doch das Kind unmittelbaren Besitz (§§ 362 II, 185 I BGB) bzw. als

Besitzdiener

(§ 855 BGB) die

tatsächliche Sachherrschaft

, wodurch die Mutter den unmittelbaren Besitz erhält. Das

Besitzkonstitut

ist gerade keine Übergabe, sondern ein Übergabesurrogat.


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community